Hamburg. Zwei Monate nachdem Mohamed J. erschlagen wurde fehlt eine heiße Spur. War dessen politisches Engagement das Tatmotiv?
Nach der Vernehmung von zwei Verdächtigen im Mordfall Mohamed J. setzt die Polizei weiter auf die Auswertung von Spuren. Unter anderem wurden bei den Verdächtigen technische Geräte sichergestellt, die nun ausgewertet werden. Zudem wurde am Tatort in der Harburger Fußgängerzone eine „erweiterte Spurensicherung“ durchgeführt. Dabei wurde noch einmal nach DNA, Fingerabdrücken oder anderen Spuren gesucht.
Der 48 Jahre alte Apotheker war am 15. Januar in einem Haus an der Lüneburger Straße angegriffen worden und durch Schläge mit einer Axt und vermutlich einem Hammer so schwer verletzt worden, dass er starb. Es sind zwei syrische Landsleute des Getöteten, die Ende Februar in das Visier der Mordkommission geraten sind. Sie sind, wie das Opfer, Unternehmer. Beide sollen, wie auch andere Geschäftspartner des Apothekers, nach Erkenntnissen der Ermittler Streit um Geld oder Verträge mit dem 48-Jährigen gehabt haben.
Verdächtige weiter auf freiem Fuß
Die Polizei hatte neben den Geschäftsräumen, die der Getötete an die Männer vermietet hatte, auch die Wohnungen der Männer in den Stadtteilen Finkenwerder und Heimfeld durchsucht. Dabei waren unter anderem technische Geräte sichergestellt worden. In der Regel sind das Handys oder Computer, die die Ermittler durch Spezialisten auslesen lassen.
Die Vernehmungen der beiden Verdächtigen hatten die Mordkommission nicht weiter gebracht. Der Tatverdacht konnte nicht weiter erhärtet werden. Das wäre die Voraussetzung für die Staatsanwaltschaft gewesen, einen „dringenden Tatverdacht“ zu begründen und einen Haftbefehl zu erwirken. Beide Männer sind weiter auf freiem Fuß.
Haus mit dem Tatort ist versiegelt
Ende Februar war noch einmal die Spurensicherung in der Lüneburger Straße angerückt. Dort hatten die Spezialisten noch einmal das Haus, in dem die Tat geschah, nach Spuren abgesucht. Das Gebäude ist eines von drei dicht beieinander liegenden Geschäftshäusern, die der 48-Jährige dort besaß. In einem hatte Mohamed J. seine Apotheke. Sie liegt gegenüber des Gebäudes, in dem er attackiert wurde.
Das Haus mit dem Tatort ist seit dem 15. Januar beschlagnahmt und versiegelt. Das sanierte Gebäude steht leer. Da der Tatort nicht Witterungseinflüssen ausgesetzt ist und das Gebäude in der Zwischenzeit nicht betreten wurde, konnte noch einmal an Stellen nach Spuren gesucht werden, an denen zunächst nicht geschaut worden war.
Fahndung nach zwei Männern ohne Ergebnis
Tatsächlich sucht die Spurensicherung an Tatorten in der Regel nicht flächendeckend nach Spuren wie DNA-Trägern, Fingerabdrücken oder Fasern. Das ist in der Praxis kaum umsetzbar. Es werden gezielt Bereiche ausgesucht, an denen entsprechende Spuren vermutet werden.
Ohne Ergebnis verlief eine Fahndung nach zwei Männern, die am Tattag im Bereich der Harburger Fußgängerzone aufgefallen waren. Es handelte sich um einen größeren und einen kleineren Mann, die eine Axt und einen Hammer dabei gehabt haben sollen. Nach ihnen war bereits frühzeitig, auch mit Hilfe der Öffentlichkeit gesucht worden. Konkrete Hinweise gingen nicht ein. Auch die Sichtung von Aufnahmen aus Überwachungskameras in der Umgebung brachte kein Ergebnis.
Getöteter Apotheker engagierte sich bei der Partei BIG
Unklar ist das Motiv der Tat. Mohamed J. setzte sich für syrische Flüchtlinge ein. Dazu hatte er den Verein „Union der Syrer im Ausland e.V.“ gegründet, der seinen Sitz in dem Haus hatte, in dem die Tat geschah. Während der Flüchtlingskrise engagierte er sich beim DRK, um dort Helfer über die Sitten und Gebräuche in seiner Heimat zu informieren.
Mord an Apotheker: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Beim DRK hat man ihn als eloquenten, intelligenten Menschen in Erinnerung, der die Ereignisse in seiner Heimat „differenziert“ sah. Gegenüber Mitarbeitern des DRK bezeichnete er sich auch als Mitglied einer syrischen „Schattenregierung“ mit Sitz in Paris, bei der er einen Ministerposten gehabt haben will. Von solchen „Schattenregierungen“ gibt es mehrere. Nahezu unbekannt war sein Engagement bei der Partei BIG, die ihm als „langjähriges Mitglied“ einen Nachruf widmete.
Partei BIG fiel wegen religiös konservativen Haltung auf
BIG ist eine Kleinpartei, die sich für Muslime und Migranten in Deutschland einsetzt. BIG ist die Abkürzung für „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“. Nach außen verfolgt die Partei Ziele wie „Integration“ oder „Chancengleichheit“. Sie entstand aus einem Zusammenschluss mehrerer Splittergruppen, darunter auch die „Muslimisch-Demokratischen Union“, die im Visier des Verfassungsschutzes war.
Die Partei bestand zu einem nicht unerheblichen Teil aus Mitgliedern einer Familie, aus deren Reihen auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Webseite „Muslim-Markt“ betrieben wird. Die Partei BIG fiel abseits des offiziellen Wahlprogramms wegen ihrer religiös konservativen Haltung auf und polemisierte mehrfach gegen Homosexualität.
Getöteter Mohamed J. war nicht überall beliebt
Kurz nach dem gewaltsamen Tod des 48-Jährigen, der bereits länger in Deutschland lebte und mit Frau und Kindern an einer der besten Adressen der Stadt in Harvestehude in einer Villa wohnte, hatte die Partei um ihren „Freund“ und ihr „Mitglied“ getrauert. Das Umfeld des getöteten Apothekers hatte bereits kurz nach seinem Tod sein politisches Engagement als Motiv für die Tat gesehen und als Täter Handlanger des syrischen Geheimdienstes benannt. Das Opfer selbst wurde in diesem Zusammenhang auf Plakaten, die im Bereich des Tatortes aufgehängt wurden, als „Held“ und Märtyrer“ bezeichnet.
Nachdem die beiden Landsleute des 48-Jährigen in Verdacht gerieten, wurde auch hier ein politisches Motiv genannt. Dabei ging es um Verwandte der Verdächtigen, die angeblich in der syrischen Armee und damit Unterstützer des Assad-Regimes seien, weswegen man Streit gehabt habe. Die Polizei hat dafür keine Belege.
Dort geht man auch anderen Arbeitsthesen nach. Im geschäftlichen Umfeld war der Mohamed J. längst nicht überall beliebt. Oft soll es Streit um Geld gegeben haben. Deswegen, so heißt es von einem Anwalt aus dem Umfeld des Opfers, seien viele Prozesse geführt und auch immer wieder verloren worden. Auch mit der Polizei soll der 48-Jährige in der Vergangenheit zu tun gehabt haben. Mehrfach war gegen den Mann ermittelt worden. Dabei ging es um die „Vorenthaltung von Arbeitsentgeld“ oder die Polizei war eingeschaltet worden, weil sich Menschen von dem 48-Jährigen betrogen fühlten.
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