Harburg. Wer sein Haus energetisch sanieren will, steht aktuell vor Problemen: Es fehlt an Fachkräften – aber auch an Material.

Nicht nur die Bundesregierung, auch viele private Hausbesitzer wollen unabhängig von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas werden – aus eigenen Stücken, oder weil die Bauvorschriften es von ihnen verlangen. Energieberater sind ausgebucht, ebenso Handwerksbetriebe. Sie kämpfen zudem mit dem sich verschärfenden Fachkräftemangel und Lieferproblemen bei Geräten und Komponenten. Und geben wohl oder übel ihren Druck an die Kundschaft weiter. Auch im Bezirk und im Landkreis Harburg.

„Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat sich die Nachfrage nach Energieberatungen mehr als verdoppelt“, sagt Kai Hünemörder, Leiter des Zentrums für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik (ZEWU). Es ist Teil des Weiterbildungszentrums Elbcampus der Hamburger Handwerkskammer unweit des Harburger Bahnhofs. Dennoch sei es möglich, in Harburg innerhalb von zwei bis drei Wochen einen Beratungstermin zu bekommen. Auch die Energieberatung der Verbraucherzentrale Hamburg vergebe, mit etwas längerem Vorlauf, noch Termine.

Erneuerbare Energien: Unabhängigkeit von Öl und Gas braucht Zeit

Die Kollegen in Niedersachsen, die in Kooperation mit dem Landkreis Harburg Energiechecks in den Haushalten durchführen, vergeben dagegen derzeit keine Termine mehr. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen verweist auf eine kostenfreie Telefonnummer 0800/809 80 24 00 und Videoberatung sowie Online-Vorträge.

„Bei klaren Sanierungsabsichten empfehlen wir einen kostenpflichtigen individuellen Sanierungsfahrplan“, sagt Oliver Waltenrath, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz der Kreisverwaltung in Winsen. Auch Hünemörder empfiehlt, einen Gebäudeenergieberater hinzuzuziehen: „Durch die fachmännische Planung der Maßnahme kann sich die staatliche Förderung erhöhen. Wer zum Beispiel eine Ölheizung gegen eine Wärmepumpe austauscht, kann zusammen mit dem Wechselbonus auf einen Förderbetrag von mehr als 50 Prozent der Kosten kommen.“

Ein Problem bekommt der, der keine Zeit zum Warten hat

Allerdings sind Wärmepumpen derzeit gefragt wie nie und kaum noch zu bekommen. Wer unter Zeitdruck steht, etwa weil die alte Heizung schwächelt oder ein frisch erworbener Altbau bis zum Herbst ein auf erneuerbaren Energie basierendes Heizsystem bekommen soll, hat ein großes Problem. Hünemörder nennt Lieferzeiten von sechs bis neun Monaten.

Generell gebe es bei Schlüsselelementen der Energiewende Lieferprobleme, so Hünemörder. Schlimmstenfalls ergeht es Auftraggebern so wie einem Hamburger Fitnessstudio, das eine solarthermische Anlage (erzeugt Warmwasser und unterstützt die Hausheizung) auf sein Firmendach stellen lassen möchte: „Die Bestellung erfolgte im November, und die Module liegen längst bereit“, so Hünemörder. „Aber die Stahl-Halterung ist nicht mehr lieferbar. Sie hätte in der Ukraine gefertigt werden sollen. Es ist eine Spezialkonstruktion, die sich nicht so einfach nachbauen lässt.“

Wer künftig eigenen Strom aus Sonnenenergie erzeugen und nutzen möchte, hat weniger Probleme, wenn er nicht wählerisch ist. Module und Wechselrichter seien generell auf dem Markt verfügbar, sagt der Chef des ZEWU, zu dem auch das Energiebauzentrum der Handwerkskammer gehört. Aber es gebe Engpässe bei bestimmten Konfigurationen. Doch Investitionen in die Photovoltaiktechnik werden sich in Zukunft wieder besser auszahlen, so Hünemörder, weil der Bund die Einspeisevergütung für privat erzeugten Solarstrom von sechs auf mehr als zehn Cent je Kilowattstunde erhöhen will.

Immerhin ist Hünemörder nichts über Lieferprobleme bei Pelletheizungen bekannt. Doch dann gibt es schon das nächste Problem: Wie finde ich einen Betrieb, der zu einem angemessenen Preis die neue Heiztechnik installiert? Die meisten Handwerksbetriebe kämpfen nicht nur mit Lieferproblemen der Gerätehersteller, sondern viel mehr noch mit dem Fachkräftemangel im Handwerk.

Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs, Unternehmen haben keine Mitarbeiter

Kai Hünemörder, Leiter des Zentrums für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik (ZEWU) mit Sitz in Harburg, berichtet von Lieferproblemen bei Schlüsselelementen der Energiewende.
Kai Hünemörder, Leiter des Zentrums für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik (ZEWU) mit Sitz in Harburg, berichtet von Lieferproblemen bei Schlüsselelementen der Energiewende. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Seit Jahren fehlt der Nachwuchs. Die Situation habe sich aktuell noch zugespitzt, berichtete Andreas Kuttenkeuler – bei der Handwerkskammer für die Bezirke zuständig – kürzlich dem Wirtschaftsausschuss der Harburger Bezirksversammlung: „Viele Betriebe zahlen schon einen Lohnzuschlag oder bezahlen den Führerschein, um Nachwuchs zu gewinnen.“ Im Mai 2022 habe es in Hamburg – über alle Gewerke – 1213 unbesetzte Lehrstellen gegeben. Im Mai 2021 waren es 1039. Kuttenkeuler: „Durch die Pandemie gab es in den Schulen keine Berufsvorbereitung. Wir konnten Schüler nicht in die Betriebe holen, denn wenn einer Corona mitgebracht hätte, wäre der gesamte Betrieb dichtgemacht worden. Wir müssen bei Null anfangen, um die Schüler für duale Ausbildung zu begeistern.“

Aufgrund des Fachkräftemangels würden zum Teil angelernte Arbeiter eingesetzt, um die Gesellenkapazität zu erhöhen, sagt Kai Hünemörder. Die Handwerksbetriebe würden „zerquetscht“ zwischen den von den Kunden gewünschten Fertigstellungsterminen auf der einen Seite und Lieferproblemen der Hersteller sowie fehlenden Arbeitskräften im Betrieb auf der anderen Seite. Vor allem Betriebe, die viele Wartungsaufträge zu erfüllen haben, überlegten es sich zweimal, Aufträge von Neukunden anzunehmen.

Erneuerbare Energien: Wer schnellen Ersatz braucht, "steht mit dem Rücken zur Wand"

„Die Handwerker können sich ihre Kunden aussuchen. Da ist die Position des Eigenheimbesitzers relativ schwach“, so Hünemörder. Sein Kollege Kuttenkeuler berichtete dem Wirtschaftsausschuss, dass einige Betriebe aufgrund der gestiegenen Kraftstoffkosten Kunden nicht mehr anfahren, wenn der Weg weit ist oder keine Parkplätze zur Verfügung stehen.

Hünemörder plädiert dafür, die energetische Sanierung trotzdem nicht auf die lange Bank zu schieben: „Man hat Wartezeiten, aber man kommt irgendwann ans Ziel.“ Sind jedoch kurzfristige Maßnahmen nötig, dann sieht es finster aus: „Wem plötzlich die Heizung kaputtgeht, der steht mit dem Rücken zur Wand.“