Wilhelmsburg. Domkapitular Bertold Bonekamp macht weiter keine konkreten Aussagen. Immerhin sagt er so viel: Es gibt mehrere Interessenten.
Nach der als Videokonferenz abgehaltenen Sondersitzung des Bürgerschafts-Gesundheitsausschusses zum Wilhelmsburger Krankenhaus Groß Sand (wir berichteten) zeigen sich die Abgeordneten enttäuscht. Eigentlich hatten sie sich vom Vertreter des Erzbistums Hamburg neue Erkenntnisse darüber erhofft, wie es mit der angeschlagenen Klinik weitergeht. Immerhin hatte es geheißen, es gebe mittlerweile einen ernsthaften Interessenten, dem das Bistum das Haus überlassen wolle. Die Hoffnung wurde enttäuscht: Domkapitular Bertold Bonekamp machte dazu keine konkreten Aussagen. Immerhin sagte er so viel: Es gibt Interessenten und zwar so viele, dass man eine engere Wahl getroffen habe.
„Diese Interessenten aus der engeren Wahl sollen bis Mitte März ihre Angebote konkretisieren“, sagte Bonekamp. „Dann wollen wir weiter verhandeln. Unser Ziel ist es, bis Ende Juni einen unterschriftsreichen Vertrag mit einem Interessenten zu haben.“ Der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Michael Weinreich (SPD) ist verärgert: „Ständig wirft das Erzbistum seine eigenen Zeitpläne über den Haufen! Die letzte Aussage gegenüber den Mitarbeitern war, dass sie noch im Januar informiert werden, was die Zukunft bringt. So kann man die Leute nicht hinhalten. Gutes Personal hat Respekt verdient!“
Das Erzbistum Hamburg hatte das Krankenhaus 2016 von der Wilhelmsburger Kirchengemeinde St.Bonifatius übernommen, die sich laut Bonekamp mit der Führung und Finanzierung der Klinik überfordert sah.
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1948 gegründet
In Wilhelmsburg selbst wird das aber anders gesehen. „Das Bistum hat damals das Krankenhaus an sich gezogen, weil es fürchtete, für Verluste der Klinik haften zu müssen“, sagt Michael Weinreich. „Das hatte wenig von Freiwilligkeit und wurde damals sehr kurzfristig zwei Tage vor Weihnachten verkündet.“ Die Gemeinde selbst hatte das Krankenhaus 1948 gegründet. Über den Stadtteil hinaus bekannt ist Groß Sand als Geriatrie-Schwerpunktklinik sowie für seine Hernienchirurgie.
Als kleines Krankenhaus – es hat lediglich 207 Betten – ist Groß Sand im fallzahlbasierten Finanzierungssystem der Kliniken im Nachteil. Dazu kommen hohe Pensionsbelastungen. Beides führt zu einem Investitionsstau, der den Klinikbetrieb einzuschränken droht. „Wir haben das Krankenhaus von der Gemeinde übernommen, weil wir es erhalten wollen“, sagte Bonekamp. „Aber wir müssen feststellen, dass auch wir als Bistum damit überfordert sind, weil wir die Expertise nicht haben. Deshalb suchen wir jetzt jemanden, der das Krankenhaus weiterführt.“
So weit war das den Abgeordneten allerdings lange bekannt. Sie forderten konkrete Aussagen zur Zukunft der Klinik in den kommenden Wochen. „Sie sind es den Wilhelmsburgern schuldig und auch dem Personal“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Claudia Loss, selbst Krankenschwester in Groß Sand. „Je länger die Unsicherheit andauert, desto mehr Beschäftigte werden sich neue Stellen anderswo suchen. Ohne Personal kann auch ein neuer Träger die Klinik nicht weiterführen.“
Renommierter Hernien-Experte verlässt Klinik
Dazu passt eine Personalie: Der Gründer der Hernienchirurgie und Chirurgie-Chefarzt, Wolfgang Reinpold, verlässt Wilhelmsburg Ende März, um in Hamburg ein eigenes Hernienzentrum aufzubauen. Er geht auf eigenen Wunsch betont die Klinik auf der Homepage.
Diesen Wunsch genährt haben könnte allerdings auch, dass die schon lange geplante Modernisierung der Chirurgie in Groß Sand zuletzt immer wieder aufgeschoben wurde. „Die Stadt stellt hierfür Millionenbeträge bereit, aber das Erzbistum ruft sie nicht ab“, ärgert sich Michael Weinreich, „und auch bei der Suche nach einem Käufer sollte sich das Bistum mit den Experten der Sozialbehörde beraten, agiert aber lieber alleine!“
Linke: Krankenhaus in städtischen Besitz überführen
Gudrun Schittek, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, macht die erneute Verzögerung misstrauisch. „Das haben wir mit dem Bistum bei den katholischen Schulen schon ähnlich erlebt und am Ende kam der große Kahlschlag“, sagte sie in der Sitzung. „Aber wir brauchen Groß Sand. Und zwar nicht nur in Wilhelmsburg, sondern im gesamten Hamburger Süden!“
Der Linken-Abgeordnete Deniz Celik wiederholte die Forderung seiner Fraktion, das katholische Krankenhaus in städtischen Besitz zu überführen, indem man es beim Universitätskrankenhaus Eppendorf ansiedelt. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) zeigte sich wenig begeistert von der Idee: „Erstens kann die Stadt das nicht entscheiden, denn Besitzer der Klinik ist das Bistum. Zweitens ist eine freie gemeinnützige Trägerschaft, wie durch Kirchen, ein erträglicher Kompromiss zwischen profitorientierten Privatbetreibern und staatlichem Betrieb und drittens soll Groß Sand möglichst eigenständig bleiben und kein Anhängsel einer großen Uniklinik!“