In unserer großen Serie beschreiben Menschen ihr Wohnquartier, erzählen, warum sie es mögen und was sie stört. Heute, in Teil 10, sagt Hannelore Meyer: Ich bin Hittfelderin.

Hittfeld kann sich sehen lassen. Im Zentrum thront auf einem Hügel die alte Mauritius-Kirche aus Ziegeln und Feldsteinen, flankiert vom hölzernen Glockenturm und beschattet von knorrigen Eichen. Wenn Hannelore Meyer mit dem Fahrrad zum Einkaufen fährt und sich an der Kaisereiche der Blick in die Kirchstraße eröffnet, geht ihr das Herz auf, jedes Mal wieder. „Unser Ortskern hat etwas Erhabenes“, sagt die 68-Jährige.

Als sie vor 50 Jahren zur Ausbildung in „ländlicher Hauswirtschaftslehre“ hierher kam, fühlte sie sich sofort wohl. Das Dorf war so, wie die gebürtige Altländerin es von zu Hause kannte: Geprägt von großen Bauernhäusern mit Fachwerk und hohen Strohdächern. Ganz so idyllisch wie vor einem halben Jahrhundert ist Hittfeld allerdings nicht mehr. Das ehemalige Wohnhaus des Meyermanns-Hofs, auf dem Hannelore als junge Frau lernte, beherbergt heute Gemeinde-Büros. Wo einst der Meyermannsche Garten lag, befindet sich der Bauhof. Und auf den Ländereien jenseits der Straße liegt jetzt das Veranstaltungszentrum „Burg Seevetal“ mit seinem riesigen gepflasterten Parkplatz.

Hittfeld ist zwar Verwaltungssitz einer der flächenmäßig größten Gemeinden Deutschlands, hat aber immer noch dörfliches Ambiente. „Der Hilken-Hof steht noch, Krügers Scheune, das Hotel Krohwinkel, der „Hundertjährige“ und natürlich unser Hof: Peets Meyer“, zählt Hannelore Meyer auf. Sie ist mit einem der ehemaligen Hittfelder Bauern verheiratet. Landwirtschaft betreibt Hermann Meyer schon lange nicht mehr. Er hat seine Flächen verpachtet, zum großen Teil an eine Baumschule. Keiner seiner drei Sprösslinge hätte den Hof übernehmen wollen. Aber im Ort geblieben sind alle. Denn Hittfeld ist äußerst beliebt bei jungen Familien. Das liegt an der verkehrsgünstigen Lage mit Autobahnanschluss nahe des Horster Dreiecks. Und wenn es auf der A1 mal wieder staut, ist man auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln im nu in Harburg oder der Hamburger City, Bus und Metronom sei Dank. Tickets sind günstig, denn Hittfeld gehört zum Bereich des HVV.

Dabei müssen Hittfelder ihren Ort eigentlich gar nicht verlassen. Die Versorgung könnte besser kaum sein. Es gibt mehrere Discounter und einen großen inhabergeführten Supermarkt, zusätzlich eine traditionsreiche Schlachterei, mehrere Bäcker, Drogerie, Apotheken, Optiker, Bank und Sparkasse. Dazu zwei Tankstellen, Blumengeschäft, Goldschmiede, Buchladen, Papierwaren, Schuhgeschäft, kleine Boutiquen. Nicht weniger als acht Friseure und zehn Restaurants, Haus- und Fachärzte – alles auf engstem Raum. Ein Gewerbegebiet am Ortsrand ergänzt das Angebot. Dort liegt zudem das RIC, ein Veranstaltungszentrum, in dem einmal monatlich Kabarett, Konzert, Theater oder Musical stattfindet. Die Hittfelder werden außerdem mit dem kulturellen Angebot der „Burg Seevetal“ und Kirchenmusik verwöhnt.

Für die Kleinen ist gesorgt. Es gibt mehrere Kindergärten mit insgesamt 514 Vormittagsplätzen, 185 Nachmittagsplätzen und 471 Ganztagsplätzen – rechnerisch ein Überangebot. Trotzdem wird gerade eine weitere Kita gebaut. Die Grundschule liegt mitten im Dorf, Gymnasium, Realschule und integrierte Gesamtschule am Ortsrand gleich neben dem Hallen- und Freibad.

Dazu bieten Vereine ein breites Spektrum an Freizeitaktivitäten. Es gibt den TSV Eintracht Hittfeld mit vielen sportlichen Sparten, den Tennis- und den Golfclub, die Laien-Theatergruppe „Hittfelder Speeldeel“ sowie den Landfrauenverein mit mehr als 300 Mitgliedern. Einzig die Schützen beklagen Nachwuchsprobleme.

Besonders rege ist das geistig-religiöse Leben. Hannelore Meyer gehört schon seit 15 Jahren dem Vorstand der evangelisch-lutherischen Kirche an. „Ich möchte die Gemeinschaft mitgestalten“, sagt sie. Diese Einstellung teilen viele Hittfelder. Jugendliche engagieren sich als Betreuer beim Konfirmandenunterricht, Frauen und Männer singen im Kirchenchor oder besuchen Senioren, damit diese nicht vereinsamen. Unter den Engagierten sind auch relativ kirchenferne Menschen, die aber das Bedürfnis verspüren, christliche Werte zu leben. Hannelore Meyer begrüßt es sehr, dass der Glaube bei vielen Hittfeldern mehr ist als ein Lippenbekenntnis. „Suchet der Stadt Bestes“ ist auf der Rückseite des Findlings zu lesen, der zur 900-Jahr-Feier des Ortes aufgestellt wurde. Sie liebt diesen alttestamentarischen Bibelspruch. „Für mich bedeute das: Kümmert Euch um das Gemeinwohl“, sagt Hannelore Meyer.

Dazu gehört für die 68-Jährige auch der Erhalt des örtlichen Friedhofs. Sie ist Mitglied des Ausschusses, der sich zum Ziel gesetzt hat, Hittfelds letzte Ruhestätte zu einem Ort des Gedenkens und Friedens zu machen. Es gilt, die Zukunft des Gottesackers zu sichern, dem Friedwälder zunehmend Konkurrenz machen. Beerdigung unter Bäumen ist bereits möglich, zurzeit entsteht ein „Garten der Geschichte“. „Es braucht Anpassung an den Wandel der Bestattungskultur“, sagt Hannelore Meyer.

Ihr liegen aber nicht nur ernste Themen am Herzen. Über Jahre hat sie sich mit einem Kuchenstand beim Dorffest eingebracht. Schon aus Wertschätzung für die Organisatoren vom Gewerbeverein, die das Riesenspektakel alljährlich auf die Beine stellen. Einsatzbereitschaft imponiert ihr seit jeher. Und sie findet: Auch in diesem Punkt kann sich Hittfeld in jedem Fall sehen lassen.