Harburg. Harburger Bezirkspolitiker bezweifeln, dass Einrichtung in Eißendorf nur ein Jahr bestehen wird. Hamburg fehlen bis zu 3000 Plätze.
Die geplante Erstunterkunft für Asylbewerber in einem leerstehenden Gebäudetrakt des Seniorenpflegeheims Eichenhöhe in Eißendorf trifft in der Harburger Lokalpolitik auf Skepsis. Das wurde am Dienstagabend in der Sitzung des Sozialausschusses der Bezirksversammlung deutlich.
Die Ausschussmitglieder kritisierten vor allem den engen Zeitplan des von der Innenbehörde und dem DRK-Landesverband Hamburg initiierten Projekts. Zudem äußerten sie Zweifel, dass die Unterkunft tatsächlich, wie angekündigt, nur ein Jahr genutzt werden wird.
Bezirk Harburg gilt im Vergleich als unterbelegt
Wie berichtet suchen die Innen- und die Sozialbehörde angesichts steigender Zuwandererzahlen dringend neue Kapazitäten zur Unterbringung von Geflüchteten und Wohnungslosen. Da im Laufe des Jahres einige aktuell genutzte Räumlichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen werden, rechnet Sozialamtsleiter Michael Klahn damit, dass – je nach Entwicklung der Zugangszahlen – zum Jahresende 2000 bis 3000 Unterbringungsplätze fehlen werden. „Alle Bezirke sind aufgefordert, Flächen zur Verfügung zu stellen“, sagte er in der als Videokonferenz abgehaltenen Ausschusssitzung.
Der Bezirk Harburg werde im Vergleich zu anderen Bezirken eher weniger stark für die Unterbringung von Geflüchteten beansprucht, so Klahn. Nach einem Verteilungsschlüssel, der neben Fläche und Einwohnerzahl der Bezirke auch deren „Soziale Stärke“ berücksichtige, gibt es 320 Plätze weniger, als nach dem Verteilungsschlüssel möglich wären (rechnerisch 3473 Plätze).
108 weitere Plätze könnten sehr bald am Standort des vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) betriebenen Pflegeheims Eichenhöhe hinzu kommen. So sieht es das Papier der Innenbehörde zur Abstimmung mit dem Bezirk vor. Dort steht, dass der ungenutzte Gebäudeflügel schon Mitte Januar bezugsfertig sein könnte. Dadurch entstand großer Zeitdruck für den Einbezug der Bezirkspolitik (sie hat laut Gesetz einen Monat Zeit zur Stellungnahme) und für die Information der Betroffenen, deren Angehörigen und der Nachbarschaft.
Noch sind baurechtliche Fragen offen
„Der Termin ist vom Tisch. Bei Zustimmung des Bezirks würden wir Anfang Februar mit der Belegung starten“, sagte Bernd Krösser, Staatsrat der Innenbehörde, den Ausschussmitgliedern. Und begründete den Zeitverzug mit ungeklärten baurechtlichen Fragen. Die wichtigste sei die notwendige Nutzungsänderung: Bislang ist für das Gebäude die Nutzung als Alten- und Pflegeheim festgeschrieben. Der Regionalausschuss müsse der Unterbringung von gerade angekommenen Geflüchteten noch zustimmen, so Krösser. Holger Böhm (SPD) wies darauf hin, dass die geänderte Nutzung auch dem Stiftungszweck des Pflegeheims widerspreche, der ausschließlich Altenpflege vorsehe. Krösser verwies an den Betreiber: „Wenn das DRK uns sagt, dass es so möglich ist, dann ist das für uns okay.“
Generell sei der Gebäudeflügel sehr gut als Erstunterkunft geeignet, biete einen „guten Unterbringungsstandard“, sagte der Staatsrat und betonte, dass die Neuankömmlinge komplett von den Senioren getrennt werden. Es sei vorgesehen, auf der Eichenhöhe vor allem „vulnerable Personen mit besonderem Unterbringungsbedarf“ wohnen zu lassen, etwa Familien mit Kindern. Kitas und eine Schule, die Kinder jenseits des Grundschulalters aufnehmen könnte, stünden in der Umgebung bereit, so Krösser. Die Betreuung der Bewohner würde das DRK übernehmen, wenn der Vertrag zustande kommt. Sozialangebote gehören zur Leistungsbeschreibung der behördlichen Verträge mit Betreibern von Unterkünften zur Erstaufnahme von Geflüchteten, ergänzte Annette Kindel, die das Amt für Migration leitet.
Später sollen Seniorenwohnungen entstehen
Mehrere Ausschussmitglieder bezweifelten, dass die Erstunterkunft nach einem Jahr wieder geschlossen werden wird. „Wir halten die einjährige Nutzung für realistisch“, entgegnete Krösser. „Da wir die Räumlichkeiten mit wenig baulichen Aufwand nutzen können, ist das für uns in Ordnung. Das DRK hat uns mitgeteilt, dass es 2023 mit Umbauarbeiten (zu Seniorenwohnungen, die Red.) starten will. Wenn sich im Herbst dann vielleicht zeigt, dass die Arbeiten nicht im Februar, sondern erst im April 2023 beginnen, und wir zwei Monate länger bleiben können, dann würden wir gern bis zum Baustart bleiben.“