Harburg. Bis zu 35 Prozent weniger Pkw: Verkehrssenator beschreibt Herausforderungen der Zukunft. Erstaunlich wenig kritische Nachfragen.

Sanierungsbedürftige Autobahn- und Fernbahnbrücken über Norder- und Süderelbe, die Ertüchtigung der S-Bahn-Verbindung zwischen Harburg und Hamburg, der Umbau des ZOB und des benachbarten Verkehrsknotens sowie durchgehende Radwege sind die verkehrlichen Herausforderungen der kommenden Jahre im Raum Harburg. Das sagte Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Dienstagabend auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsvereins im Privathotel Lindtner.

Hamburg sei, wie alle größeren Städte der westlichen Welt, damit konfrontiert, eine stetig wachsende Verkehrsleistung auf einer kaum zu vergrößernden Verkehrsfläche zu organisieren. Das funktioniere nur mit einer Verkehrswende, bei der die Pkw-Fahrleistung um 30 bis 35 Prozent abnehmen müsse. Gelder für Baumaßnahmen an der Infrastruktur seien durch den Sanierungsstau bei Straße und Schiene (vor allem Brückenbauwerke) für Jahre gebunden.

Geplanter Umbau des Verkehrsknotens am Bahnhof ist herausfordernd

Deutschlands zweitlängste Brücke, die gut 4,2 Kilometer Hochstraße Elbmarsch der A7 südlich des Elbtunnels, wird bereits saniert. Die Bauarbeiten werden auch im kommenden Jahr den Verkehr behindern. „Wenn wir das jetzt nicht machen, müssen wir die A7 in fünf Jahren sperren“, betonnte der Behördenchef. Auch die beiden A1-Brücken über die Süder- und Nordelbe müssen bis 2025 saniert werden, kündigte Tjarks an. Innerhalb Harburgs sei der geplante Umbau des Doppelknotens am Bahnhof die größte Herausforderung. Er werde erst in Angriff genommen, wenn die Bauarbeiten an der Neuländer Straße abgeschlossen und die Fahrstreifen vom Veritaskai wieder frei seien (voraussichtlich Ende März 2022).

Mittel- bis langfristig erhofft sich der Senator, dass die geplante A26-Ost, die Moorburg (A7) und Stillhorn (A1) verbindet, die B73 erheblich entlasten wird. Nach einer Untersuchung werde sich 70 Prozent des Lkw-Verkehrs und 50 Prozent der Pkw auf die nach heutiger Planung 2031 fertig gestellte Hafenautobahn verlagern. Dann könne man aus der heute hochbelasteten Buxtehuder Straße „mal etwas Schönes machen“, so der Grünen-Politiker.

Schönheitskur für S-Bahn-Stationen im Harburger City-Tunnel

Etwas Schönes soll sehr viel schneller (in drei Jahren) am Harburger Bahnhof entstehen: Der großzügig erweiterte ZOB sei ein Beitrag, um den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver zu machen, so der Senator. Mit der Deutschen Bahn sei zudem vereinbart, dass, wenn die Arbeiten an den Stationen des Hamburger City-Tunnels abgeschlossen sind, der Harburger City-Tunnel an der Reihe sei: „Die Stationen Heimfeld, Rathaus und Harburg werden 2022 im Fokus stehen. Mir ist sehr wichtig, dass sich die Menschen auf den S-Bahnhöfen aufhalten mögen.“

Der Schlüssel zur Stärkung des ÖPNV sei aber, mehr Kapazität auf Hamburgs meist befahrenen S-Bahn-Linien S3/S31 zu schaffen. Die Trasse müsse eingezäunt, die Stellwerke modernisiert werden. Mittelfristig seien neue Weichen, Signale und Gleichrichterwerke nötig, damit mehr Langzüge eingesetzt, der Takt verdichtet und die neue Linie S32 eingeführt werden könne. Tjarks: „Vor jeder Spielerei mit S-Bahn-Ring nach Altona oder die Verlängerung der U4 muss die bestehende Trasse funktionstüchtig werden.“ Eine U4, die die Wilhelmsburger Wohngebiete erschließt, sei für Harburger unattraktiv, weil die Fahrzeit von und nach Hamburg deutlich länger wäre als die der S-Bahn.

Radfahrer brauchen getrennte, durchgängige Wege

Als weiterer Pfeiler der Verkehrswende müsse das Fahrradfahren attraktiver werden. „Ich möchte die Verkehre Fuß – Rad – Auto trennen. Die Menschen haben ein Anrecht darauf, auf einem durchgängigen Weg ohne Gefahr Fahrrad fahren zu können“, sagte Tjarks.

Die abschließende Diskussionsrunde mit dem Senator verlief sehr freundlich. Keine Fragen zu der oft als unerträglich empfundenen Stausituation im Süderelbraum oder zur offenbar mangenden Koordination von Straßenbaustellen. „Gemessen an dem, was uns erreicht hat, hätte ich mehr kritische Fragen erwartet“, sagte Franziska Wedemann, Vorsitzende des Wirtschaftsvereins, am Schluss der Veranstaltung.