Harburg. Harburger Notunterkunft füllt sich wegen des Ukraine-Krieges. Auch auf dem Schwarzenberg werden wohl bald wieder Container stehen.

„Notunterkunft Neuland“ steht am Tor der ehemaligen Fegro-Halle an der Harburger Schlachthofstraße. Viele Monate war die Flüchtlingsnot in Hamburg nicht so groß, dass man diese Unterkunft gebraucht hätte. Seit einer Woche ist das anders: Die Halle wird wieder belegt. 390 aus der Ukraine geflüchtete Menschen sind bereits hier und es werden mehr. 600 könnten derzeit untergebracht werden; außerdem bietet die Halle noch mehr Platz für „Compartments“, Wohnabteilungen aus Leichtbauwänden, ohne Zimmerdecke, jedes mit 12 Betten.

„Das ist wie gesagt eine Notunterkunft“, sagt Michael Wedler vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), dessen Harburger Kreisverband die Unterkunft im Auftrag der Sozialbehörde und des Landesbetriebs Fördern und Wohnen (f+w) betreibt. „Alle Beteiligten setzen alles daran, dass die hier Ankommenden möglichst bald in richtige Wohnanlagen umziehen können.“

Schwierige Bedingungen in der Harburger Fegro-Halle

Bereits im Juni hatte Sozialstaatsrätin Petra Lotzkat den Harburger Bezirksabgeordneten eröffnet, dass die Fegro-Halle in absehbarer Zeit als Unterkunft in Anspruch genommen werden müsse. Die Prognose seinerzeit ging davon aus, dass Anfang August 75 Schutzsuchende wöchentlich in Hamburg in Unterkünften untergebracht werden müssen. Übertrieben war das nicht wirklich: Derzeit liegt die wöchentliche Zahl bei 65 – größtenteils Ukrainer, aber auch in anderen Teilen der Welt gibt es immer noch genügend Fluchtgründe. Im Frühjahr kamen noch monatlich etwa 470 Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderen Ländern. Petra Lotzkat bereitete die Politiker auch darauf vor, dass der Schwarzenberg eventuell wieder zur Unterkunft würde. „Beides machen wir nur ungern“, sagte sie, „denn beide Möglichkeiten warten mit schwierigen Bedingungen auf.“

Damit diese schwierigen Bedingungen in der Fegro-Halle für die Geflüchteten halbwegs hinnehmbar sind, setzt das DRK auf seine ganze Erfahrung und das Engagement seiner Mitarbeiter. International ist das Rote Kreuz seit seiner Gründung vor 159 Jahren auch mit Flüchtlingsarbeit beschäftigt. In Deutschland nahm das DRK zuletzt bei den großen Geflüchtetenbewegungen vor acht Jahren Aufgaben an und erledigte diese für die Kommunen – unter anderem auch das Management von Unterkünften. Michael Wedler ist seit sieben Jahren Leiter der Unterkunft Am Röhricht in Fischbek und erfahrener Ansprechpartner für Fragen jüngerer Kollegen.

Fegro-Halle: „Die Stimmung hier ist ruhig.“

In der Fegro-Halle ist Mooyad „Mo“ Aljanafi der stellvertretende Unterkunftsleiter und derzeit Chef. Der studierte Sozialpädagoge hat in seinem bisherigen Berufsleben auch schon für die Sozialbehörde mit Geflüchteten gearbeitet, zwischendurch Problemjugendliche betreut und ist jetzt beim Roten Kreuz zurück in der Flüchtlingsarbeit. „Das gute an der derzeitigen Situation ist im Vergleich zu 2015, dass die Bewohner größtenteils dieselbe Sprache sprechen und konfliktträchtige Missverständnisse deshalb gar nicht erst aufkommen“, sagt er. „Die Stimmung hier ist ruhig.“

Damit jeder mal ein wenig verschnaufen kann, gibt es in der Halle eine Kinderbetreuung, die auch von bereits 100 Kleinen angenommen wird. Außerdem gibt es einen Jugendbereich. „Das war, als es hier noch eine Großhandelshalle war, die Tabakabteilung“, sagt Mo Aljanafi. Deswegen ist der Raum ein abgeteilter Kasten, der sogar eine Decke hat. Hier können die Jugendlichen unter sich sein, wenn sie wollen. Sie haben aber auch eine professionelle Ansprechpartnerin. Auch die Kräfte in der Kinderbetreuung sind qualifizierte Fachleute.“

Unterkunft Fegro-Halle: Weiterhin Baustellentoiletten auf dem Hof

Eine weitere Baubesonderheit des ehemaligen Großhandelsmarktes haben sich die Essensversorger zunutze gemacht: Den Fliesenboden – mit Ablauf – und die gekachelten Wände der einstigen Schlachterei-Abteilung gebrauchen sie für ihre Küche. Dreimal am Tag werden die Menschen in der Notunterkunft verköstigt. Eigene oder wenigstens Gemeinschaftsherde gibt es erst wieder in „richtigen“ Wohnunterkünften. „Kaffee und Tee gibt es aber rund um die Uhr“, sagt Mo Aljanafi.

Dennoch ist einiges immer noch improvisiert: Auf dem Hof stehen noch lange Reihen chemischer Baustellentoilettenhäuschen. Sie werden gerade sukzessive durch Sanitärcontainer ersetzt. Und auch wenn die Halle, seit sie Arbeitsplatz für 100 Kriminalbeamte nach dem G20-Gipfel war, klimatisiert ist, muss sie ständig auf die klassische Art, durch Öffnen aller Tore, gelüftet werden, damit die Bewohner nicht im Stickigen sitzen. Die Klimaanlage wiederum stellt das vor einige Herausforderungen.

Schwarzenberg: Inanspruchnahme keine Frage des „ob“, sondern eine des „wann“

Steigt die Zahl der aus der Ukraine Flüchtenden weiter an, wird die Sozialbehörde nicht nur die Fegro-Halle ganz auffüllen, sondern auch auf die Reserveflächen zurückgreifen, die die Bezirke bereits im Frühjahr ausgewiesen hatten. Im Bezirk Harburg sind das eine brachliegende Fläche der Stadtteilschule Süderelbe, wo etwa 150 Menschen untergebracht werden können. Parallel wurden die Laufzeiten vieler Unterkünfte verlängert und auch ihre Belegung wieder erhöht. Dennoch ist die Inanspruchnahme des Schwarzenbergs keine Frage des „ob“, sondern eine des „wann“. „Wir werden absehbar alle Reserven brauchen“, sagt Behördensprecher Martin Helfrich.

Beim Bezirksamt weiß man von einer möglichen Nutzung des Schwarzenbergs noch nichts. Das kann sich aber schnell ändern: Welche Notreserven aktiviert werden, wird monatlich in Absprache zwischen Behörde und Bezirken neu entschieden und dann zügig umgesetzt.