Hamburg. Die Anlage soll 164 Millionen Euro kosten. Strafvollzugsexperte befürchtet „steingewordenen Riesenirrtum“.

Über die Kosten für die geplante Jugendanstalt in Billwerder ist eine heftige Diskussion entbrannt. Wie berichtet, sollen die Gesamtbaukosten für die Anlage mit 200 Haftplätzen laut der Planung der Justizbehörde bei 164 Millionen Euro liegen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass der sehr ähnliche Bau der U-Haftanstalt Gablingen bei Augsburg lediglich 100 Millionen Euro gekostet hat. „Woher stammen die Kostendifferenzen? Bayern hat für 600 Haftplätze 100 Millionen Euro gezahlt, in Hamburg sollen für nur 200 Haftplätze ganze 164 Millionen Euro ausgegeben werden“, sagt die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein.

Der Hamburger Strafvollzugsexperte Prof. Bernd Maelicke geht einen Schritt weiter. Er befürchtet einen „steingewordenen Riesenirrtum“. Mit Blick auf die Kosten für die Jugendanstalt sagt Maelicke: „Jetzt ist eine Denkpause angesagt und nach der Bürgerschaftswahl ein Neustart. Um die vorhandene Anstalt Hahnöfersand zu einem wirklichen Modell zu machen, reichen 50 Millionen Euro mehr als aus.“

Bürgerschaft hatte 2018 Neubau beschlossen

Die zentrale Frage sei, wie es sein könne, „dass eine Jugendanstalt ausgeschrieben wird und ein Angebot den Zuschlag erhält, das fast identisch ist mit einer gerade fertiggestellten U-Haftanstalt für erwachsene Männer in Bayern“. Für den Jugendvollzug seien mit Blick auf Resozialisierungsangebote andere bauliche Voraussetzungen erforderlich als für eine U-Haftanstalt. Maelicke fordert eine Anhörung unabhängiger Experten im Justizausschuss der Bürgerschaft. Die Bürgerschaft hatte im April 2018 im Rahmen des sogenannten Justizvollzugsfriedens einstimmig den Neubau einer Jugendanstalt angrenzend an die Justizvollzugsanstalt (JVA) Billwerder beschlossen. Die Alternative – Sanierung und Modernisierung der bestehenden Jugendanstalt Hahnöfersand (Landkreis Stade) – wurde verworfen.

„Es lohnt sich, auf Kurs zu bleiben“, sagt Urs Tabbert, justizpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Berechnet auf einen Zeitraum von 30 Jahren sei der Neubau kostengünstiger als der Erhalt von Hahnöfersand. Aufgrund der Bauweise und der gemeinsamen Mauer mit der JVA werde zudem weniger Personal zur Überwachung benötigt. Nach Abendblatt-Informationen liegen die Basisbaukosten für Billwerder bei knapp 100 Millionen Euro. Hinzu kommen Preissteigerungen und Kostenvarianzen in Höhe von rund 30 Millionen Euro hinzu. Die Baunebenkosten schlagen mit knapp 22 Millionen Euro zu Buch.