Harburg. Die drei bislang unbekannten Namen sind heraus. Interessenten stammen unter anderem aus Billstedt und Wilhelmsburg.

Die fünf Bewerber im Interessenbekundungsverfahren für die Trägerschaft des „Bürger:innenhaus Harburg“, bislang als „Kulturzentrum Rieckhof“ sind bekannt. Dem Hamburger Abendblatt liegen alle Bewerbungen vor.

Neben den beiden, die sich bereits im Vorwege öffentlich erklärt haben – die Elbe-Werkstätten und die Kulturgenossenschaft Dreifalt – sind dies der Kulturpalast Billstedt, das Bürgerhaus Wilhelmsburg, sowie der Verein „i-Netzwerk“.

Drei Migranten-Organisationen haben sich zusammengetan

„i-Netzwerk“ ist ein Zusammenschluss dreier Migrantenorganisationen: „Hamburger Verein der Deutschen aus Russland“, „Deutsch-arabisches Flüchtlings- und Integrationszentrum“ sowie „Intercultural Migrant Integration Center“. Die Vorsitzende des Russlanddeutschenvereins, Oxana Li, ist zugleich auch Mitglied des Harburger Integrationsrats. Der Integrationsrat hat auch einen Sitz in der Auswahljury.

Dem i-Netzwerk schwebt ein kulturen- und generationenübergreifendes Angebot vor, mit gemeinsamen Koch- Events; dem Begehen der Feier- und Gedenktage verschiedener Einwanderergruppen und Dialogveranstaltungen. Neben dem Übergreifenden soll es auch Angebote für spezielle Zielgruppen geben: Kinder, Jugendliche, Frauen und Senioren. Die derzeit bereits bestehende Zusammenarbeit des Zentrums mit den Elbe-Werkstätten in Gastronomie und Gebäudemanagement will das i-Netzwerk beibehalten.

Integrationsrat möchte trotz eigener Beteiligung in Jury bleiben

Der Integrationsrat möchte trotz der Beteiligung eines seiner Mitglieder im Bewerberkonsortium „i-netzwerk“, weiterhin in der Auswahljury mitarbeiten. „Bis zum Durchsehen der Unterlagen war uns gar nicht bekannt, dass jemand aus unserem Gremium an einer Bewerbung beteiligt ist“, sagt Claus Niemann, Pressesprecher des Integrationsrats. „Wir haben uns dann beim Bezirksamt rückversichert, ob unsere Jury-Beteiligung noch in Ordnung ist. Dort hatte man keine Bedenken. Und wir werden uns auch nicht davon beeinflussen lassen, dass Frau Li sich bewirbt.“

Der „Kulturpalast Billstedt“ ist bereits seit den 1980er-Jahren im Hamburger Osten in der offenen Kinder- und Jugendarbeit aktiv und wird seit 12 Jahren von einer Stiftung getragen. Bekannte Projekte des Kulturpalastes sind der Musikclub „Bambi Galore“, die „HipHop Academy“ und das Kinder-Klassik-Projekt „Klangstrolche“.

Kulturpalast gilt als Wunschkandidat des Bezirksamtes

Der Kulturpalast gehört zu den zwei Institutionen, von denen es im Herbst bereits hieß, sie seien Wunschkandidaten des Bezirksamtes und direkt zu einer Bewerbung aufgefordert worden. Der Kulturpalast wollte das seinerzeit nicht bestätigen. Generelles Ziel des vom Kulturpalast eingereichten Konzepts ist es, „Talente, Nachwuchs und Potenziale aus Harburg und Umgebung sichtbar zu machen und diese möglichst strukturiert und nachhaltig zu fördern“ heißt es im Konzeptentwurf. Die erfolgreichen Veranstaltungen des Rieckhof sollen übernommen und durch weitere ergänzt werden.

Dem Kulturpalast schweben zusätzlich weitere Genres, wie Soul, Jazz, Hip-Hop oder Singer/Songwriter vor, um das Interesse auszuloten. Auch Klassik soll sowohl für jüngere als auch für ältere Hörer ausprobiert werden. Der Kulturpalast kündigt eine Zusammenarbeit mit örtlichen Chören und Vereinen an und möchte zusammen mit dem „Kulturwohnzimmer“ Kreativkurse anbieten.

Wilhelmsburger wollen Programm mit in Harburgern entwickeln

Der letzte „neue“ Kandidat ist quasi ein Nachbar: Das Bürgerhaus Wilhelmsburg – nahezu zeitgleich mit dem Rieckhof entstanden, würde beide Bürgerhäuser in einer Institution zusammenfassen wollen.

Die Wilhelmsburger wollen in Harburg „das Programm und seine Angebote mit den Menschen, die es ansprechen will, gemeinsam entwickeln und gestalten – in einem konsequent ko-kreativen Prozess“, steht in ihrem Bewerbungsschreiben. In einer „Aktivierungsphase“ wollen sie verschiedene Kunst- Musik und andere Kulturformate im Haus und im Stadtteil anbieten und darüber mit den Menschen diskutieren und Anregungen sammeln.

Etablierte und erfolgreiche Formate aus dem bestehenden Workshop-, Theater- sowie Konzertprogramm des Rieckhof sollen werden analysiert und Schritt für Schritt an die neue Situation des Hauses angepasst werden. Außerdem schweben den Wilhelmsburgern Veranstaltungen vor, die anderswo schon erfolgreich waren, wie etwa kurze Pop-Pup-Konzerte unter dem Motto 48 Minuten Harburg oder ein ganzes Kulturwochenende „48 Stunden Harburg“.

Bereits bekannt war, dass die Kulturgenossenschaft „Dreifalt“ sich bewirbt. Die Genossenschaft entstand aus der Initiative, die 2018 die leerstehende Dreifaltigkeitskirche in Harburg mit vielfältigen Kulturformaten bespielte. Ein institutionelles Mitglied der Genossenschaft ist die Harburger Kunstleihe, in der wiederum der Linken-Bezirksabgeordnete Heiko Langanke engagiert ist. Der ist gleichzeitig auch Jury-Mitglied, beteuert aber, mit der Bewerbung nichts zu tun zu haben.

„Es muss ein authentischer Ort geschaffen werden, der die Nutzer vielfältig, emotional anspricht und Möglichkeiten zur Identifikation bietet“, schreiben die Genossen in ihrem Konzept. Tanzabende, Konzerte, Theater und Lesungen sollen den Saal füllen, Workshops, Gymnastik und Bildungsangebote die Gruppenräume.

Erster bekannter Bewerber waren die Elbe-Werkstätten

Der allererste bekannte Bewerber waren die Elbe-Werkstätten, Hamburgs größter Beschäftigungsträger für Arbeitnehmer mit Behinderungen. Das Betriebskonzept der Werkstätten „setzt in seiner Struktur auf eine Mischung aus Bewährtem und Neuem sowie aus nicht-kommerziellen und kommerziellen Angeboten.

Es gibt Veranstaltungen, die sich an spezielle Zielgruppen richten und solche, die übergreifend integrativ sind“, heißt es im 20-seitigen Bewerbungsschreiben. Ferienprogramme, mehr Beschäftigung mit neuen Medien, interkulturelle und inklusive Veranstaltungen sollen das bestehende Programm ergänzen. Die Zeiten dafür gewänne man, indem man die Schließzeiten des Hauses gegenüber der jetzigen Agenda reduziert.

Auswahl-Jury soll Bezirksamt Harburg Empfehlung geben

Der Auswahl-Jury gehören je drei Bezirkspolitiker der SPD und der Grünen, zwei der CDU und je einer von Linken, FDP und AfD an, drei Bezirksbeamte sowie Vertreter von Integrationsrat, Bezirksseniorenbeirat, Kreisschülerrat, der Asta der TUHH sowie die beiden Netzwerke Jugendforum Harburg und Süderelbe.

Stimmberechtigt sind nur die Politiker und die Beamten. Letztendlich wird die Entscheidung der Jury aber nur eine Empfehlung an das Bezirksamt sein.

In einer früheren Online-Version des Artikels stand, dass Oxana Li Vorsitzende des Integrationsrats sei. Das war ein Irrtum. Sie ist einfaches Mitglied des Gremiums. Ebenso schrieben wir, der Integrationsrat habe an der letzten Jurysitzung nicht teilgenommen. Auch das ist nicht richtig: Zwar meldete sich der Vertreter des Integrationsrats nicht zu Wort, nahm aber trotzdem an der Videokonferenz teil.