Hamburg/Tostedt. Bäckerei Weiß und die „Kehrwieder Kreativbrauerei“ wollen mit ihrem Projekt auch etwas gegen die Lebensmittelverschwendung tun.

Bier und Brot haben eine Menge gemeinsam: Getreide, Wasser und Hefe zum Beispiel. Trotzdem kommen Brauer und Bäcker eher selten zusammen. In Sinstorf ist das jetzt geschehen: Die bekanntesten Kleinbrauer aus dem Hamburger Süden, die „Kehrwieder Kreativbrauerei“, und eine der beliebtesten Familienbäckereien, Weiß aus Todtglüsingen, haben sich zusammengetan und produzieren ein Bier, das mit Brot gebraut wird.

Das Brot im Bier war in den Filialen übriggeblieben

Die „Ährensache“ ist für die Bäckerfamilie Weiß mehr als nur ein Marketingprodukt: Sie möchte damit auch etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun: Das Brot im Bier war zuvor in den Filialen übriggeblieben. Ob diese Weiterverwendung jetzt Recycling oder Upcycling ist, ist eine Frage, die man trefflich über einigen Gläsern des Brotbiers diskutieren könnt.

Wenn das Lieblingsbrot beim bevorzugten Bäcker kurz vor Ladenschluss ausverkauft ist, ist das ärgerlich, aber verhungern muss niemand: Ganz leer werden die Regale nie. Erst nach Feierabend werden sie ausgeräumt. Einige Bäcker verkaufen Vortagesbrot am Folgetag zu reduzierten Preisen, fast alle Bäcker spenden an die Tafeln. Dennoch bleibt am Ende immer noch Brot übrig. Verschwendete Lebensmittel; Rohstoffe und Energie, die man anders hätte einsetzen können; Mühe, die man sich nicht hätte machen müssen; handwerklicher Ehrgeiz für die Tonne.

„Geben Brot eine zweite Chance, vermeiden Abfälle und sparen Rohstoffe“

„Leider ist es Alltag in deutschen Bäckereien, dass es immer wieder Rückläufer gibt, die noch einwandfrei sind, aber nicht mehr verkauft werden können“, sagt Julia Wesseloh, die bei der Kreativbrauerei für das Marketing zuständig ist. „Gemeinsam mit der Bäckerei Weiß geben wir dem Brot eine zweite Chance, vermeiden Abfälle und sparen gleichzeitig Rohstoffe.“

Kehrwieder-Marketingchefin Julia Wesseloh präsentiert den Viererpack
Kehrwieder-Marketingchefin Julia Wesseloh präsentiert den Viererpack "Ährenrunde". © xl | Lars Hansen

„Wir suchen immer nach Möglichkeiten, die Menge an Brot zu reduzieren, die wir wegwerfen müssen“, sagt Weiß-Senior Jochen Weiß. „Letztendlich wäre es natürlich am effektivsten, wenn man Überproduktion vermeidet, aber das lässt sich sehr schwer durchführen.“

Nicht alle Brot-Rückläufer gehen in den Kehrwieder-Kessel

Nicht alle Brot-Rückläufer gehen in den Kehrwieder-Kessel. Für die „Ährensache“ hat Bäckermeister Hendrik Weiß einige Wochen lang die Rückläufer des „Sylter Vollkorn“ in die Tiefkühl-Kammer gelegt und gesammelt. Es ist ein hundertprozentiges Roggenbrot. Der Sud der „Ährensache“ enthält außer dem Brot auch alle anderen Zutaten eines Bieres. Das Roggenvollkornbrot ersetzt lediglich einen Teil der Braugerste, ist aus dem Bier allerdings deutlich herauszuschmecken.

Bier und Brot haben eine lange gemeinsame Geschichte, sagt Brauer Oliver Wesseloh: „Bier soll einmal aus Brot entstanden sein. Es soll alles ein Zufall gewesen sein. Daran beteiligt waren: ein Gefäß, ein Getreidegemisch in Form von Brot oder Brei, Wasser und wilde Hefe. Vielleicht fiel ein Stück Brot in einen Bottich mit Wasser oder wurde bewusst eingeweicht, um einem kranken Menschen das Schlucken zu erleichtern.

Bier und Brot haben eine lange gemeinsame Geschichte

Auf jeden Fall kam das Getreidegemisch mit Wasser in Verbindung und blieb einige Tage stehen. Es war ein gefundenes Fressen für wilde Hefen, die sich über das Gemisch hermachten. Die Spontangärung setzte ein, es bildete sich ein bisschen Schaum und leichter Alkoholgehalt. Aus dem Zufallsprodukt wurde das erste Bier. Vielleicht wird Bier auch deshalb häufig als flüssiges Brot bezeichnet.“

Kastenbrot:
Kastenbrot: "Ährensache" kommt im Viererträger. Man kann aber auch sechs Gebinde auf einmal mit nach Hause nehmen. © xl | Lars Hansen

Die „Ährensache“ ist unfiltriert und daher naturtrüb. Weiß-Bier ist ein Pils mit herber Bitternote, merkbarem Brotgeschmack am Gaumen und einem leichten Brot-Feeling auf der Zunge, am besten ziemlich kühl genossen. Ab dem kommenden Wochenende wird es in den Weiß-Filialen erhältlich sein, ein zweiter Braugang ist in Arbeit. Ob danach auch weitere folgen, steht noch nicht fest.

„Tag des deutschen Bieres“ am 23. April

Brauer Oliver Wesseloh möchte die „Ährensache“ auf alle Fälle zwischen dem „Tag des deutschen Bieres“ am 23. April und dem „Tag des deutschen Brotes“ am 18. Mai im Angebot haben. Auch andere Handwerksbrauer planen für diesen Zeitraum Brotbiere. Damit wollen sie Lobbyarbeit für das Brotrecycling im Bier machen, denn in vielen Bundesländern erhält man dafür nur schwer eine Ausnahmegenehmigung.

Brot zählt als „Malzersatzstoff“ und das ist ein ganz heikles Thema, was die Auslegung des Reinheitsgebots angeht. „Gemeinsam mit unseren Kollegen setzen wir uns daher für eine bundesweit einheitliche Regelung ein, um Raum für kreative und innovative Biere am Puls der Zeit zu schaffen“, so Oliver Wesseloh, „und wir freuen uns, dass wir mit dem Familienunternehmen Weiß einen regionalen Partner gefunden haben, der sich mit uns gemeinsam gegen die Verschwendung von Lebensmitteln einsetzt.“

Bäckerei Weiß hat ihren Ursprung am sand in Harburg

Hendrik Weiß führt die Bäckerei in vierter Generation. Sein Urgroßvater Fritz hatte sie 1908 in Harburg am Sand eröffnet und nach einem Bombentreffer 1944 in Todtglüsingen neu aufgebaut. Nach dem Brotbier könnte bald ein Bierbrot folgen: Die Weiß‘ haben Treber aus der Brauerei mitgenommen. Das sind feste, sehr eiweißhaltige Getreiderückstände, die beim Brauen abfallen. Man kann Treber in Brot verarbeiten. Die Weiß‘ wollen jetzt erst einmal ein wenig damit experimentieren.