Harburg. Weniger ist mehr? Wenn es mal so einfach wäre. Wer den Chemieeinsatz im Haus reduzieren möchte muss andere Faktoren beachten
Staub gab es schon immer. Es ist ganz egal, ob man das wissenschaftlich oder religiös betrachtet. Als das Nichts sich einst entschloss, alles zu werden und kurz mal explodierte; damals 13.8 Milliarden vor Christus, sechs Tage vor Schabbes; flogen nicht gleich ganze Sterne und Planeten galaxienweise ins Universum, sondern sehr feiner Staub. Und wenn Staub nicht klumpen würde, wäre das immer noch so. „Aus Staub bist Du und zu Staub sollst Du werden“, steht in der Bibel. Es gibt gute Gründe, Staub mit etwas mehr Respekt zu behandeln.
Es gibt genauso viele gute Gründe dagegen: Der Staub, der um uns herum auf die Fußböden und Regale schwebt, ist kein metaphysischer Urstaub. Textilfusseln; Hautschuppen, die der eigene Körper – oder gar der von jemand anderem – schon nicht mehr haben will, tote und lebendige Mikroben, Milbenkot und solche Dinge gehören zu seinen Partikeln und streben danach, zu klumpen.
Für Nachhaltigkeit sollte man sich fragen, wie und wie viel sollte man putzen
Wenn wir nicht wollen, dass ganze Schmutzgalaxien entstehen, müssen wir also putzen. Dabei ist Staub ja nicht das Einzige, was unser Umfeld verschmutzt: Fettdämpfe – so genannte Wrasen – kondensieren an den Küchenmöbeln, unsere Ausscheidungen hinterlassen – mal sichtbar, mal unsichtbar – Spuren im Becken und wir bringen ja auch noch Anhaftungen aus der Außenwelt in unsere vier Wände. Wer nicht im Schmutz versinken will, muss putzen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte man sich allerdings fragen, wie und wie viel.
Wie viel Putzen nötig ist, hängt auch von unserer Lebenssituation ab: Haushalte, in denen Hausstauballergiker leben, können sich weniger Schmutztoleranz erlauben als andere. Wer Babys und kleine Kinder zu Hause hat, die sich viel am Boden aufhalten und viele Dinge in den Mund stecken, ist weniger entspannt als jemand, der den Boden nur mit den Füßen berührt. Wer hingegen Hunde hat, sollte gelassen sein, was Haare angeht; weil sonst Stresserkrankungen drohen. Allgemein gilt: Die Ekelschwelle, bei der wir anfangen zu putzen, liegt bei den meisten weit vor der wirklichen Gefahrenschwelle.
Umweltberater bei der Hamburger Verbraucherzentrale: Alles voll mit Bioziden
Das ist eigentlich gut so, wird heutzutage aber übertrieben, sagt Tristan Jorde, Umweltberater bei der Hamburger Verbraucherzentrale: „Den Menschen wird große Angst vor Bakterien im Haushalt gemacht und die Drogeriemarktregale stehen voll mit Bioziden“, sagt er. „Das ist meistens nicht nur unnötig, sondern gefährlich – man schädigt sich selbst und die Umwelt!“
Desinfektionsmittel, die alle Bakterien töten, töten eben alle; auch die, die uns gut tun – und über das Abwasser entsorgt, wirken die Mittel noch weiter und töten unterwegs noch ein paar Bakterien, die uns gar nichts angehen. Da liegt die Crux. Und es gibt noch einen anderen Haken: Einige Keime bleiben immer übrig und sie vermehren sich so lange sehr schnell, bis sie sich wieder gleichmäßig verbreitet haben. Umweltexperten sagen: Das Putzen mit den üblichen alten Hausmitteln Wasser und Seife ist genauso effektiv, wie mit einem Mittel, das man theoretisch nicht mal mit dem Auto durch den Elbtunnel transportieren dürfte, weil sich darauf ein Gefahrguthinweis befindet. In Krankenhäusern braucht man diese Mittel, zu Hause nicht.
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Die Faktoren für eine gute Reinigung des Haushaltes lassen sich dem „Sinnerschen Kreis“ entnehmen. Der ist eigentlich mal für das Wäschewaschen erdacht worden, gilt aber auch für Hausputz oder Industriereinigung. Man braucht: Temperatur, Mechanik, Chemie und Zeit. Nimmt man von einem Faktor mehr, braucht man von anderen weniger. Unendlich lässt sich das jedoch nicht ausreizen: Setze ich beim Bodenwischen beispielsweise zu sehr auf Zeit und lasse die Mechanik – in diesem Fall das das Feudeln – bleiben, ist mein Wischwasser irgendwann verdunstet und der Schmutz wieder da, wo er war.
Wo wir beim Wischen sind: Einige Umweltexperten empfehlen – man mag es kaum glauben – übrigens moderne Mikrofasertücher für Boden und Flächen. Deren Umweltnachteil, dass sie aus Kunststoff sind, soll sich dadurch ausgleichen, dass sie wegen der vielen kleinen Härchen ohne viel Kraftaufwand eine besonders große mechanische Wirkung entfalten. Man braucht also weniger Chemie und Wärme und muss auch nicht so lange wischen.
Das Wischwasser, so Tristan Jorde, sollte man auch nicht sofort in den Ausguss kippen: „Die Feststoffe im Schmutz belasten das Abwassersystem“, sagt er. „Besser ist es, den Eimer eine Zeit stehen zu lassen, damit sich die Stoffe absetzen, die Flüssigkeit vorsichtig abzugießen und die Feststoffe in den Müll zu entsorgen.“
Nachhaltiges Putzen ist aber oft mit etwas mehr Aufwand verbunden
Man merkt: Nachhaltiges Putzen hat wenig damit zu tun, die Füße hochzulegen, sondern ist oft mit etwas mehr Aufwand verbunden – manchmal aber auch nur mit etwas Nachdenken: Beim Staubsaugen solle man zum Beispiel die Fenster öffnen, so Jorde. „Sonst nimmt der Staubsauger groben Staub auf, bläst feinen wieder heraus und dieser bleibt in der Wohnung. Gutes Lüften hilft da.“ Gutes Lüften hilft auch gegen Bakterien. Keime lieben es feucht. Lüften hält die Wohnung trocken. Aus demselben Grund sollte man Lappen und Schwämme auswringen und trocknen lassen. Dann muss man sie weniger oft waschen oder ersetzen. Waschbecken und Wannen sollte man einmal trockenwischen.
Wo es geht und wo man sie benutzt, sollte man Putzmittel lange einwirken lassen. Etwas mit WC-Reiniger getränktes Klopapier auf einem hartnäckigen Fleck geklatscht und dort gelassen, kann Wunder wirken. Andererseits: Frischen Schmutz sofort zu entfernen, erspart später Mehraufwand. Auch Schneidbretter und Messer sollten sofort nach dem Kochen gereinigt werden. Tut man dies, kann das auch mit unschädlichen Mitteln erfolgen.
Verbraucherzentrale bietet Seminar zu dem Thema an
Zu guter Letzt: Auch Reinigungsmittel sind verpackt. Viele lassen sich aber mittlerweile auch „lose“ in „Unverpackt-Läden in Mehrwegbehälter abfüllen. Der Marktstand von „Unverpackt Süderelbe“ in Harburg und Neugraben zum Beispiel hat Kanister mit Spülmittel und Allesreiniger und die Verkäufer schaufeln auch Geschirrspüler-Pulver in mitgebrachte Behälter. Auch das schont die Umwelt.
Viele der Tipps aus diesem Artikel lassen sich in dem Buch „Sind wir noch ganz sauber? Klüger mit Schmutz umgehen, gesünder leben, der Umwelt helfen“ der Autorin Hanne Tügel nachlesen. Es lässt sich bei der Verbraucherzentrale Hamburg als E-Book und als Echtbuch bestellen.
Unter dem gleichen Titel bietet die Verbraucherzentrale auch morgigen Mittwoch, 24. November, von 16 Uhr an ein kostenloses Webinar mit Tristan Jorde zum Thema „Nachhaltig Putzen“ an. Die Internet-Adresse der Verbraucherzentrale: www.vzhh.de