Hamburg. HamburgWasser investiert kräftig in Aufrüstung. Verbraucher könnten mehr bezahlen – aber auch die Industriefirmen.
In Deutschlands größtem städtischen Klärwerk tun sie viel dafür, das Abwasser von mehr als zwei Millionen Menschen in Hamburg und Umgebung und aus Tausenden Betrieben in der Region möglichst intensiv zu reinigen, bevor es in die Elbe geleitet wird. Und sie tun es zumeist, bevor sie gesetzlich dazu gezwungen sind, und früher als die Kollegen in anderen Klärwerken.
Das Ergebnis: „Wir holen derzeit etwa 99 Prozent der Schadstoffe aus dem Abwasser heraus“, sagt Ingo Hannemann, der Sprecher der Geschäftsführung von HamburgWasser beim Ortstermin auf dem Gelände des Klärwerks Köhlbrandhöft am Südufer der Elbe.
Abwasser: Hamburger finanzieren mit Gebühren neue Technik
Mit Schadstoffen wie Mikroplastik belasteter Klärschlamm wird in Hamburg schon sehr lange verbrannt. Andernorts wird er immer noch als Dünger auf Äcker ausgebracht, erst in einigen Monaten wird es damit vorbei sein. Zuletzt ist auf dem riesigen Areal mit der Adresse Köhlbranddeich 1 eine Anlage in Betrieb gegangen, die dem verbrannten Klärschlamm Phosphor entzieht. Er wird künftig unter anderem als Dünger verkauft, statt in Fluss und Meer das Algenwachstum zu beschleunigen. Bezahlt wird das letztlich von allen Hamburgern, die Investitionen in die Technik finanziert HamburgWasser aus den Einnahmen und Gebühren für Wasser und Abwasser.
In den nächsten Jahren wird das städtische Unternehmen mehr Geld für die technische Aufrüstung und die Erweiterung ihrer Anlagen ausgeben als zuletzt. „Wir investieren allein in den Jahren 2021 bis 2025 insgesamt gut eine Milliarde Euro“, sagt Johannes Brunner, der kaufmännische Geschäftsführer und Nachfolger von Nathalie Leroy, die im Herbst 2021 als neue Finanzchefin zum Münchner Flughafenbetreiber abwanderte. Brunner macht den Job bis, voraussichtlich Anfang 2023, eine Dauer-Nachfolgerin die Position übernimmt.
Fast 340 Millionen werden in Klärwerk investiert
Allein in das Klärwerk werden nun fast 340 Millionen Euro gesteckt. Unter anderem entstehen drei weitere der silbrig-glänzenden, eiförmigen Faultürme, die Klärschlammverbrennungsanlage namens VERA wird erweitert, ein Windrad und eine Fotovoltaikanlage werden errichtet. Wenn aber bis Mitte des Jahrzehnts um die 40, 50 Millionen Euro mehr pro Jahr investiert werden, müssen dann nicht auch die Abwassergebühren deutlich steigen? „Nein“, sagt Brunner, „wir haben das einkalkuliert.“ Wobei er eine Gebührenerhöhung im Grundsatz nicht ausschließen kann, sie werde aber nicht höher sein als üblich, heißt es. Von 2021 auf 2022 war der Abwasserpreis in Hamburg konstant geblieben. „Es wird keine unangenehmen Überraschungen bei den Gebühren geben“, versichert HamburgWasser-Chef Hannemann.
Doch die Frage: Wer bezahlt dafür, dass Schadstoffe aus dem Abwasser geholt werden, wird absehbar drängender. Nach Ende des aktuellen Investitionsprogramms wird es ziemlich sicher gleich das nächste mit Ausgaben in Höhe von vermutlich weiteren Hunderten Millionen Euro geben.
HamburgWasser-Chef will Abwasserreinigung ausbauen
„Wir wollen die Abwasserreinigung weiter ausbauen und zumindest einen Großteil der restlichen Schadstoffe aus dem Abwasser holen. Und wir erwarten, dass es dazu gesetzliche Vorgaben geben wird, die wir werden erfüllen müssen“, sagt Hannemann. Dieses eine Prozent Schadstoffe, das am Ende des Klärprozesses jetzt trotzdem noch in die Elbe eingeleitet wird, besteht unter anderem aus Mikroplastik, Reifenabrieb, Medikamentenwirkstoffen, Pflanzenschutzmitteln, Chemikalien aus Gebäudebeschichtungen und dem Abwasser von Industrieunternehmen. Im Management des städtischen Unternehmens ist man überzeugt, dass die Menge solcher Stoffe im Abwasser weiter wächst.
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Auch deshalb sollen schon auf dem Klärwerksgelände Pilotanlagen in Betrieb gehen, um zum Beispiel zu erproben, mit welchen Filtertechniken welche und wie viel Schadstoffe zusätzlich ausgefiltert werden können. Prognosen, was es kosten würde, das letztlich mit dem gesamten Hamburger Abwasser und in Großanlagen zu tun, existieren noch nicht.
HamburgWasser-Chef: Hersteller müssen an Kosten beteiligt werden
Doch Hannemann sagt schon heute: „Es kann nicht sein, dass die Kosten für eine bessere Abwasserreinigung einseitig bei den Verbrauchern hängen bleiben.“ Er fordert vehement: Die Verursacher – also etwa die Hersteller von Kosmetika, die Mikroplastik enthalten, aber auch Medikamenten- und Bauchemikalienhersteller – müssen an den höheren Abwasserreinigungskosten beteiligt werden. „Wir müssen an der Quelle ansetzen und dafür sorgen, dass Schadstoffe gar nicht erst ins Abwasser gelangen.“
Bei Mikroplastik in Kosmetika sind mehrere Wege denkbar: ein komplettes Nutzungsverbot etwa oder Abgaben für die Verwendung wasserbelastender Stoffe, die in einen Fonds eingezahlt werden, aus dem dann die technische Aufrüstung der Klärwerke finanziert wird. Eine feste Zielzahl, wie viel Schadstoff zusätzlich herausgeholt werden soll, gibt es nicht. Und der kaufmännische Geschäftsführer betont, dass nicht alles, was technisch machbar, auch bezahlbar sein wird. Er sagt: „Ob 99,99 oder gar 99,999 Prozent rausgeholt werden, hängt auch davon ab, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist.“