Hamburg. Beiersdorf-Pilotprojekt in Drogeriemärkten: Akzeptieren Kunden Mehrwegflaschen auch für Körperpflegemittel? Es winkt ein Bonus.

Iain Holding weiß schon, wie es geht. Kaum hat der Geschäftsführer von Nivea Deutschland den Startknopf gedrückt, fließt das Duschgel langsam in die leere Flasche. Dabei blinkt unablässig ein blaues Licht. „Das ist das Nivea-Blau“, sagt Holding. Vorher hatte er das Behältnis unter die Seifenleitung gestellt. 40 Sekunden dauert es, bis die Flasche voll ist. Dann spuckt das Gerät ein Preisetikett aus. Abreißen, auf den vorgezeichneten Platz kleben, fertig. Iain Holding lächelt zufrieden. So wie der Manager können von nächster Woche an auch Hamburger Kunden Nivea-Duschgel selbst nachfüllen. Dafür stellt das Unternehmen in zunächst zwei dm-Märkten sowie in Nivea-Häusern speziell entwickelte Nachfüllstationen auf.

Nivea-Flaschen können drei Mal nachgefüllt werden

Das Ganze ist erst mal ein Test. „Für viele Konsumenten ist die Vermeidung von Plastikmüll ein Thema. Mit der Nachfüllmaschine erproben wir neue Wege“, sagt Holding. Der gemeinsame Test mit der Nummer eins unter den Drogeriemarktketten in Deutschland soll Erfahrungen bringen, welche Lösungen bei einer Kreislaufwirtschaft im Bereich Körperpflege sinnvoll und praktikabel sind. Bis zu dreimal können die Flaschen, die fast vollständig aus recyceltem Kunststoff (96 Prozent) bestehen, wiederbefüllt werden. Danach müssen sie ausgetauscht werden.

„Wir wollen Qualität und Hygienestandards prüfen und sicherstellen“, sagt die Leiterin der Beiersdorf-Entwicklungsabteilung, May Shana’a. Aus ihrem Etat fließt eine Summe im mittleren sechsstelligen Euro-Bereich in das Pilotprojekt. Das Duschgel aus der Nachfüll-Tankstelle hat denselben Preis wie das in einer Einwegflasche im Regal. Sparen kann man ab der vierten Füllung: Als Treuebonus erhalten die Kunden dann eine neue Flasche mit kostenlosem Inhalt. Zur Auswahl stehen zurzeit zwei der meistverkauften Pflegeduschen-Sorten: Nivea Creme Soft und Nivea Creme Sensitive.

Vierte Duschgel-Flasche ist umsonst

Die Idee war 2019 bei einem Mitarbeiter-Workshop entstanden. Im August gab Entwicklungschefin Shana’a das Budget für das Projekt frei. „Wir wollten eine Station, die für die Kunden besonders einfach zu bedienen ist“, sagt Bernhard Felten, Verpackungsexperte des Hamburger Hautpflege-Konzerns. Wichtig war Felten bei der Entwicklung, dass das Duschgel genau in der Flasche landet – und nichts daneben. Dafür hatte der Ingenieur eine Plastikhalterung entworfen, in die die leeren Flaschen fest eingeklemmt werden.

Bernhard Felten hat die Duschgel-Tankstelle für Nivea entwickelt.
Bernhard Felten hat die Duschgel-Tankstelle für Nivea entwickelt. © HA | Michael Rauhe

„Wir glauben, dass unsere Lösung bahnbrechend auf dem deutschen Markt ist“, sagt der 55-Jährige. Auch der Nachfüll-Stopp nach der dreimaligen Nutzung wird über die Maschine geregelt. Je nachdem, wie oft eine Flasche wiederbefüllt wurde, erscheint auf dem Preisetikett eine Zahl zwischen 1 und 3. „So können wir die Geschichte der Flasche nachvollziehen.“ Beim vierten Versuch bekommt der Kunde den Hinweis zum kostenlosen Austausch.

Nachfüllstationen für Hautpflegeprodukte, Haushaltsreiniger und lose Lebensmittel gibt es in Deutschland bislang vor allem in Unverpackt-Läden. In Hamburg gehört Stückgut mit Filialen in Ottensen und in der Rindermarkthalle zu den Pionieren. Inzwischen gibt es mehr als ein halbes Dutzend Anbieter. Gerade hat mit Muttels Unverpackt ein weiterer Laden ohne Verpackungen in Winterhude eröffnet. Auch in Bio-Geschäften gibt es Nachfüllstationen für einzelne Artikel, in Ottensen seit einigen Monaten die erste Unverpackt-Drogerie Lavatara, in der allein Pflegeprodukte und Reinigungsmittel zum Nachfüllen angeboten werden.

Rossmann und dm testen Unverpackt-Lösungen

Angesichts steigender Mengen von Plastikverpackungsmüll ist der Nachfülltrend inzwischen auch bei großen Drogeriemarktketten angekommen. Rossmann testet das Verfahren in Tschechien. Partner ist Hersteller Henkel, unter anderem gibt es Fa-Seife, Pril-Geschirrspül- und Persil-Waschmittel für Selbstabfüller. Konkurrent dm hat 24 Filialen in Österreich mit Nachfüllstationen für Bio-Wasch- und -Geschirrspülmittel ausgestattet. Weitere sollen folgen.

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Dass jetzt der Hautpflege-Riese Beiersdorf auf den Zug aufspringt, gibt der Entwicklung neuen Schub. Im Frühjahr hatte der DAX-Konzern sich eine neue Nachhaltigkeitsagenda verordnet. Beiersdorf will bis 2025 nur noch wiederverwendbare und recyclingfähige Verpackungen einsetzen. Konkreter wird es beim Anteil von Neuplastik auf Erdölbasis bei Verpackungen. Er soll bis 2025 um 50 Prozent gesenkt werden. Der Anteil von recyceltem Material soll zugleich auf 30 Prozent steigen.

50 Prozent weniger Neu-Plastik in Beiersdorf-Verpackungen

Bis Ende 2020 – so hat es sich Beiersdorf vorgenommen – sollen 90 Prozent aller PET-Flaschen aus dem Unternehmen in Europa auf recyceltes Plastik umgestellt werden. Dadurch lassen sich nach eigenen Angaben 1200 Tonnen Neu-Plastik pro Jahr einsparen. Anfang dieses Jahres hatte Nivea bereits eine Recyclingaktion mit Budnikowsky gestartet. Dabei konnten Verbraucher gebrauchte Nivea-Flaschen zurückgeben. Konkrete Angaben über die Rückgabe-Mengen will das Unternehmen allerdings nicht preisgeben. Im Oktober soll eine Limited Edition Nivea Dusche aus 100 Prozent recyceltem Material der zurückgegebenen Flaschen in den gut 180 Budni-Filialen erhältlich sein.

Größere Anstrengungen, die mehr als 800 unterschiedlichen Grundstoffe seiner etwa 20.000 Produkte umweltverträglicher zu machen, unternimmt Beiersdorf auch bei seinen Marken Eucerin und Hansaplast sowie bei der Luxusmarke La Prairie. So hatte das Unternehmen 2015 feste Mikroplastik-Partikel aus allen Peelingartikeln verbannt. Bis 2021 soll die Marke Nivea komplett frei von Mikroplastik sein, für Eucerin ist das bis 2023 geplant. Bei einem anderen Umwelt-Aufreger, der Verwendung von Palmöl, will Beiersdorf bis Ende des Jahres nurmehr hundertprozentig nachhaltiges Palmöl einsetzen. Bis 2025 sollen alle erneuerbaren Rohstoffe aus nachhaltigen Quellen kommen. Das Duschgel aus der Nachfüllstation sei bereits umweltverträglicher als das Original und zu 98 Prozent biologisch abbaubar, betont Forschungschefin May Shana’a.

Nachfüllen in Hoheluft, Eppendorf und der City

„Die Nachfüllstationen sind ein weiterer Schritt. Und ein Test, ob die Kunden bereit sind für Mehrweglösungen im Körperpflege-Segment“, sagt die 59-Jährige, in deren Bereich 900 Beschäftigte arbeiten. In der auf sechs bis acht Monate angelegten Pilotphase konzentriert sich Beiersdorf stark auf Hamburg. Die Nachfüllstationen stehen ab Dienstag in den dm-Märkten in der Hoheluftchaussee und an der Eppendorfer Landstraße sowie in den Nivea-Häusern am Jungfernstieg und in Eppendorf. Weitere Standorte sind eine dm-Filiale nahe Karlsruhe und das Nivea-Haus in Berlin.

Nivea-Geschäftsführer Ian Holding an dem Nachfüllautomaten für Duschgel.
Nivea-Geschäftsführer Ian Holding an dem Nachfüllautomaten für Duschgel. © HA | Michael Rauhe

Je nachdem, wie die Kunden das Experiment annehmen, hält Nivea-Manager Iain Holding eine Ausweitung des Netzes für möglich. Auch weitere Artikel könnten dazukommen. „Es ist eine gute Lösung für Produkte, die häufig benutzt werden und viel Volumen haben“, sagt der 61-jährige Brite, der schon mehr als dreißig Jahre für den Konzern arbeitet und seit 2013 die Nivea-Geschäfte führt. Die Zukunft der Nachfüllstationen sieht er äußerst optimistisch. „Das hat das Potenzial für eine Trendwende.“