Hamburg. Das Warenangebot wird in Kisten, Bottichen und Säcken bereitstehen. Kunden lassen sich ihre Einkäufe in mitgebrachte Gefäße abwiegen.

Nahezu eine Vierteltonne wiegt der Verpackungsmüll, der pro Kopf jährlich in der Bundesrepublik Deutschland anfällt. Das meiste davon ist Papier- und Plastikmüll und ein großer Teil dieses privaten Abfallberges ließe sich vermeiden. Drei engagierte Harburgerinnen und Harburger wollen jetzt allen Menschen im Süden Hamburgs Gelegenheit dazu geben und Waren ohne Verpackung verkaufen. Derzeit sammeln Anne Jandke, Frederike Renner und Patrick Mayanja als „Initiative Unverpackt Suederelbe“ im Internet Geld für einen Marktstand.

Ältere Menschen kennen das noch: Senf aus dem Fass, Reis und Nudeln aus der großen Schütte oder Butter am Stück. Mit den kleinen Läden verschwand das. Im Selbstbedienungskonzept der Supermärkte ist es nicht angeraten, jeden Kunden im Mehl schaufeln zu lassen. Bei einigen Produkten hat sich der lose Verkauf allerdings gehalten. „Man sieht das ja auf dem Wochenmarkt“, sagt Anna Jandke von der Unverpackt-Initiative, „hier gibt es Obst, Gemüse, Feinkost, Fisch und Fleisch ohne unnötige Verpackung. Wir wollen hier dazu auch noch das anbieten, was es bislang nicht auf dem Markt und woanders nur in Verpackungen gibt: Nudeln, Müsli, Seifenprodukte; die Palette ist groß!“

Die Kunden bringen Gefäße mit

Das Warenangebot wird hinter dem Markttresen in Kisten, Bottichen und Säcken bereitstehen. Die Kunden bringen Vorratsdosen, Papiertüten oder Schraubgläser mit und lasen sich ihre Einkäufe dorthinein abwiegen.
Etwa ein Drittel der Verbraucher in Deutschland würde gerne mehr unverpackte Ware kaufen können, gibt das statistische Bundesamt an. Diese Daten stammen zwar schon aus dem Jahr 2017, das Bewusstsein der Bevölkerung ist seitdem aber eher noch grüner geworden. Die Verpackungen sind es eher nicht: Papierbecher für das Heißgetränk unterwegs sind eben nicht nur aus Pappe, sondern innen mit Plastik beschichtet. Und im gelben Sack landen alle möglichen Kunststoffsorten durcheinander.

Das sorgt dafür, dass die echte Recyclingquote von Kunststoffmüll eher mau ausfällt: Dies Verpackungsabfallkonvolut nach wiederverwertbaren Stoffen zu trennen, wollen sich die Entsorgungsfirmen nicht zumuten und erklären kurzerhand das schnöde Verbrennen des Plastikmülls zum „energetischen Recycling“. Was so nicht stimmt, denn in die Umwandlung von Erdöl in Plastik fließt weniger Energie, als bei der Verbrennung der Kunststoffe freigesetzt wírd. Vor allem wird bei der Verbrennung von Plastik der hohe Kohlenstoffanteil des Erdölprodukts zum Klimagas CO2 oxidiert.

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Unverpackt-Läden gibt es deshalb schon vereinzelt in Hamburg und in anderen Städten

Plastikmüll nicht zu verbrennen ist auch keine Lösung: Unverbrannter Kunststoffabfall zersetzt sich zu Mikroplastik. Industrieverpackungen aus Kunststoff sind da meistens unproblematischer: Sie fallen in großen Mengen Sortenrein an und lassen sich entweder mit wenig Energieaufwand recyceln oder aber gleich mehrfach verwenden. Würde man vom Verbraucher hingegen erwarten, Verkaufsverpackungen sorten- und am besten farbrein zu trennen, bräuchte man eine Entsorgerschulung und ungefähr vier Dutzend unterschiedliche Abfallbehälter in jedem Haushalt.

Unverpackt-Läden gibt es deshalb schon vereinzelt in Hamburg und in anderen Städten, beispielsweise in Lüneburg oder Buchholz. Im Bezirk Harburg und auch in Wilhelmsburg noch nicht. Das mag daran liegen, dass der Einkommensdurchschnitt hier geringer ist. Denn das ist das Paradoxe: Obwohl die Verpackungskosten entfallen, sind die Waren im Unverpackt-Laden meist teurer. Patrick Mayanja verteidigt das: „Ich habe selbst meine Einkäufe lange nach dem Preis orientiert“, sagt er. „Aber dabei verliert man doch völlig das Bewusstsein dafür, was man eigentlich einkauft. Auch dafür ist das Unverpackt-Konzept gut. Und es handelt sich meistens um hochwertige Ware, die nachhaltig und oft nach Bio-Richtlinien produziert ist.“

Start des Angebots im Frühjahr

Zahlt man also auch ein wenig für sein gutes Gewissen, wie einst im kirchlichen Ablasshandel? Und ist, wie damals, der arme Sünder der sich den Ablass nicht leisten kann, zur Seelenpein verdammt? Keineswegs, sagt Frederike Renner: „Ein Großteil der Kosten entsteht, weil die Logistik der losen Ware noch relativ aufwändig ist. Je mehr Unverpackt-Läden entstehen, desto niedriger werden auch die Preise werden.“

Im Frühjahr wollen die drei anfangen und über die Woche verteilt auf dem Harburger, dem Wilhelmsburger und dem Neugrabener Wochenmarkt stehen. Bis dahin brauchen sie noch einen Verkaufswagen, die Innenausstattung dafür und die Einstandsware. Dafür wollen die Unverpackt-Initiatoren 13.000 Euro Spenden im Internet einsammeln – nicht ganz ohne Gegenleistung: Je nach Spendenhöhe gibt es Warengutscheine, Wagenpatenschaften oder aber auch nur eine Dankes-Email. Kurz vor Weihnachten startete dies so genannte „Crowdfunding“. Am Sonntag waren bereits über 3000 Euro eingegangen. Wer sich beteiligen möchte, hat noch bis Ende Januar Zeit dazu.

Mehr Informationen gibt es unter www.unverpackt-suederelbe.de Die Spendenwebsite findet man unter: www.startnext.com/unverpackt-suederelbe