Jork. Senat beschließt Umzug der Jugendstrafanstalt nach Billwerder. Nachdenken über eine touristische Nutzung im Landkreis Stade.
Als Hamburg 1913 auf Hahnöfersand die ersten Gefängnisinsassen unterbrachte und wenige Jahre später eine Jugendstrafanstalt dort einrichtete, erschien die Abgeschiedenheit der Elbinsel noch als ideal für diesen Zweck. Doch inzwischen gilt die Lage weit weg von der Stadt als wenig geeignet für eine gelungene Resozialisierung und auch die Gebäude sind teils arg marode. Seit einigen Jahren gibt es daher Pläne der Justizbehörde für einen Neubau in Billwerder, die vom Senat jetzt (wie berichtet) offiziell gebilligt wurden. Doch was passiert dann mit Hahnöfersand? Immerhin ist die durch einen Damm mit dem Festland verbundene Halbinsel mit Versorgungsleitungen und einer Straßenzufahrt voll erschlossen.
Grundeigentümer dort ist die Stadt Hamburg
Grundeigentümer dort ist die Stadt Hamburg, das Areal gehört aber zu Niedersachsen, konkret zum Landkreis Stade und der Gemeinde Jork, die auch das eigentliche Planungsrecht hätte. Noch ist Hahnöfersand im Jorker Flächennutzungsplan als Sondergebiet für die Justizvollzugsanstalt (JVA) ausgewiesen.
„Wir werden jetzt auf Hamburg zugehen“
Was nach dem geplanten Umzug nach Billwerder passiert, ist derzeit völlig offen, heißt es dazu in der Hamburger Justizbehörde. „Noch ist nichts beschlossen“, sagte ein Behördensprecher dem Abendblatt. Allerdings gibt es auf niedersächsischer Seite bereits erste, grobe Vorüberlegungen. Nach der Senatsentscheidung am Dienstag trafen daher auch Vertreter von Gemeinde und Landkreis zu dem Thema bereits zusammen, um über das künftige Vorgehen zu beraten. „Wir werden jetzt auf Hamburg zugehen, um gemeinsam etwas zu entwickeln“, sagt dazu die Stader Kreisbaurätin Madeleine Pönitz, die gute Kontakte in die Hamburger Behörden haben dürfte. Vor ihrem Job in Stade war sie in leitender Funktion in der Hamburger Wirtschaftsbehörde tätig. Sicherlich werde Hamburg einen Teil der Insel auch als Natur-Ausgleichsfläche für den Neubau in Billwerder benötigen, vermutet sie. Aus Sicht von Gemeinde und Landkreis sei aber auch eine touristische Folgenutzung gut denkbar, so die Kreisbaurätin.
Ein „touristisches Leuchtturmprojekt“?
Das sieht auch der parteilose Jorker Vize-Bürgermeister Matthias Riel so, der im November auf den Chefsessel im Jorker Rathaus wechseln wird. Wünschenswert, so Riel, wäre hier ein „touristisches Leuchtturmprojekt“. Immerhin befinde sich die Insel in „traumhafter Lage“ an einem Nebenarm der Elbe.
Tatsächlich ist die Hahnöfer Nebenelbe durch die Elbinseln Hanskalbsand und Neßsand vom eigentlichen Fahrwasser der Elbe getrennt. Paddler, Segler und Motorbootfahrer sind dort zu sehen – und etliche Wasservögel. Auf den Wattflächen ruhen sich bei Ebbe auch immer wieder einige Seehunde aus. Die Elbe präsentiert sich hier in Sichtweite der Hafenkräne eben noch als ein ruhiger Fluss in den Weiten der Marschen und Obstbauflächen des Alten Landes. Ein Hotel, Ökotourismus, Golfsport – vieles sei dort denkbar, sagt Riel. Selbst eine Öffnung zum Wasser sei möglich, weil es dort noch eine alte, kleine Hafenanlage gebe. Zudem dürfte auch Hamburg an einer „wirtschaftlichen Folgenutzung“ interessiert sein, vermutet Riel. Noch aber gebe es aufseiten der Gemeinde keine Pläne. Riel: „Nachdem der Umzug der JVA jetzt offensichtlich klar ist, wird es aber bald zur Zukunft von Hahnöfersand Gespräche geben – und dann wird man sehen.“
Uferbereich ist seit 2008 Naturschutzgebiet
Dabei dürfte dann auch der Naturschutz eine wesentliche Rolle spielen. Der Uferbereich von Hahnöfersand ist bereits seit 2008 Naturschutzgebiet und seit einigen Monaten auch Teil des großen EU-Naturschutzgebiets „Elbe und Inseln“. Als Ausgleichsmaßnahme für die teilweise Zuschüttung des nahen Mühlenberger Lochs für das Airbuswerk wurden zudem die östlichen und westlichen Teile künstlich durch Abtragungen in Watt umgewandelt. Bei Flut steht daher heute etwa die Hälfte von Hahnöfersand unter Wasser. Nur bei Ebbe zeigt dann ein Leitdamm aus Steinen, dass hier Wasser- und Wattflächen künstlich geschaffen wurden.
Insel ist seit 1902 in Besitz der Stadt
Seit 2015 wird nun in Hamburg schon über die Zukunft der Elbinsel nachgedacht, die immerhin bereits seit 1902 in Besitz der Stadt ist. Eine Art Vorentscheidung gegen eine Zukunft als JVA-Gelände fiel dann mit der Verlegung der dort bis dahin ebenfalls untergebrachten Frauenhaftanstalt nach Billwerder. Aktuell sind auf Hahnöfersand noch etwa 120 junge Gefangene in Haft.
Eine für den Weiterbetrieb notwendige Sanierung der historischen Gebäude wurde in der Justizbehörde mit rund 16,5 Millionen Euro kalkuliert. Ein ähnlicher Betrag wäre zusätzlich für eine Modernisierung der Anstalt notwendig, hieß es Anfang des Jahres. Der Senat stimmte daher nun dem Neubau in Billwerder zu, der nach Behördenangaben in Straf- und Untersuchungshaft 200 Plätze aufweisen und rund 164 Millionen Euro kosten soll. Die neue Anstalt soll 2026/27 ihren Betrieb aufnehmen.
Entstanden ist Hahnöfersand vermutlich nach der großen Cäcilienflut im Jahr 1412, als die spätere Insel vom Festland regelrecht abgetrennt wurde.
Eine Legende besagt, dass nach der verheerenden, mittelalterlichen Sturmflut nur noch eine Kirchturmspitze mit einem Hahn auf der Spitze aus dem Wasser geschaut hatte, was dann zu der Bezeichnung „Hahn über dem Sand“ geführt habe.
1902 kaufte die Stadt Hamburg die Elbinsel von der preußischen Domänenverwaltung und lagerte dort zunächst aus dem Hafen gebaggerten Sand – deshalb liegt die ehemalige Insel heute noch gut acht Meter höher als das Alte Land drumherum.
1911 wurde die Insel an die Hamburger Gefängnisverwaltung übergeben, seit 1920 sind dort jugendliche Gefangene untergebracht. Die älteren Backstein-Gebäude stammen daher aus den 20er-Jahren und sind von Hamburgs legendären Oberbaudirektor Fritz Schumacher entworfen worden. Gut möglich, dass dort der Denkmalschutz auch noch ein Wort mitredet.
1976 wurde Hahnöfersand eingedeicht und dadurch wieder mit dem Festland verbunden. 1997 kam ein geschlossener Vollzug für Frauen hinzu, der aber bereits nach Billwerder verlegt worden ist.