Harburg. Nach 50 Jahren müssen die Düker-Röhren neben den Elbbrücken generalüberholt werden. Warum es hier auch mal nach Schokolade duftet.
Wenn im Elbtunnel eine Röhre gesperrt ist, wird es auf der Autobahn schon eng. Wenn die Hälfte der Spuren nicht befahrbar ist, droht der Verkehrskollaps. Elbtunnel gibt es aber nicht nur für Autos, sondern unter anderem auch für Abwasser. Düker, nach dem niederdeutschen Wort für Taucher, heißen solche Leitungen, die unter der Elbe hindurchführen. Die große Harburger Hauptleitung und die etwas kleinere Neuländer Nebenleitung treffen sich etwas stromabwärts der alten Harburger Elbbrücke zwei Dutzend Meter unter der Erde.
Aus diesem Sammler muss das Abwasser von 300.000 Menschen zum Klärwerk Hamburg auf dem Köhlbrandhöft gebracht werden. Der liegt beim Tollerort, also auf der anderen Seite der Süderelbe. Deshalb muss das graue Abwasser unter dem grauen Elbwasser hindurch durch die zwei Düker-Röhren fließen, 700 Liter in der Sekunde – eine Mammutaufgabe. Und auch ein Düker hält nicht ewig.
Seit einem Jahr wird unter der Elbe bereits saniert
Seit einem Jahr wird unter der Elbe saniert. Erst war die Oströhre gesperrt, seit einigen Tagen wird die Weströhre in Angriff genommen. Zum großen Schmutzwasser-Rückstau ist es trotzdem nicht gekommen. Unter anderem, weil hier Spezialisten am Werk sind.
Es riecht gar nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt. Unmengen an Abwasser fließen im Sammler zusammen, bilden Strudel und reißende Strömungen und gurgeln dann ab in Richtung Hamburg, aber es riecht nicht schlimm nach Fäkalien. Es müffelt ein wenig, das war es dann auch schon. Nur 27 Prozent des privaten Wasserverbrauchs in Deutschland entfällt auf die Toilette. Der große Rest auf Duschen, Baden, Wäschewaschen, auf Geschirrspülen und Hausputz und ein bisschen wird auch getrunken und verkocht.
„Es ist von den Tageszeiten her ganz unterschiedlich, wie das Abwasser riecht“, sagt Bauleiter Enrico Brandt. „Abends, wenn die Waschmaschinen laufen und die Menschen noch mal duschen, riecht man deutlich Seife und Weichspüler. Es gibt auch Geruchsunterschiede zwischen den Standorten. An den Norderelbbrücken sitzt beispielsweise ein großer Kakao-Verarbeiter. Dort riecht es immer ein wenig nach Schokolade.“
Ein bisschen Müffel bleibt aber. Deshalb haben die, die hier unten arbeiten, auch wasserdichte Schutzkleidung an – und das nicht nur wegen des Geruchs, sondern weil es in diesem Wasser auch eine mikrobiologische Artenvielfalt gibt, die man möglichst vom eigenen Metabolismus trennen möchte. Einige dieser Mikroben greifen sogar Beton an, und darin liegt die Crux: 50 Jahre nach Inbetriebnahme waren die Röhren so angegriffen, dass etwas geschehen musste.
„Wir haben bereits die östliche Röhre fit gemacht“, sagt Bauleiter Brandt. „Der alte poröse Beton wurde entfernt, neuer aufgebracht und die ganze Röhre mit Kunststoff ausgekleidet. Das haben wir jetzt noch einmal vor uns.“
Düker zeitgleich mit Köhlbrandbrücke und Autobahnelbtunnel gebaut
Die Dükerrohre sind nicht ganz rund, sondern eher oval: 120 Zentimeter breit, 175 hoch. Oben waren sie schon lange kunststoffverkleidet. Unten ungefähr einen halben Meter hoch nicht. Nur, wenn Luft an den feuchten Beton kommt, beginnen die schädlichen Bakterien, aktiv zu werden und Schwefelsäure auszuscheiden – bis zu vier Zentimeter tief im Material.
Als der Düker in den 1970er Jahren zeitgleich mit Köhlbrandbrücke und Autobahnelbtunnel gebaut wurde, waren die Röhren auch immer mindestens halbhoch gefüllt. Allerdings hat sich seit damals der Wasserverbrauch und damit das Abwasseraufkommen der Hamburger stark verringert. Lag der Wasserverbrauch einst bei knapp unter 200 Litern, nähert er sich langsam der Marke von 120 an.
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Um die sanierte Röhre öffnen und die zu sanierende abdichten zu können, musste der Sammler trockengelegt werden. Das geschah mit Dichtkissen – riesigen Gummiblasen, die mit Druckluft gefüllt werden und sich wasserdicht an die Röhrenwand schmiegen. Vor die Weströhre kam zunächst eine Holzbohlenwand, dann eine gemauerte. Die anschließende Inspektion zeigte, dass es auch hier an der Zeit war.
„Bei dieser Maßnahme haben wir uns entschlossen, frühzeitig instand zu setzen“, sagt Anna Vietinghoff, Pressesprecherin bei Hamburg Wasser. „Denn so sind die Investitionskosten geringer, als wenn wir die Anlage erst in zehn Jahren sanieren würden – mit dann noch wesentlich weiter fortgeschrittenen Schäden.“
Hamburg Wasser hat Spezialisten aus dem Teutoburger Wald angeheuert
Der beschädigte Beton muss nun herunter. Dafür setzen die Spezialisten, die Hamburg Wasser aus dem Teutoburger Wald angeheuert hat, eine Technik ein, bei der mit circa 2000 bar Wasserdruck auf die Sielwände eingewirkt wird und der Beton auf den geschädigten vier Zentimetern herausplatzt. „Der abgetragene Beton wird mit Loren über die Schächte in Eimern nach oben transportiert“, berichtet Enrico Brandt. „Das ist ziemlich mühsam, bei schätzungsweise 20 Tonnen Schutt, die dort raus müssen.“ Im Anschluss wird das Sielprofil wieder mit Beton aufgebaut. Das sind 24 Tonnen, also etwa 940 Säcke, die wieder heruntergebracht werden müssen. Für die Korrosionsschutzauskleidung kommen noch einmal zehn Tonnen Material zusammen. „Die Übergangsbereiche, wo die Schutzauskleidung endet, und die Sielwand beginnt, bekommen schließlich eine Abschlussschiene mit gummiertem Rand“, so Brandt.
Wenn die Lage es erfordert, wird an der 400 Meter langen Röhre im Mehrschichtsystem gearbeitet. Enrico Brandt ist deshalb nicht der alleinige Bauleiter, sondern Teil eines Teams aus Technikern. Zumal die Dükersanierung gerade nicht die einzige Baustelle am Harburger Hauptdeich ist: Parallel dazu wird auch das Pumpwerk Harburg unter die Lupe genommen. Die riesige Apparatur ist ein Notfallsystem, das noch nie zum Einsatz kommen musste: Sollte das Klärwerk auf dem Köhlbrand ausfallen, würde Hamburgs gesamtes Abwasser durch den Düker nach Harburg geleitet und hier in die Elbe gepumpt, bis das Klärwerk wieder in Betrieb ist. Passiert ist das noch nie. Geprobt wird des einmal im Monat mit Elbwasser.
Etwa ein Jahr wird die Sanierung der Weströhre dauern. „Dann haben wir aber auch für 100 Jahre Ruhe“, sagt Enrico Brandt.
Hamburgs „faule Eier“:
- 150 Millionen Kubikmeter Abwasser fallen in Hamburg jährlich an und werden im Klärwerk Hamburg – es ist verteilt auf den Köhlbrandhöft und die Dradenauinsel – gereinigt. Weithin sichtbar an dieser Anlage sind die zehn Faultürme, wegen ihrer ovalen Form auch „Faul-Eier“ genannt. Das Gelände ist aber noch deutlich größer. In zahlreichen Becken wird das Wasser gründlich von groben Bestandteilen befreit und zum Absetzen ruhen gelassen, bevor der Schlamm aus den Absetzbecken in die Türme geht. Hier gärt und fault er.
- Die dabei entstehenden Gase werden in einem eigenen Kraftwerk zu Wärme und Strom verarbeitet, von denen das Klärwerk den größten Teil selbst nutzt, mittlerweile einen gewissen Anteil auch ins allgemeine Netz abgeben kann. 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich um die reibungslosen Abläufe im Klärwerk.