Heimfeld. Lehrer setzten Musikzweig des Heimfelder Friedrich-Ebert-Gymnasiums durch. Jetzt wird das 40-jährige Bestehen gefeiert
Es geht zu wie in einem Ameisenhaufen. Stühle werden gerückt, Notenständer verschoben, Instrumente gestimmt. Bögen streichen über die Saiten und aus einer Querflöte, am Rande des Podestes platziert, flattern ein paar hohe Töne durch den Saal.
Inmitten der mächtig klingenden Geräuschkulisse in der Friedrich-Ebert-Halle in Hamburg-Heimfeld gibt Musiklehrer Christoph Posselt letzte Anweisungen. Dann hebt er den Taktstock. Die Schüler setzen die Instrumente an – Stille – dann geht es los.
Nach langer Corona-Pause dürfen Schüler zurück in die Konzerthalle
An den Schulen wird wieder musiziert. Nach der langen, Corona-bedingten Zwangspause dürfen die Schülerinnen und Schüler wieder zurück in die Konzerthalle und gemeinsam Musik machen. Christoph Posselt, stellvertretender Schulleiter am Friedrich-Ebert-Gymnasium (FEG), erinnert sich gut an den Tag im März 2020, als er erfuhr, dass sämtliche Konzerte abgesagt werden müssen. Auch das große Jubiläumskonzert zum 40-jährigen Bestehen des Musikzweiges am FEG, für das die Schule sowie viele ehemalige Schüler monatelang geprobt hatten, fiel aus.
Jetzt soll es nachgeholt werden. Am 21. November um 18 Uhr treten „Ebert & Friends“ in der Ebert-Halle auf. Auf der Bühne stehen Schüler des Gymnasiums, Eltern und Ehemalige sowie Schüler aus anderen Hamburger Schulen. Gemeinsam spielen sie Stücke von Antonio Vivaldi, Franz Danzi, Joseph Haydn, Camille Saint-Saëns, Johann Sebastian Bach und Robert Schumann.
Schüler haben bis zu vier Stunden mehr Musikunterricht pro Woche
Die Proben haben die jungen Musikerinnen und Musiker allein auf die Beine gestellt. „Das war eine spannende neue Herausforderung“, sagt Maja Lichtfeld. Die 15-Jährige besucht die 10 M am FEG und spielt Cello. Das „M“ steht für Musikzweig und bedeutet, dass die Schüler bis zu vier Stunden mehr Musik-Unterricht in der Woche haben. Hinzu kommen verpflichtende AGs im instrumentalen und sängerischen Bereich. Es gibt ein Klassen-, Stufen- und Schulorchester, einen Schulchor und regelmäßige Orchesterreisen sowie Auftritte in der Ebert-Halle. „Es ist ein tolles Gefühl, gemeinsam auf der Bühne zu musizieren“, sagt Maja. „Musik tut der Seele gut. Und: Sie macht mich sehr glücklich.“
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Genau darum geht es seit 41 Jahren in den „M-Klassen“ des FEG. Damals, im Jahr 1970, setzte sich eine Handvoll Musiklehrer am Gymnasium für mehr Musikunterricht ein. Vorbild war das Albert-Schweitzer-Gymnasium im Norden von Hamburg. „Die Voraussetzungen an unserer Schule hätten nicht besser sein können“, sagt Christoph Posselt. „Mit der gerade fertig gestellten Ebert-Halle gab es eine Konzerthalle direkt an der Schule.“ Diese sollten künftig auch die Schüler bespielen – und zwar möglichst professionell.
Um das sicherzustellen, werden in jedem Jahrgang ein bis zwei Klassen mit dem Schwerpunkt Musik eingerichtet. Jede einzelne bildet ein vollständiges Symphonieorchester en miniature ab – mit Streichinstrumenten, Holz- und Blechbläsern, Pauken, Schlagzeug und Harfe. Die Instrumente können gegen eine Gebühr von 30 Euro pro Halbjahr in der Schule ausgeliehen werden. „Jedes Kind kann sich für die M-Klasse entscheiden“, sagt Christoph Posselt. „Auch dann, wenn es beim Eintritt in die 5. Klasse noch kein Orchesterinstrument spielt.“ Den Instrumentalunterricht zahlen die Eltern. „Aber wenn es knapp ist, finden wir eine Lösung“, so Posselt.
Schüler lernen Jazz-Pop-Gesang, Musical, Big Band-Jazz und Filmmusik
Unter Anleitung der Fachlehrer werden in den ersten Wochen die Instrumente vorgestellt. Dann wird entschieden, welches Instrument zu welchem Kind passt. Anschließend startet die musikalische Ausbildung, die sich zunächst am klassischen Orchesterspiel und Chorgesang orientiert. „Hier werden Grundlagen gelegt, die die Schüler befähigen, sich im Laufe ihrer Schulzeit verschiedenen Stilrichtungen zuzuwenden“, sagt Christoph Posselt. Später kommen dann Jazz-Pop-Gesang, Musical, Big Band-Jazz oder Filmmusik hinzu.
Doch zunächst geht es um Mozart, um Haydn und darum, zu lernen, was es bedeutet, im Orchester zu spielen. Nämlich: Rücksicht zu nehmen, zuzuhören, sich zu konzentrieren. Vieles davon haben die Sechstklässler Selma, Jonathan, Inga, Bennet, Matilda, Valentino und Siebtklässler Mads bereits gelernt. Jeden Montag um 14 Uhr proben sie gemeinsam im Unterstufenorchester. „Ich wollte schon immer im Orchester spielen“, sagt Inga. Sie ist zwölf, besucht die 6 M und spielt Cello. Jetzt sitzt sie mit dem Instrument mitten auf der großen Bühne und streicht ein paar Takte aus der Oper „Scipio“ von Georg Friedrich Händel. Mitschülerin Selma begleitet sie auf der Geige. „Alleine habe ich keine Lust, das Instrument in die Hand zu nehmen“, sagt die Elfjährige. „Aber zusammen im Orchester macht es Spaß.“
Musik als Katalysator zur Förderung von Denk- sowie Lernprozessen
Doch es geht um viel mehr als Spaß. „Die Auseinandersetzung mit Musik wirkt sich auf die Vernetzung der beiden Gehirnhälften wie ein Katalysator und fördert dadurch Denk- und Lernprozesse“, erklärt Christoph Posselt, der neben dem Schulmusikstudium auch ein Diplom als Instrumentalpädagoge abgeschlossen und während seines Studiums in Berlin große Musikprojekte geleitet hat.
„Vom Erfolg motivierte Schüler prägen das allgemeine Schul- und Klassenklima positiv.“ Darüber hinaus werden soziale Kompetenzen trainiert. „Das Hören und schnelle Reagieren aufeinander formt die Musikschülerin zu einer festen Gruppe, in der jeder Verantwortung für das Gelingen des Ganzen trägt“, so Posselt. „Dieser Verantwortung im Konzert gerecht zu werden, lässt die Kinder erkennbar zusammenwachsen.“
In allererster Linie jedoch geht es den Schülern, Lehrkräften und Eltern sowie den Ehemaligen, die bei den Konzerten mitwirken, schlichtweg um Lebensfreude, um das Kribbeln im Bauch, wenn das Konzert beginnt und darum, sich selbst zu spüren. Christoph Posselt formuliert es so: „Beim Musizieren sind Kopf, Herz und Hand im Einklang. Und das tut einfach gut.“