Hamburg. Gymnasium oder Stadtteilschule? Kommende Woche startet die Anmelderunde für Hamburgs Viertklässler. Experten geben Tipps.
Für 16.728 Viertklässler wird es in diesen Tagen spannend, denn es geht um die Wahl der weiterführenden Schule. Das sind rund 400 Schülerinnen und Schüler mehr als im Vorjahr. Vom 31. Januar bis zum 4. Februar können die Eltern ihre Kinder an Gymnasien und Stadtteilschulen anmelden. Doch worauf sollten Eltern bei der Wahl der richtigen Schule achten?
„Der Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule ist wie eine zweite Einschulung. Das ist ein Keulenschlag“, sagt Tobias Langer, Leiter an der Elisabeth-Lange-Stadtteilschule in Eißendorf. Stadtteilschule oder Gymnasium? – Das ist eine wichtige Frage. In Hamburg gibt es 58 staatliche Stadtteilschulen und 61 staatliche Gymnasien. Dazu kommen private Stadtteilschulen und Gymnasien.
Schule in Hamburg: Wer am Gymnasium besser aufgehoben ist
Generell empfiehlt Tobias Langer Eltern von Viertklässlern, die Empfehlungen der Klassenlehrer in der Grundschule ernst zu nehmen. „Sie kennen die Schüler und Schülerinnen und können einschätzen, ob das Kind an der Stadtteilschule oder am Gymnasium besser aufgehoben ist.“ Folgende Aspekte sollten Eltern vor der Wahl der Schulform berücksichtigen: „Macht mein Kind nur das Nötigste, kann es sich schwer selber motivieren? Das spricht eher für die Stadtteilschule. Kann es selbstständig lernen? Dann ist es auch am Gymnasium gut aufgehoben“, so Langer.
Wer auf ein Gymnasium gehen möchte, sollte sich außerdem selbst organisieren und motivieren können, Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen zeigen sowie mit Misserfolgen umgehen können und sich davon nicht entmutigen lassen. onzentrationsfähigkeit, schnelle Auffassungsgabe und die Fähigkeit, Probleme zu lösen, sind ebenfalls gefragt. „Schafft es mein Kind, sich auch in Phasen der Unlust selbst zu motivieren? Darauf kommt es am Gymnasium an“, so Langer. „Am Gymnasium ist das Lerntempo höher, die Schüler müssen sich viel mehr selbst erschließen.“
An der Stadtteilschule ist das Lernen emotionaler
An der Stadtteilschule sei das Lernen emotionaler, die Bindung zwischen Schüler und Lehrer enger, ähnlich wie an der Grundschule. Die Note 2- an der Grundschule sei auch eine 2- an der Stadtteilschule. An Gymnasien gelte dagegen ein höheres Anforderungsniveau: Eine 2- an der Grundschule entspreche dort in der 5. Klasse eher einer 3- bis 4. Die Zensuren sind an der Stadtteilschule ab Klasse 7 differenzierter als am Gymnasium. Dort wird zwischen E- und G-Noten unterschieden, zwischen erhöhtem Anforderungsbereich und der Grundanforderung.
Eltern sollten sich vor der Wahl einer Schulform auch fragen, ob sie ihrem Kind bei schulischen Aufgaben helfen können. „Wenn Nachhilfe schon in der 5. Klasse am Gymnasium einkalkuliert wird, sind das schlechte Voraussetzungen“, sagt Langer.
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Mehr Schüler pro Klasse am Gymnasium
Hülya Melic, Koordinatorin für Elternfortbildung am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), weist darauf hin, dass bei der Wahl fürs Gymnasium ein Wechsel nach Klasse 6 auf eine Stadtteilschule bei schlechten Zensuren möglich ist, die Wunschschule für das Kind dann aber nicht immer Platz hat. „Dann kann es sein, dass mein Kind zehn Kilometer durch die Stadt zur Schule fahren muss.“
Ein Unterschied zwischen Gymnasium und Stadtteilschule ist außerdem die Klassenstärke: Sind es am Gymnasium 28 Schülerinnen und Schüler pro Klasse, sind es an der Stadtteilschule 25 Schüler. Hülya Melic weiß als Mutter von zwei Gymnasiasten zudem: „Am Gymnasium müssen die Kinder täglich viel mehr Hausaufgaben machen als an der Stadtteilschule.“
Im Übergang in die Oberstufe kann die Schule gewechselt werden
Hat man sich für eine Schulform entschieden, so empfehlen Schulleiter Langer und Hülya Melic, die nächstgelegene Schule zu wählen. „Das finde ich ganz wichtig, damit die Schüler Freundschaften schließen und sich am Nachmittag verabreden können“, so Langer. Unbedingt mit dem besten Freund eine Schule auszuwählen sei dagegen nicht so wichtig. „Freundschaften bilden sich ohnehin neu an den weiterführenden Schulen.“
Sicherlich gibt es spezialisierte Schulen, die etwa einen bilingualen Zweig haben oder einen Schwerpunkt in Musik, Sport oder Naturwissenschaften – aber grundsätzlich müsse man keine Wissenschaft aus der Wahl der Schule machen. Langer: „Die einzelnen Schulen unterscheiden sich in ihren Angeboten nicht so sehr voneinander. Und viele Schulen kooperieren später in der Oberstufe auch bei den Profilen.“ Der Übergang in Klasse 5 stelle keine Entscheidung über die gesamte weitere Schullaufbahn dar, darauf weist auch Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, hin. Im Übergang in die Oberstufe könne die Schule gewechselt werden. „Und viele Schülerinnen und Schüler nehmen diese Möglichkeit auch wahr.“
Schulen in Hamburg: Elternräte geben gerne Auskunft
Die Größe der Schule könne entscheidend sein. Große Schulen mit 1700 Schülern hätten häufiger mehr Angebote als kleinere. Aber die Frage, ob das Kind das schaffe und sich nicht an einer großen Schule verliere, die müssten Eltern berücksichtigen, sagt Tobias Langer. Sein Tipp: Beratungen an den weiterführenden Schulen wahrnehmen, sich die Homepages anschauen und dann nach Gefühl entscheiden. Denn im Grunde sei es ganz einfach: „Man muss die Schule mögen.“ Vor der Entscheidung können Mütter und Väter auch den Elternrat der Wunschschule kontaktieren, empfiehlt Hülya Melic. „Da bekommt man ehrliche Auskünfte über die Schule von engagierten Eltern.“
Damit der Wechsel „sanft“ gelingt, kooperiert Schulleiter Langer in Eißendorf mit Kollegen des benachbarten Heisenberg-Gymnasiums und der Grundschule In der Alten Forst. Sie tauschen sich aus über die Kompetenzen in Mathematik, Deutsch und Englisch. „Immer vor der Fragestellung: Was müssen die Schüler in Klasse 5 können?“ So soll der Wechsel in die weiterführenden Schulen erleichtert werden. Außerdem kooperieren die Schulen im Rahmen eines Musikprojektes. Dabei erhalten die Kinder im 4. Schuljahr an der Grundschule Blockflötenunterricht als Grundlage für ein schnelleres Erlernen des Bigband-Instruments an den weiterführenden Schulen. „So werden die Grenzen zwischen Schulen, Schulformen, sozialen Milieus und kulturellen Hintergründen abgebaut“, so Langer. Und der Wechsel gestalte sich leichter.