Hamburg. Wenn die Hochschule Forscher aus dem Ausland einlädt, holt sie sie am Flughafen ab – damit sie nicht S-Bahn fahren müssen.

Wegen Schienenschadens unterbrochener S-Bahn-Verkehr am Dienstagmorgen. Stehende Züge wegen Schneefalls am Donnerstagmorgen, Abbau der Rolltreppen in der Station Heimfeld: Der Zustand der S-Bahn-Verbindung im Raum Harburg wirkt aus Sicht von Wissenschaft und Wirtschaft allmählich geschäftsschädigend. „Es muss sich endlich etwas tun“, fordert Ralf Grote, Leiter des Präsidialbereichs der Technischen Universität Hamburg (TUHH) in Harburg. Und spricht damit Wirtschaftsvertretern aus dem Herzen.

„Ein moderner, sauberer und zuverlässiger öffentlicher Nahverkehr ist ein entscheidender Standortfaktion für Universitäten“, sagt Grote. „Die TU verkörpert modernste Standards in Forschung und Lehre. Die müssen sich auch in ihrem Umfeld widerspiegeln. Den Anspruch erfüllen die drei Harburger Tunnelstationen überhaupt nicht.“

S-Bahn Hamburg: Harburger Stationen "ein Trauerspiel"

Tatsächlich sind die Haltestellen Harburg, Harburg-Rathaus und Heimfeld seit Jahren Dauerbaustellen mit fehlenden Deckenverkleidungen und wechselnden Absperrungen sowie Funktionseinschränkungen. Eigentlich sollte die Sanierung der Tunnelbahnhöfe Ende 2021 abgeschlossen sein. Doch statt ansprechender Bahnhöfe müssen zumindest diejenigen Fahrgäste, die in Heimfeld aussteigen, seit Mitte März eine weitere Komforteinbuße hinnehmen. Denn die S-Bahn Hamburg baute, wie berichtet, die Rolltreppe ab, die vom Bahnsteig in die Zwischenebene führt.

Die Station Heimfeld sei einer der wichtigsten Anreisewege zur TUHH, sagt Grote. „Mit dem Abbau der funktionsfähigen Rolltreppe fällt die S-Bahn hinter Standards der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Perspektivisch soll es ja besser werden, aber im Moment ist der Zustand schlimm.“ Hinzu kommen Zugausfälle und Verspätungen – „ein Trauerspiel“, urteilt der TUHH-Vertreter.

Nach einem politischen Beschluss von Senat und Bürgerschaft soll die TUHH wachsen. Dazu gehört, dass sie die Zahl ihrer Professoren (aktuell rund 100) weiter ausbaut. Grote: „Wir haben derzeit ein internationales Berufungsprogramm, um die besten Talente für unsere Universität zu gewinnen. Damit die Kandidatinnen und Kandidaten nicht S-Bahn fahren müssen, holen wir sie zum Teil am Flughafen ab.“

Wirtschaftsverein nimmt Verkehrssenator Tjarks in die Pflicht

Franziska Wedemann, Vorsitzende des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden mit 270 Mitgliedsunternehmen, schlägt in dieselbe Kerbe: „Auch Geschäftspartner unserer Unternehmen lässt man nicht mehr mit der S-Bahn anreisen.“ Die Harburger Wirtschaft habe ein starkes Interesse nach einem funktionierenden ÖPNV (Öffentlichen Personennahverkehr), betont die Bäckerei-Chefin. „Nur er macht es Unternehmen im Hamburger Süden möglich, gute Mitarbeiter zu gewinnen.“ Im Übrigen zahle ein attraktiver Nahverkehr auf die Mobilitätswende ein, für die Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsvereins geworben hatte.

Damals sagte Tjarks, mit der Deutschen Bahn sei vereinbart worden, dass der Harburger City-Tunnel nun zügig saniert werde: „Die Stationen Heimfeld, Rathaus und Harburg werden 2022 im Fokus stehen“, kündigte der Senator im November an. „Mir ist sehr wichtig, dass sich die Menschen auf den S-Bahnhöfen aufhalten mögen.“ Zudem nannte er technische Maßnahmen, die ergriffen werden, um mehr Kapazität auf Hamburgs meist befahrenen S-Bahn-Linien S 3 und S 31 zu schaffen. Franziska Wedemann würde den Senator gern beim Wort nehmen und fragt lakonisch: „Er hat uns schöne S-Bahn-Stationen versprochen. Damit kann er doch nicht den Rückbau der Rolltreppe und die Dauerbaustellen gemeint haben?“

S-Bahn-Stationen die "Tore zu Harburg" – aber derzeit "nicht vorzeigbar"

Antonia Marmon, Geschäftsführerin vom neu gegründeten Verein Harburg Marketing, ist gerade dabei, Anjes Tjarks nach Harburg einzuladen: „Ich möchte ihm die drei Stationen zeigen, damit er sich selbst ein Bild machen kann“, sagt die City-Managerin. „Wir tun hier alles, um Harburg schön und bunt darzustellen. Die S-Bahnstationen sind die Tore zu Harburg; hier kommen alle Leute an, die sich für Harburg interessieren. Alle drei Bahnhöfe sind nicht vorzeigbar.“ Das Harburger Theater denke, so Marmon, ebenfalls darüber nach, seinen Besuchern andere Anreisemöglichkeiten als die S-Bahn zu empfehlen.

„Wir wissen: Harburg wirkt wie eine never ending story! Aber hier fanden bereits technische Modernisierungs- und Brandschutzarbeiten statt“, ist im S-Bahn-Kundenmagazin Ende Januar nachzulesen. „Und es geht weiter: An der kompletten Station werden aktuell die Decken erneuert. Zudem werden die Stützen am Bahnsteig verkleidet. Die Hintergleiswände erstrahlen dann im Herbst im neuen Glanz.“ An der Station Harburg-Rathaus sei die Wandverkleidung an Gleis 3 „so gut wie fertig“. Auch hier werden nun die Stützen verkleidet. „Und im Sommer dieses Jahres erhalten die Hintergleiswände ein modernes Design. Last but not least: Heimfeld. Hier geht es 2023 richtig los“, kündigt das S-Bahn-Marketing an.