Neuenfelde. „SASS-Kids“ an der Arp-Schnitger-Stieg sind die einzige Grundschul-Band ihrer Art im Hamburger Süden. Was sie besonders macht.

Der Weg in den Pop-Himmel ist steil: Zwei Stockwerke hoch muss man in der Hamburger Schule Arp-Schnitger-Stieg (SASS) in Harburg-Neuenfelde steigen, um dorthin zu gelangen. Zwei stille Stockwerke – denn es ist nachmittags und in den Klassenräumen gibt es keinen Unterricht mehr. Im Dachgeschoss jedoch hört man schon im Flur leise Musik. Wenn man die richtige Tür öffnet, wird sie lauter.

„Herzlich willkommeeeeen!“ begrüßt die dreistimmige Sänger-Front der „SASS-Kids“ den Besucher. Dahinter gruppieren sich Kinder an E-Gitarre, Bass, gleich vier Keyboards und einem Schlagzeug. „Herzlich willkommeeeeen, bei der einzigen Grundschul-Pop-Band im Hamburger Süden.

Gemeinsames Proben ist aufgrund von Corona schwierig

An der Seite sitzt Musiklehrer Norbert Uniyal-Neugebauer hinter dem Klavier. Er spielt die Melodie und gibt damit Takt und Tempo vor. Die Parts der Schüler sind wesentlich einfacher gestrickt und dennoch: Zusammen ergeben alle einen satten Sound – auch deshalb, weil sie tatsächlich zusammen und auf den Punkt spielen. Das macht das regelmäßige gemeinsame Proben – obwohl dies in den vergangenen Schuljahren aufgrund von Corona etwas gelitten hat.

Die Kinder sind in der vierten Klasse. Sie haben in der dritten Klasse angefangen. Die Band ist ein Nachmittags-Neigungskursus: Jeden Montag wird geübt und geprobt. „Die Kinder kommen aus den JeKI-Gruppen“, sagt Uniyal-Neugebauer. „Sie haben in der zweiten Klasse angefangen, ein Instrument zu lernen. Für sie ist die Band die erste Praktische Anwendung des Gelernten.“

JeKI, ein Hamburger Förderprogramm für Musikunterricht, steht für „Jedem Kind ein Instrument“. An teilnehmenden Schulen wird damit jedem Kind Gelegenheit gegeben, ein Musikinstrument zu lernen. „In der zweiten Klasse geht das los“, berichtet Uniyal-Neugebauer. „Die Kinder lernen zunächst viele Instrumente kennen und können sich ausprobieren. Dann wählen sie aus, welches sie lernen möchten. Dabei können wir nicht immer den Erstwunsch erfüllen, weil für jedes Instrument eine Lerngruppe zusammenkommen muss, aber die Kinder haben drei Wünsche. Einen davon können wir immer erfüllen.“

Ab der zweiten Klasse haben Kinder Instrumentenunterricht

Ab der zweiten Klasse und während der dritten und vierten haben die JeKI-Kinder einmal pro Woche Instrumentenunterricht. Die Band kommt an einem anderen Nachmittag noch dazu. „Aber es macht uns ja Spaß“, sagt Keyboarderin Annalena. „Und es ist toll, wie wir so zusammenklingen.“ Noten gibt es übrigens nicht, weder für die Musizierenden, denn es ist ja ein Neigungskurs, noch für die Musik.

Damit er mit den Kindern gleich ins Musizieren kommt und nicht lange Notentheorie erklären muss, hat Norbert Uniyal-Neugebauer die Stücke anschaulich aufgeschrieben. Für die Keyboards sind auf einer gedruckten Klaviatur die Tasten farbig markiert, die gespielt werden sollen, bei Gitarre und Bass in einem entsprechenden Schema Bund und Saite und Schlagzeuger Milen hat ein Blatt, auf dem markiert ist, wann welche Trommel zu schlagen ist.

Kindgerechte Lieder hat der Lehrer selbst geschrieben

Milen kam – für die Band ein Glücksfall – schon mit Schlagzeug-Vorbildung an die Schule in Neuenfelde. Er sitzt am elektronischen Schlagzeug. Das kann man sehr leise und trotzdem dynamisch spielen – kinderohrenfreundlich. Denn wäre ein „echtes“ Schlagzeug im Spiel, müssten auch alle anderen sehr laut spielen, um sich durchzusetzen. So ist die Lautstärke sehr angenehm.

Die Lieder hat der Lehrer selbst geschrieben. Sie handeln von Schulhofpsychologie oder Umweltfragen, Freude und Leid in kinderverständlichen Sätzen. Acht Stücke haben die SASS-Kids zusammen einstudiert – und auch im Neuenfelder Kulturzentrum „Hus bi de Kark“ aufgenommen – einige weitere folgen noch. Das ist beachtlich, vor allem weil die Kinder, kaum, dass sie sich gefunden hatten, erneut in den Distanzunterricht mussten. „In der Zeit konnte ich nur an die Musiker appellieren, auf dem Stand weiter zu üben, den sie zuletzt hatten, um das Niveau zu halten“, sagt Norbert Uniyal-Neugebauer. „Das hat bei allen geklappt.“

Band spielte Abschiedskonzert für alte Schulleiterin

So konnten die SASS-Kids noch ihrer alten Schulleiterin Bettine Knopper ein Abschiedskonzert geben, als die sich im Sommer in den Ruhestand begab. Sie war ebenso berührt, wie ihr Nachfolger Fikri Tekin im Herbst beeindruckt war, als er die Band zum ersten Mal hören durfte. Die SASS-Kids hoffen, bis zum Schuljahresende noch einige Konzerte geben zu können. Anfragen aus der näheren Umgebung gibt es bereits. Alles hängt von der Pandemieentwicklung ab. „Außerdem möchte ich gerne, aber auch das ist ja von der Lage abhängig, dass diese Viertklässler noch die nächste Generation SASS-Kids einarbeitet, die jetzt in der zweiten Klasse ist“, sagt Norbert Uniyal-Neugebauer.

Die Instrumente der Grundschüler und die Technik des Bandraums sind mit Spenden finanziert worden, unter anderem hat ein Hamburger Radiosender einen Großteil beigesteuert. Das erste Lied der SASS-Kids war dann auch „Wir sagen danke!“ Sie singen es heute noch – mit einem abgewandelten Refrain: „Herzlich willkommeeeeen!“

Über das Förderprogramm „Jedem Kind ein Instrument“:

  • Das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ ist eine Kooperation der Hamburger Hochschule für Musik und Theater mit derzeit 61 Grundschulen in der Stadt Hamburg.
  • Das Besondere am JeKI-Konzept ist der Tandemunterricht, bei dem eine Instrumentallehrkraft in die Musikstunde der Klasse kommt und zusammen mit der schulischen Lehrkraft die Kinder von Klasse 1 bis 4 begleitet. Zudem können Kinder ab Klasse 3 Instrumentalunterricht wählen.
  • JeKI konzentriert sich dabei auf die „klassischen“ Instrumente. Für Schulbands müssen JeKI-Kinder diese Kenntnisse noch auf andere übertragen, beispielsweise von Konzertgitarre auf E-Gitarre oder von Klavier auf Keyboard.