Wilhelmsburg. Corona-Not macht kreativ: Teilnehmer des Schulkurses „Gesundheit und Ernährung“ haben mit Profis gekocht und sich dabei filmen lassen.

Nur gut, dass es heute keinen Brei gibt. Für dessen gutes Gelingen sind nämlich gerade viel zu viele Köche in der Küche des Hamburger Restaurants „Klinker“ an der Schlankreye. Acht junge Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger kochen hier für die Kamera, vier Profis gucken ihnen zu; zwei sogar auf die Finger: Gewerbelehrer Thomas Wieser, gelernter Koch; Lukas Schrader, der sonst am Lerchenfeld Kunststudenten bekocht, und die Hausherren: Marianus von Hörsten und Aaron Hasenpusch. Statt Brei gibt es Cevapcici, chinesische Nudeln, Kaiserschmarrn und Cupcakes.

Nicht gerade das, was es im „Klinker“ sonst gibt, aber das Gourmetrestaurant ist heute auch nur Kulisse. Die Schülerinnen und Schüler des Profils „Gesundheit und Ernährung“ an der Stadtteilschule Wilhelmsburg drehen hier Kochvideos für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Ein echt cooles Projekt, das aus der Not der Corona-Pandemie geboren wurde.

Wegen Corona: Kochvideos statt in der Schulmensa stehen

„Ein wesentlicher Aspekt des Profils ist üblicherweise, dass die Schüler in der Schulmensa Essen zubereiten und ausgeben“, sagt Lehrerin Sybille Neuenroth, „aber das kann im Moment wegen Corona nicht stattfinden. Also sind wir auf die Idee gekommen, Kochvideos zu drehen.“

Ihr Kollege und Profilkompagnon Thomas Wieser wusste auch, wen er dafür ansprechen musste: Marco Reyes de Loredo von der Wilhelmsburger Filmproduktions- und Catering-Firma „Hirn und Wanst“ Der war begeistert, obwohl er sonst die beiden Geschäftsbereiche der Firma nur ungern vermischt, weil, wie er es ausdrückt, „der Koch aus der Muppet-Show nicht zu toppen ist und alles Kochfernsehen danach nur noch Abklatsch.“

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Koch-Projekt wurde überraschend bewilligt

Lehrer und Schüler überlegten sich, was sie kochen wollten, die „Hirn-und-Wanst“-Leute beantragten derweil Projektmittel bei der Stadt. Im Dezember wurden sie bewilligt. Das überraschte und erfreute alle Beteiligten zutiefst. Sybille Neuenroth hatte so wenig an die Finanzierung geglaubt, dass sie die Idee schon fast vergessen hatte. „Und dann hieß es auf einmal, dass wir loslegen!“, sagt sie.

Der erste Drehtag fand in der Lehrküche der Stadtteilschule statt. Hier ist die eigentliche Heimat des Profilkurses, denn gekocht wurde auch in Corona-Zeiten. Nur nicht für die ganze Schule, sondern für jeweils einen halben Kurs. „Der Kurs ist geteilt und die Gruppen kommen abwechselnd in den Präsenzunterricht“, sagt Sybille Neuenroth. „Das sind jeweils elf Schüler. Die teilen sich dann noch einmal auf. Die einen gehen ins Gewächshaus, wo wir eigenes Gemüse ziehen; die anderen kochen für alle. Wenn die Gärtner zurückkommen, wird gegessen. So gibt es wenigstens ein bisschen Lob und Kritik für die Köche.“

Lebensmittelkunde, Chemie und kaufmännisches Rechnen

Theorie gibt es im Profil auch: Neben der Chemie und Biologie der Lebensmittelkunde auch kaufmännisches Rechnen, denn ohne Corona betreiben die Profilschüler auch ein Café in der Mensa. Deshalb gehört in normalen Zeiten auch ein externer Kurs im Kunstvoll-Kaffeekochen mit abschließendem Barista-Zertifikat zum Programm.

In der Lehrküche wurden Hintergrundszenen gedreht. Lukas Schrader, der sonst für „Hirn und Wanst“ Chef der Mensa in der Hochschule für bildende Künste ist, erklärte den Nachwuchsköchen, wie man Essen so zubereitet, dass auch die Augen etwas davon haben und den Appetit fördern.

Im Gourmetrestaurant „Klinker“ geht es an den Herd

Eine Woche später ging es ins „Klinker“. Dessen offene Küche bietet genug Platz zum Drehen und ist coronabedingt verwaist. „Ich war jetzt einmal mit meiner Auszubildenden hier, um ihr etwas Wissen und Praxis zu vermitteln, aber ansonsten ruht der Betrieb“, sagt Marianus von Hörsten. Er war 2017 Weltmeister der Jungköche, hatte zwischendurch den Beruf ganz kurz an den Nagel gehängt und kocht mit seinem Partner Aaron Hasenpusch jetzt so, dass es allen Spaß macht. „Keiner steht länger als acht Stunden in der Küche, an Wochenenden haben wir zu, die Angestellten bekommen ordentliches Geld und wir kochen regional, saisonal und Bio aus der Nordheide. Das hat seinen Preis, aber der ist auch nicht exorbitant, und alle haben Freude.“

Marianus von Hörsten (von rechts) und Aaron Hasenpusch ließen Marco Rexes de Loredo in ihrem Restaurant mit den Schülern drehen.
Marianus von Hörsten (von rechts) und Aaron Hasenpusch ließen Marco Rexes de Loredo in ihrem Restaurant mit den Schülern drehen. © xl | Lars Hansen

In der Küche wird es ernst. Maxi, die männliche Hälfte des Kaiserschmarrn-Teams wird interviewt und gefragt, warum er im Profil ist. „Ich bin Leistungssportler“, sagt er, „und deshalb interessiert mich gesunde Ernährung. Dieses Gericht ist zum Beispiel nur gesund, wenn wir es mit viel frischem Obst anrichten.“

Das tun Maxi und seine Kaiserschmarrn-Kollegin Gamze. Sahne und viel Puderzucker kommen allerdings auch noch hinzu. „Ich mache mit, weil ich bewundere, wie meine Mutter zu Hause die vielen leckeren Dinge zaubert. Und Kaiserschmarrn esse ich besonders gerne.“

Präsentation genauso wichtig wie Geschmack der Gerichte

Etwas gemein ist allerdings, dass Gamze, wie fast alle ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, das für die Kamera gekochte nicht probieren darf. Es ist Ramadan und bis auf Shakira, die Cupcake-Köchin mit kolumbianischen Eltern, sind alle Nachwuchsköche hier Muslime. „Solchen Versuchungen zu widerstehen, gehört dazu“, sagt Gamze. „Das macht mir nichts aus.“

Wenig später dreht die Effekt-Abteilung voll auf: Für die chinesischen Nudeln, die Semir und Basima heute schaukochen, drückt Kameramann Jan Lewandowski zwei anderen Schülern bunte Neonröhren in die Hand, um die Szene interessanter auszuleuchten. Dann wirft er auch noch den Theaternebel an. Semir weicht erschrocken zurück.

Am Ende sind alle Szenen schön im Kasten. Bis Ende Mai sollen sie geschnitten und fertig produziert sein. Nebeneffekt: Zwei Praktikumsbewerbungen bei „Hirn und Wanst“, eine im „Klinker“.