Harburg. Nach Plänen der Stadt soll der Betrieb für die Erhöhung des Harburger Hauptdeichs weichen. Gibt es eine Alternative?
Gleich hinter dem Deich, westlich der Alten Elbbrücke, werden hölzerne, mit Kunststoff verstärkte Segelboote gebaut und repariert. Seit 1927 besteht die Boots-Werft Knief, seit 1980 geführt von Peter Knief.
Dutzende in Harburg gebaute Elb-H-Jollen sind auf Alster und Elbe unterwegs und treffen dort auf ihre große Schwester Typ Nordwind 32, made in Harburg. Muss die kleine Traditionswerft am Rande des Binnenhafens der Deicherhöhung weichen? Diese Frage war am Montagabend das dominierende Thema im Harburger Stadtentwicklungsausschuss.
Harburger Hauptdeich muss für zukünftig Sturmfluten ertüchtigt werden
Im Rahmen des städtischen Deicherhöhungsprogramms muss auch der Harburger Hauptdeich für zukünftig höher auflaufende Sturmfluten ertüchtigt werden. Darüber herrscht Einigkeit. Die Deichkrone soll von rund 7,90 Meter auf 8,70 Meter anwachsen. Das gilt auch für den rund 300 Meter langen Abschnitt zwischen der Harburger Hafenschleuse und der Alten Harburger Elbbrücke. Zuständig für die Baumaßnahme ist der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. Er möchte den bestehenden Gründeich erhöhen. Dazu muss der Deichfuß rund sechs Meter breiter werden. Das geht nur, wenn eine Werfthalle komplett abgerissen und die andere zumindest verkleinert werden.
„Das Ganze läuft jetzt schon seit zwei, zweieinhalb Jahren und kostet Nerven ohne Ende“, sagt Werftchef Knief. Der 80-Jährige wollte längst den vom Vater Alfred gegründeten Betrieb in die Hände eines Nachfolgers geben. 2018 schien er am Ziel zu sein, als der Pachtvertrag für das Betriebsgelände auf städtischem Grund um 30 Jahre verlängert wurde. Doch vor der Betriebsübergabe wurden Peter Knief und sein potenzieller Nachfolger mit den Deichbauplänen konfrontiert – der Interessent sprang ab. Es gebe eine technische Variante, bei der die Werft erhalten bleiben könne, so Knief, aber die Deichplaner wollten davon nichts hören.
Neue Spundwand müsste für Werft-Zufahrt unterbrochen werden
In diesem Fall wird nicht der Gründeich erhöht, sondern ihm wird auf der Deichkrone eine stählerne Krone aufgesetzt: Eine Spundwand, die einen Meter aus dem Deich herausragt. Dort, wo aktuell die Überfahrt von der Straße Hafenbezirk zur Werft und zum Gelände der benachbarten Harburger Segler-Vereinigung ist, müsste die Spundwand unterbrochen und mit einem flachen Tor versehen werden. Knief: „Ich habe mir so eine Scharte in Brunsbüttel angesehen: Sie kann bei Hochwasser von einem einzigen Mann geschlossen werden.“
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Genau solche Lösungen, bei denen Menschen rechtzeitig eingreifen müssen, will Clais von Mirbach vom LSBG bei den Deicherhöhungen vermeiden. „Wir haben auch diese Variante geprüft“, sagte er dem Ausschuss. „Aber solche Hochwassertore sind die neuralgischen Punkte der 103 Kilometer langen Hamburger Hauptdeichlinie. Sie müssen geschlossen werden, und wenn das technisch nicht funktioniert, dann haben wir ein Problem.“ Sein für den Betrieb der Hochwasserschutzeinrichtungen zuständiger Kollege der Umweltbehörde Morten Klöpper stimmte ihm zu: „Wir haben einen erhöhten Aufwand, denn wir müssen die Tore unterhalten.“
Die Stadt will deshalb die Gründeich-Lösung. LSBG und Bezirk haben bereits mehrere Gespräche mit Knief geführt, so von Mirbach. Dabei sei es um Alternativstandorte gegangen und um einen Wertausgleich im Fall einer Betriebsschließung. „Eine Entschädigung ist mir nicht angeboten worden“, sagt dagegen der Werftchef. „Dazu sollen zunächst Gutachten über den Wert des Betriebs erstellt werden. Das zieht sich hin.“ Und mit den angebotenen Alternativstandorten könne er nicht leben.
Zweifel, dass der Vorschlag der Baubehörde überhaupt möglich ist
Etwa mit dem Vorschlag, das Winterlager plus Werkstatt binnendeichs auf die ehemalige Fläche der Elbewerkstätten auszulagern. Diese Idee favorisiert Harburgs Baudezernent Hans Christian Lied. „Wie sollen wir denn mit zehn, zwölf Meter langen Schiffen dahin kommen?“, fragt Knief angesichts zweier 90-Grad-Kurven, die auf dem Weg liegen. Zudem müsse bei der anvisierten Deicherhöhung eine neue Slipanlage gebaut werden – auf der Wasserseite. Der Praktiker hat Zweifel, dass das baulich überhaupt möglich ist.
Die Harburger Politiker schlugen sich auf die Seite der Werft und mahnten eine für sie verträgliche Lösung an. „Die Knief-Werft ist um die 100 Jahre alt und führend im Holzschiffbau. Sie sollte erhalten werden“, sagte Rainer Bliefernicht (CDU). „Die Spundwand-Lösung sollte zugunsten des ganzen Quartiers gewählt werden. In der HafenCity und an den Landungsbrücken werden Lösungen gewählt, die am besten zum Stadtbild passen. Das sollte genauso in Harburg geschehen, zugunsten des Binnenhafens.“ Die Entscheidung fällt aber letztendlich die Stadt.
Über das Unternehmen:
- Zwei Gesellen und zwei Aushilfen sind auf der Werft von Peter Knief beschäftigt.
- Die Steganlage bietet von April bis Oktober etwa 40 Booten Platz. Die Sanitäranlagen befinden sich in dem Betriebsgebäude, das für die Deicherhöhung abgerissen werden soll. Im Vergleich zu den Liegeplätzen im Binnenhafen liegen die Boote direkt in der Süderelbe und müssen für Ausfahrten nicht erst die Hafenschleuse passieren.
- Auf der Slipanlage (Bootsrampe) können Boote zu Wasser gelassen oder an Land gebracht werden. Sie wird für Einsätze mit Polizei- oder Feuerwehrbooten ständig frei gehalten.
- 60 Boote haben ihr Winterlager im anderen Hallengebäude am Deichfuß. Dort können die Bootseigner oder Werftarbeiter notwendige Reparaturen durchführen.
- Die Vereinigung der Harburger Segler liegt direkt neben der Werft im Außendeichbereich. Der 1925 gegründete Verein hat rund 125 Mitglieder und 45 Schiffe sowie eine Jugendabteilung mit Boot. Auf der „Disco Navigare“ lernen Jungen und Mädchen (13 bis 21 Jahre) das Segeln. Die Vereinshalle kann stehen bleiben.