Ehestorf. Vier Meter großes Loch: Straße sackte plötzlich ab. Bergwerksforscher vermutet noch zahlreiche unentdeckte Hohlräume.
Der „Tagesbruch“ in der Straße Emmetal in Ehestorf war nicht etwa die zweite Versackung über dem ehemaligen Bergwerk Robertshall in den Harburger Bergen, nach dem spektakulären Bruch bei den Bauarbeiten für den Ehestorfer Heuweg, sondern mindestens die dritte oder vierte, sagt Axel Krones, Ortsbürgermeister von Ehestorf/Alvesen. Und der Bergbauhistoriker Rolf Weiß befürchtet, dass es auch nicht der letzte sein wird. Er hat bereits 2019 eine Gefahrenstellenkarte erstellt.
„Ich bin kein Prophet“, sagt er, „aber alle Einstürze, die es gab, geschahen an Punkten, die ich markiert hatte. Das Bergwerk ist weitaus größer, als auf den alten Plänen verzeichnet, so viel wissen wir bereits. Wir wissen aber noch nicht, wie groß es wirklich war und wie viele unentdeckte, unverzeichnete Stollen es noch gibt. Da warten noch Überraschungen auf uns.“
Zwei nicht verzeichnete Stollen westlich des Ehestorfer Heuwegs?
Weiß gewinnt seine Erkenntnisse mit einem kleinen Bodenradargerät, das bis in 50 Meter Tiefe brauchbare Ergebnisse liefert, und aus Überlieferungen. „Einige der Bergleute, die damals für Robertshall angeheuert wurden, sind bei Schließung des Bergwerks hiergeblieben und haben ihren Kindern und Enkeln von dem Bergwerk erzählt“, sagt Weiß. „Einige von den Enkeln leben noch und ich konnte sie befragen. So habe ich unter anderem zwei nicht verzeichnete Stollen westlich des Ehestorfer Heuwegs lokalisieren und mit dem Bodenradar bestätigen können.“
Es gibt noch weitere Hinweise: „Zum Beispiel gibt es südwestlich der Straße ein Haus, das Versackungsrisse aufweist, obwohl es über keinem bekannten Stollen steht. Allerdings steht es genau in der Verlängerung einer bekannten Strecke. Die ist wohl länger, als verzeichnet“, sagt Weiß, „und als man 1945 plante, das Bergwerk wieder in Betrieb zu nehmen, hat man an der Straße Uhlenbusch bei einer Erkundungsbohrung Bauholz gefunden – in 45 Metern Tiefe. Dort muss also auch ein Stollen sein.“
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Auf alle Fälle liegt an der Stelle, so viel weiß man heute, das größte Braunkohleflöz der Harburger Berge: 20 Meter mächtig mit ungefähr 400.000 Tonnen Kohle. Haben die Robertshall-Kumpel deshalb unter Tage in diese Richtung erkundet? Und wenn ja: Warum haben sie diese Strecken nicht verzeichnet? Man weiß es nicht. Rolf Weiß vermutet, dass es keine Nachlässigkeit war, die Schächte nicht zu dokumentieren, sondern Absicht. Über das Motiv rätselt er allerdings auch.
Außerhalb des vermuteten Gebietes gibt es unbekannte Schächte
Lange Zeit ging man davon aus, dass Kohleabbau nur unter dem Berg östlich des Ehestorfer Heuwegs stattgefunden hat und unter der Straße lediglich die Zugangsschächte zu den Abbaustrecken verliefen. Mittlerweile ist klar, dass es auch außerhalb des vermuteten Gebietes unbekannte Schächte gibt – die meisten auf der niedersächsischen Seite der Landesgrenze. Bürgermeister Axel Krones fordert deshalb eine eingehende Untersuchung des Bodens in seiner Gemeinde. „Wir müssen hier Klarheit haben, um uns vor solchen unliebsamen Überraschungen zu schützen.“
Nach dem Tagesbruch, der 2019 die Baustelle Ehestorfer Heuweg lahmlegte, wurde ein Ingenieurbüro mit Bodenuntersuchungen und Sanierungen auf der niedersächsischen Seite beauftragt. Der Bruch von Dienstag ereignete sich über einem Schacht, den die Firma eigentlich saniert glaubte. Die Bohrung galt lediglich der Kontrolle des Füllzements. Aber erstens hatte der Zement gar nicht abgebunden und zweitens stürzte die Straße ein – zwölf Meter über dem „sanierten“ Schacht, der auf Weiß‘ Karte übrigens die Gefahrenstellennummer 8 hat. Weiß erklärt das so: Wenn unter der Erde ein Schacht einstürzt, fällt nicht das ganze darüber befindliche Erdreich auf einmal hinein. Es rieselt und bröckelt immer stückweise, so dass sich der Hohlraum wie eine sehr langsame Luftblase nach oben verlagert, nur nicht immer gerade und in einem Stück.
Kritik: Methode der Sanierungsfirma sei nicht zielführend
Die Methode der Sanierungsfirma, mit Sondierungsbohrungen nach den Hohlräumen zu suchen, hält Weiß deshalb nicht für zielführend. „Mit dem Stochern liegt man oft daneben“, sagt er. „Und mein Bodenradar war zwar teuer genug, ist in den Augen echter Geowissenschaftler aber nur ein billiges Spielzeug, mit dem man sehr lange bräuchte, um das ganze Gelände zu untersuchen. Was man hier braucht, ist eine Bodensonografie, die ein dreidimensionales Bild der Situation unter der Erde erstellen kann. Das Verfahren ist teuer, aber für Sondierungsbohrungen sind mittlerweile auch Millionen ausgegeben worden.“