Hamburg. Weil ein Abgeordneter den Kettenaufzug lahmgelegt hatte, gab es Spott und lange Schlangen vor Aufzügen. Jetzt wird alles wieder gut.
Für die einen enden Wochen des Wartens, für den anderen Tage des Spotts: In jedem Fall schließt sich im Bezirksamt Eimsbüttel vorerst das Kapitel des demolierten Paternosters. Nach gut zwei Wochen Stillstand soll der beliebte Kettenaufzug nun wieder in Betrieb genommen werden, die Unfallschäden waren laut Bezirksamt weniger gravierend als angenommen.
Kunden und Mitarbeiter, die sich in den vergangenen Tagen beim Warten vor den verbliebenen Aufzügen in Geduld üben mussten, dürften aufatmen. FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen, der den Aufzug qua Fehlverhalten außer Betrieb gesetzt hatte, kann auf ein Abklingen des großen Medien-Echos wegen seines Malheurs hoffen. BMS, wie der ehemalige Bundestagsabgeordnete gern genannt wird, beteuert immer noch: Mea culpa! „Ich freue mich aber, dass der Paternoster repariert worden ist und nach TÜV-Freigabe wieder den Bürgern und Mitarbeitern des Bezirksamtes zur Verfügung stehen wird.“
Wie berichtet hatte Müller-Sönksen die Benutzungsregeln des Paternosters vor zwei Wochen etwas zu liberal ausgelegt. Aus Angst vor einem Fahrraddiebstahl hatte er sein E-Bike mit ins Bezirksamt genommen, die Warnhinweise vor dem Paternoster ignoriert und das Rad in Kabine 22 befördert. „Das ging auch einige Etagen gut“, sagte er dem Abendblatt. Aber dann sei ihm das E-Bike aus der Hand gerutscht und habe sich in der Gondel verkeilt. Ende, Nothalt, Betriebsstopp.
Zurück blieben kollektives Kopfschütteln und ein „zerknirschter“ Müller-Sönksen. In den Tagen danach wurde BMS mit Hohn und Spott übergossen. Zumal Eimsbüttels Amtsleiter Torsten Sevecke (SPD) mit seiner Prophezeiung („Katastrophe für unser Kundenzentrum“) recht behalten sollte. 80 Prozent der Besucher im Bezirksamt nutzen sonst den Paternoster.
Inzwischen sei die Schadensaufnahme abgeschlossen, sagt Eimsbüttels stellvertretender Bezirksamtsleiter Ralf Staack. „Es sieht so aus, als könnten wir den Paternoster nach der TÜV-Prüfung wieder in Betrieb nehmen.“ Die Hamburger Feuerkasse wollte sich vor Abschluss der Verfahrens nicht zur Schadenshöhe äußern, nach Abendblatt-Informationen sollen es aber maximal 2000 Euro sein.
Christoph Prang, Sprecher der Feuerkasse, sagt zudem: „Der Gesamtschaden am Paternoster ist bedeutend kleiner als befürchtet.“ Laut einem Sachverständigengutachten sei der durch Müller-Sönksen verursachte Schaden auf das Holzdach und die darüber liegende Holzblende, also auf reine Tischlerarbeiten, begrenzt. Die zunächst befürchtete grundlegende Demolierung der Führungsschienen hätte laut Gutachten durch das zweifache Wiederanfahren des Aufzugs entstehen können, blieb aber aus. Der Eigentümer des Hauses, die Alstria Office Reit-AG, lobte das Zusammenwirken aller Beteiligten als „außergewöhnlich“. Verursacher (Müller-Sönksen), Mieter (Stadt Hamburg) und Nutzer (Bezirksamt Eimsbüttel) hätten schnell an einer Schadensbehebung gearbeitet.
Müller-Sönksen fühlt sich dadurch rehabilitiert. Natürlich sei es nach wie vor eine „Schnapsidee“ und „Riesendummheit“ gewesen, aber: „Ich hatte doppelt Glück im Unglück.“ Nichtsdestoweniger bleibe es bei seiner Reue. Wer den Schaden habe, müsse auch mit dem Spott umgehen können.
Der FDP-Politiker wolle demnächst einen Paternoster-Führerschein machen
Die Satirepartei Die Partei hatte BMS zwischenzeitlich als Burkhardt „Evil Knievel“ Müller-Sönksen tituliert und durch ihn den Komplettabriss der Grindelhochhäuser in Aussicht gestellt. Der FDP-Bezirksabgeordnete nehme so etwas sportlich und wolle demnächst einen Paternoster-Führerschein machen. Eine Anspielung auf seinen hämischen Kommentar zu einer geplanten Verordnung des Bundesarbeitsministeriums. Demnach sollten zum 1. Juni Paternoster nur noch mit Führerschein benutzt werden dürfen. Doch nach öffentlichen Protesten wurde diese Regelung entschärft: Betreiber müssen nun mit Schildern auf mögliche Gefahren hinweisen, was im Bezirksamt Eimsbüttel praktiziert wird.
Der FDP-Politiker hat den Paternoster-Unfall indes nicht exklusiv. Dem Hamburger Amt für Arbeitsschutz sind zwar keine schweren Unfälle mit Paternostern aus den vergangenen Jahrzehnten bekannt. Aber der zweite Paternoster im Eimsbütteler Bezirksamt steht seit eineinhalb Jahren wegen eines ähnlichen Vorfalls still. Angeblich hatte ein Handwerker versucht, eine Leiter mit in die Kabine zu nehmen. Die Bezirkspolitik drängt deshalb auf die Reparatur des zweiten Aufzugs. Zudem sollen an den Wendepunkten die abgekratzten Hinweise „Weiterfahrt ungefährlich“ erneuert werden. Aktuell steht im Grindelhochhaus: „Weiterfahrt gefährlich“.