Harburg. Mehr Fahrzeuge, weniger Platz: Parkenden Autos werden zunehmend zum Problemfaktor im Bezirk. Wie sich die Anwohner wehren.

Die Poller, die den Anwohnern der Zimmermannstraße in Harburg seit Herbst das Parken auf der einen Straßenseite verwehren, bleiben Gesprächsstoff. 30 Parkplätze sind dadurch weggefallen, in einem Quartier, in dem es ohnehin mehr Autos, als Parkraum gibt.

Die Anwohner sind auf Zinne und organisieren kreativen Protest, so auch am Sonntag, als sie im Vorgriff auf den Valentinstag die „geliebten“ Absperr-Eisen romantisch und natürlich ironisch gemeint mit Blumen schmückten.

Überall im Bezirk Harburg gibt's Neuverteilung des Straßenraums

Die Anwohner der Zimmermannstraße sind nicht allein. Überall im Bezirk Harburg wird derzeit an der Neuverteilung des Straßenraums gearbeitet. Der bisherige Platzhirsch, das Auto, muss zurückstecken. Dabei zeigt sich ein erkennbares Muster: Nicht überall müssen die Autofahrer gleichermaßen Platz machen. Hauptsächlich trifft es die dicht besiedelten Quartiere. Das liegt zum Teil daran, dass bei höherer Wohndichte auch die Fahrzeugdichte steigt und die Probleme hier stärker sind. Es liegt aber auch daran, dass die Entscheidungsträger größtenteils nicht in diesen Quartieren leben und die Konsequenzen selbst nicht zu tragen haben. Die Akzeptanz für Parkverbote scheint zu steigen, je weiter weg sie sind.

Grünen-Politiker Michael Sander hatte einen schweren Stand in der Diskussion mit den Anwohnern. Auch ein Kamera-Team war vor Ort.
Grünen-Politiker Michael Sander hatte einen schweren Stand in der Diskussion mit den Anwohnern. Auch ein Kamera-Team war vor Ort. © Lars Hansen

Das zeigte sich auch am Sonntag in der Zimmermannstraße: Zu dem als kleine Aktion geplanten Anwohnerprotest waren nicht nur etwa drei Dutzend tatsächliche Anwohner gekommen, sondern auch Bezirkspolitiker von vier Parteien und ein Fernsehteam. Das fand unter den Anwesenden drei, die es begrüßten, dass die Gehweg-Parkplätze nun Geschichte sind. Eine Befragte berichtete, dass sie zuvor Angst gehabt hätte, ein Auto zu beschädigen, wenn sie ihren Bollerwagen über den engen Gehweg zog. Ein anderer sagte, es sei fast unmöglich gewesen, auf dem Gehweg Fahrrad zu fahren. Die Befürworter der Poller wohnen allerdings nicht in der Zimmermannstraße sondern in einer Parallelstraße.

Der Grünen-Bezirksabgeordnete Michael Sander, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, hatte einen schweren Stand bei den Anwohnern. Er musste eine Entscheidung vertreten, die er gar nicht getroffen hatte: Die Poller wurden von der Polizei angeordnet. „Ich hätte mir gewünscht, hier eine Diskussion zu beginnen und eine Lösung zu finden, die für alle verträglich ist“, kritisierte er. „Deshalb bin ich über die Art und Weise, wie die Polizei das hier angeordnet hat, sehr unglücklich. Trotzdem kann eine einvernehmliche Lösung nicht heißen, dass alle Parkplätze erhalten bleiben. Es gibt einfach zu viele Autos und es müssen weniger werde.“

Sander schlug Carsharing und eine stärkere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vor. Die Anwohner wollten davon nichts wissen: „Ich brauche zu meiner Arbeitsstelle über eine Stunde mit Bus und Bahn und nur 20 Minuten mit dem Auto“, sagt eine Anwohnerin. „Ich habe auch keinen Arbeitsplatz mit flexiblen Zeiten, so dass die Bahn ruhig mal zu spät kommen kann.“

Frank Wiesner warnte als Verkehrsexperte der SPD-Bezirksfraktion in Harburg davor, bei einer Lösung für die Zimmermannstraße zu kleinräumig zu denken. „Es muss eine Lösung für das ganze Quartier her“, sagt er. „Denn im Moment sehen wir am Reeseberg, dass sich der Parkdruck durch die Poller nur verlagert.“

Polizei genehmigte neue Parkplätze an Denickestraße nicht

Dass die Anwohner der Zimmermannstraße nicht allein sind, zeigen zahlreiche Beispiele im Bezirk. Wie etwa die Denickestraße: Kurz nachdem die Mieter in die neuen SAGA-Häuser zwischen Thörlweg und Gazertstraße eingezogen waren, begann der Bezirk, die Denickestraße zur Fahrradstraße umzubauen. Parkplätze, so lautete das Versprechen, sollten nicht wegfallen, höchstens anders angeordnet werden. Es kam anders, weil die Polizei die fast fertigen neuen Parkplätze nicht genehmigte. Und auch an der Denickestraße wurden Gehwegflächen abgepollert, beispielsweise vor der Eckkneipe „Knobel-Eck“. Deren Wirtin weiß nun nicht mehr, wie sie ihre Ware in ihr Lokal bekommen soll.

Eine neue Fahrradstraße will die Rot-Grüne Koalition am Dienstag in der Bezirksversammlung beschließen: Sie soll von Fischbek nach Hausbruch südlich parallel zur Cuxhavener Straße verlaufen. Am Scheideholzweg, vor allem aber an der Hochhaussiedlung Petershof werden die parkenden Autos dabei als Problemfaktoren benannt. Zwar solle auch über eine verträgliche Lösung nachgedacht werden, heißt es in dem Antrag, Vorrang hätte aber eine schnell zu verwirklichende Variante.

In Wilstorf soll der Reeseberg neugestaltet werden. Auch hier werden die Parkstände neu geordnet und einige fallen weg. Allerdings gibt es schon jetzt in dem Wohnquartier zu viele Fahrzeuge für zu wenig Parkplätze. Autofahrer nutzen hier jede noch so kreative Parkmöglichkeit. Eine Neuordnung mit weniger Plätzen wird die Situation verschärfen.

Ebenfalls in Wilstorf soll es dem inoffiziellen Quartiersparkplatz des östlichen Phoenixviertels an den Kragen gehen. In der kleinen Stichstraße, die von der Rote-Kreuz-Straße abgeht, gibt es derzeit noch 68 Stellplätze. Diese nutzen Anwohnern der Hohen Straße, der Maretstraße und der Baererstraße derzeit. Doch damit soll bald Schluss sein. Auf der Fläche wird ein Gebäude mit bis zu 80 Wohnungen entstehen. Eine Tiefgarage ist vorgesehen – mit 39 Plätzen.