Hamburg. Das Abendblatt stellt in einer Serie vor, was die sieben Hamburger Bezirke im Jahr 2016 planen. Teil 7: Harburg.
Über Harburg schreibt der Entertainer Heinz Strunk in seinem Buch „Fleisch ist mein Gemüse“: „Es gibt Orte, die sollte man früh verlassen, wenn man noch etwas vorhat im Leben.“ Der Autor, aufgewachsen im Harburger Stadtteil Langenbek, trifft damit einen Nerv – und provoziert Widerspruch. Kann schon sein, dass manche ihm beipflichten, „das schöne, große, eigentliche Hamburg“ liege auf der anderen Seite der Elbe. Aber die Mehrheit der 157.000 Menschen in dem Bezirk verbindet ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl. Und das muss und soll 2016 weiter wachsen und die einbinden, die in Harburg ein neues Zuhause finden. „Die eigentliche Herausforderung ist nicht die Unterbringung von Flüchtlingen“, sagt Bezirksamtsleiter Thomas Völsch (SPD): „Der entscheidende Punkt ist die Integration.“
Mehr als 4200 Flüchtlinge leben bereits in Harburg, für weitere 4000 muss in diesem Jahr Platz geschaffen werden. Es ist eine Mammutaufgabe, vor der der Bezirk steht, der jetzt schon fast doppelt so viele Flüchtlinge aufgenommen hat wie Eimsbüttel, Wandsbek oder Hamburg-Nord. In Neugraben-Fischbek entsteht in vier Bauabschnitten ein neuer Stadtteil, in dem neben Einzel- und Doppelhausbebauung mit 1250 Wohneinheiten künftig auch insgesamt 3000 Flüchtlinge leben sollen. Die ersten beziehen bereits in diesen Tagen sogenannte Modulbauten (1) – nur einen Steinwurf entfernt von dem ehemaligen Obi-Markt (2), in dem seit September 460 Flüchtlinge untergebracht sind.
Unabhängig von der Flüchtlingsproblematik werde sich der Stadtteil Neugraben-Fischbek massiv verändern. In absehbarer Zeit werden dort 10.000 Menschen mehr leben, sagt Völsch. Die IBA Hamburg GmbH als Entwickler des neuen Wohnquartiers Vogelkamp berichtet von großem Kaufinteresse, trotz der Flüchtlinge in unmittelbarer Nachbarschaft: „Vor allem aus dem Norden der Stadt gibt es viele Anfragen“, sagt Völsch: „Die Preise sind unschlagbar niedrig.“
Wichtig sei es nun, in Verhandlungen mit den Fachbehörden die erforderliche Infrastruktur zu schaffen: „Es fehlen Schulen, Kindergärten, Sportflächen“, sagt Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU und kleiner Koalitionspartner der SPD. Er und Völsch wissen, dass Neugraben-Fischbek noch lange Zeit auf ihrer Agenda bleiben wird. Unter anderem wegen der Bürgerinitiative „NEIN zur Politik – JA zur Hilfe“, die zu denjenigen gehört, die dort die Entstehung eines Gettos fürchten.
Weitere Flüchtlingsunterkünfte sind am Neuenfelder Fährdeich (462 Plätze) (3) und an der Cuxhavener Straße (196) (4) geplant. Das Wohnschiff „Transit“ (216), das im Februar am Kanalplatz im Binnenhafen festgemacht hat, soll dort fünf Jahre lang liegen bleiben.
Ebenfalls auf fünf Jahre angelegt ist das Projekt „Lokale Partnerschaft in Harburg“, das jedes Jahr erneut mit 55.000 Euro gefördert wird, die aus dem Bundesprogramm „Demokratie Leben!“ stammen. Das Geld wird eingesetzt, um die Vernetzung der ehrenamtlichen Helfer zu fördern und die Arbeit der Aktiven vor Ort besser zu koordinieren – in diesem Jahr vor allem in Neugraben-Fischbek.
Stolz ist Bezirkschef Völsch auf die Entwicklung des Binnenhafens: „Da haben wir eine bunte Mischung hingekriegt.“ So entstehen am Schellerdamm (5) 200 öffentlich geförderte Sozialwohnungen und an der Theodor-Yorck-Straße 140 frei finanzierte Wohnungen. Zudem ist der Binnenhafen als Fördergebiet des Städtebaulichen Denkmalschutzes und die Harburger Schlossinsel als Stadtumbaugebiet festgelegt worden: Für die Sanierung der ehemaligen Hilke Likörfabrik am Karnapp (6) soll es 1,3 Millionen Euro Zuschuss geben. Dort soll das entstehen, was Völsch ein Technologie-Quartier der TU Harburg nennt.
Frisch bezogen wurde inzwischen das neue Studentenwohnheim am Schellerdamm 1 (7). Und auch für den Veritas Beach Club ist ein neuer Standort gefunden – er zieht vom Schellerdamm ein paar Meter weiter an den Treidelweg (8): „Der Vertrag läuft über fünf Jahre“, sagt Thomas Völsch. Am bisherigen Standort des Clubs soll ein Hotel gebaut werden. Mit den Vorarbeiten soll in diesem Jahr begonnen werden. Auch im alten Harburger Schloss an der Bauhofstraße (9) tut sich was: Im Keller ist eine Depandance des Helms-Museums (Archäologisches Museum Hamburg) geplant.
Was lange währt, wird endlich gut? In Zusammenhang mit der neuen Drehbrücke zwischen Kanalplatz und Lotsekai/Schlossinsel (10) ist das jedenfalls die große Hoffnung, nicht nur des Harburger Bezirkschefs. Völsch geht davon aus, dass die Brücke nun tatsächlich im Februar für Fußgänger und den Radverkehr freigegeben wird. Ursprünglich sollte das 3,6 Millionen teure Bauwerk schon 2013 zur Internationalen Bauausstellung fertiggestellt sein: „Aber es steckte von Anfang an der Wurm drin“, sagt Völsch. Erst war da die falsche Rostschutzfarbe, dann gab es Probleme beim Transport, und beim Einbau bzw. der Anpassung der rund 46 Meter langen Brücke haperte es schließlich an sechs Zentimetern. „Die Drehbrücke“, sagt Völsch, „ist so was wie unsere kleine Elbphilharmonie.“
Wie überall in Hamburg, kommt dem Wohnungsbau in Harburg besondere Bedeutung zu. Im Fischbeker Heidbrook auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne (11) laufen die Erschließungsmaßnahmen. Geht alles nach Plan, könnten die ersten Grundstücke Ende 2016 bebaut werden. Bereits vom Sommer 2016 an kann im Bereich Vogelkamp Neugraben begonnen werden.
Außerdem starten die Arbeiten am Bebauungsplan Sandbek-West (12) . Dort sollen überwiegend öffentlich geförderte Wohnungen entstehen. Weitere Projekte sind geplant an der Denickestraße/Thörlweg (13) , Knoopstraße (14) , Winsener Straße (15) , am Kaufhauskanal (16) sowie am Helmsweg (17) . Insgesamt 5950 Wohneinheiten listet das Harburger Wohnungsbauprogramm bis 2019 auf – davon 1051 Wohneinheiten im Bereich Innenstadt/Binnenhafen, 1220 im Bereich Kern-Süd/Ost sowie 2774 im Bereich Süderelbe.
Viel diskutiert wurde in der Vergangenheit auch über die Neugestaltung des Neugrabener Markts (18). Jetzt werden Nägel mit Köpfen gemacht: Im Frühjahr wird mit den Arbeiten begonnen. Insgesamt 1,8 Millionen Euro fließen in die Verschönerung des 3500 Quadratmeter großen Platzes, auf dem dann künftig auch problemlos Konzerte, Ausstellungen oder Sport-Events veranstaltet werden können. Und für die Kinder und Jugendlichen im Stadtteil gibt es neue Spielgeräte.
In diesem Zusammenhang verweist Ralf-Dieter Fischer auf ein Modellprojekt, das bereits angelaufen ist, den Bezirk aber auch in den nächsten Jahren noch beschäftigen wird: Nach und nach sollen sämtliche Spielplätze, von denen es rund 50 in Harburg gibt, auf Vordermann gebracht werden. Etliche Geräte stammten noch aus den 60er oder 70er-Jahren: „Eine Rutsche und ’ne Schaukel, das geht heute gar nicht mehr.“