Hamburg. Verunsicherung zu groß, Besucherzahlen und Umsatz eingebrochen. Rettung dank finanzieller Unterstützung durch Geschäftsleute.
Der letzte Abend passte zur trüben Weihnachtsmarktsaison: Tiefstehender und diesiger Nebel hüllte die Buden auf dem Harburger Rathausmarkt ein, die oberste Lichterkette am großen Weihnachtsbaum machte auch schlapp und zu allem Überfluss, „wurden wir beim Feuerwerk am Vortag im wahrsten Wortsinn leer getrunken“, sagt Anne Rehberg.
Sie ist Eventmanagerin von WAGS Hamburg und Organisatorin des Harburger Weihnachtsmarktes. „Natürlich freuen wir uns, dass bei starkem Regen mehrere Hundert Besucher zu uns und in die Straßen drumherum gekommen sind, um das Feuerwerk mitzuerleben. Das ist unsere Art, den Harburgern noch einmal Danke zu sagen und etwas Normalität zu bieten.“ Man werde demütig, wenn man sehe, wie Kinder mit großen Augen dastehen und in den Himmel schauen.
50 Prozent der Einnahmen aus dem Vorjahr wäre gut
Dass es keinen Glühwein mehr gab, war für die Marktbesucher an letzten Tag ärgerlich, für die Organisatoren weniger. Der Handel wollte in diesem Jahr die Restmengen nicht zurücknehmen, so bleibe man nicht auf den Kosten sitzen, so Rehberg.
„Wir können in diesem Jahr nicht zufrieden sein“, sagt sie. „Wenn wir 50 Prozent der Einnahmen aus den Vorjahren erzielt haben, sind wir schon gut im Vergleich zu anderen Märkten in Hamburg.“ Ob das klappt, ist noch offen. Genaue Umsatzzahlen konnte sie am Abbautag, dem Donnerstag, noch nicht nennen. Klar ist: Der Einnahmerückgang sei wie der Besucherrückgang beträchtlich. Gleichzeitig waren die Kosten aufgrund von Investitionen in Umzäunung und Kontrollen viel höher. Trotzdem: Es sieht so aus, als wenn die Organisatoren mit einem blauen Auge davongekommen sind.
Kosten für Sicherheitsmaßnahmen und Security übernommen
„Die Geschäftsleute in Harburg haben uns durch das Citymanagement herausragend unterstützt und uns beispielsweise die Kosten für die Sicherheitsmaßnahmen und die Security abgenommen“, sagt Anne Rehberg erleichtert. Ohne diese Unterstützung sehe es ganz düster aus. Allein die Sicherungskosten sollen einen hohen vierstelligen Betrag verschlungen haben. Dieses Jahr fehlte dem Harburger Weihnachtsmarkt zudem das noch gut frequentierte erste Adventswochenende samt Einnahmen. Denn der Weihnachtsmarkt konnte wegen der späten Ausschreibung der Betriebserlaubnis erst verspätet eröffnen (das Abendblatt berichtete).
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Zusätzlich verschärfend wirkten die ständigen Änderungen der Coronaregeln in Hamburg, das hätte nochmals viele Leute von einem Weihnachtsmarktbesuch abgehalten. „In einer Woche gibt es keine Maskenpflicht auf dem Veranstaltungsgelände, dann kommt die Maskenpflicht trotz Einlasskontrolle, danach griff die 2G-Regel in vielen Geschäften und die Besucherfrequenz sank erneut. Omikron und steigende Inzidenzen, das alles verunsichert die Menschen“, sagt Rehberg und „das haben wir eben bei unseren Besucherzahlen deutlich gemerkt.“
Insgesamt seien über die Tage einfach zu wenig Menschen gekommen, selbst wenn es immer wieder Highlights gab wie beispielsweise „Frau Holle und Sternentaler“ oder eben das große Feuerwerk am Dienstagabend. „Es ist uns mit der Kommunikation nicht gelungen, die längere Öffnung des Weihnachtsmarktes in Harburg publik zu machen. Alle redeten davon, dass die Weihnachtsmärkte in Hamburg am 23. Dezember schließen. Wir haben aber bis zum 29. Dezember durchgezogen“, zieht Rehberg auch für sich Bilanz. Das sei letztlich beim Feuerwerk honoriert worden, doch ansonsten seien die Tage nach Weihnachten eher mäßig besucht gewesen. „Wir werden sehen, was für uns als Organisatoren am Ende übrig bleibt. Es müssen noch ein paar Rechnungen beglichen werden“, so Rehberg resigniert.
Organisatorin berichtet auch von positiven Momenten
Trotz allem kann die Organisatorin auch ein paar positiven Momente benennen. So habe das vegetarische Angebot den Speisemix auf der Marktfläche deutlich verbessert und wurde gut angenommen. Die ersten Standbetreiber haben ihr Wiederkommen im kommenden Jahr bereits zugesichert – so wie Ingrid Waldheim, die das ganze Jahr Früchte sammelt und einkocht. Normalerweise steht die rüstige Frau seit zehn Jahren auf dem Weihnachtsmarkt in Buchholz, der abgesagt wurde, und verkauft dort ihre selbst gemachten Marmeladen und gestrickten Strümpfe. Bereits jetzt hat die Hanstedterin beschlossen, auch im kommenden Jahr wieder ihre Aktionshütte in Harburg beziehen zu wollen. „Und mich haben die Eltern eines jungen Mannes angeschrieben, der vor Jahren mal mit seiner Trompete auf dem Markt stand“, berichtet Rehberg. „Er hat durch seine Eltern erfahren, dass am Abend immer ein Turmbläser aus dem Rathausfenster heraus spielt und es Nachwuchssorgen gibt. Er bot an, im kommenden Jahr gerne zu unterstützen.“
Dorfähnlicher Aufbau: Notlösung soll erhalten bleiben
Es seien genau diese Geschichten, für die Harburg stehe und für die es sich lohnen würde, jeden Tag wieder zu öffnen. Deshalb ist für sie klar: „Im kommenden Jahr geht es weiter und wir hoffen natürlich, dass sich die Lage bis dahin dann endlich normalisiert.“ Bestehen bleibt der dorfähnliche Aufbau der Marktbuden. Was eigentlich als eine Notlösung wegen der nötigen Umzäunung der Veranstaltungsfläche gedacht war, kam bei den Besucherinnen und Besuchern gut an. Dadurch werde der Markt entschleunigt und es käme noch mehr Stimmung auf.
Eine besondere Ehre erwiesen die Marktbeschicker der scheidenden Citymanagerin Melanie Gitte Lansmann auf ihrer Abschiedstour und übergaben ihr ein ganz besonderes Geschenk. „Wir haben ihr am letzten Tag den ersten ’Roten Ehrenbecher des Harburger Weihnachtsmarktes’ übergeben. Dieser sichert ihr lebenslang kostenlosen Punschnachschub zu“, freut sich die Weihnachtsmarkt Chefin und hofft Gitte Lansmann, genau wie alle anderen Harburgerinnen und Harburg, im kommenden Jahr wiederzusehen.