Harburg. Auf dem Terrain nahe der ehemaligen Kaserne soll ein Neubaugebiet entstehen. Anwohner fürchten Nutzung als Unterkunft.
Normalerweise sind für die sogenannte Öffentliche Fragestunde zu Beginn der Bezirksversammlung 45 Minuten eingeplant. Doch die reichten bei der jüngsten Sitzung am Dienstagabend nicht aus. Das beschlossene Großquartier für Flüchtlinge Am Aschenland in Süderelbe wirft weiter viele Fragen auf.
Gleich mehrere Vertreter der lokalen Bürgerinitiativen Neugraben-Fischbek und „Rettet den Waldfrieden“ meldeten sich zu Wort – und alle Fraktionen sahen sich veranlasst Stellung zu nehmen.
Doch genau hier beginnen die Probleme. Denn allzu oft blieb es bei allgemeinen Statements. Weil auf etliche Fragen substanzielle Antworten schwierig sind. Das hat oft mit den arg beschnittenen Entscheidungsbefugnissen des Bezirks zu tun.
Zuweilen auch mit der Tatsache, dass es für eine konkrete Beantwortung gewisser Recherchen bedarf. Etwa dann, wenn zum Beispiel nach vollständiger Registrierung, Alter, Geschlecht, Herkunftsland und Bildungsstand der Asylbewerber im Bezirk gefragt wird.
So aber macht eine Öffentliche Fragestunde wenig Sinn. Weil ausweichende oder ausbleibende Antworten den Argwohn der Fragenden nähren, dass Bezirkspolitik und -verwaltung womöglich überfordert, unwissend und inkompetent sind. Oder noch schlimmer, ihre Vertreter viel weniger sagen, als sie vielleicht wissen.
Besonders gravierend ist das, wenn es wie im konkreten Fall um das ohnehin emotional aufgeladene Thema Flüchtlinge geht. In jedem Fall waren die Reaktionen der Besucher auf dem Rathausflur hernach verheerend. Wahlweise war von „Polittheater“ und „überflüssige Veranstaltung“ die Rede.
„Über das Prozedere muss ernsthaft nachgedacht werden“, sagte CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer dem Abendblatt. Erklärungsbedürftig sei zudem, warum es solche Fragestunden zwar in den Bezirksvesrsammlungen gebe, nicht aber in der Bürgerschaft.
Immerhin sorgten die Fragen für einige aktuelle Zahlen zum Thema. So hat der FDP-Abgeordnete Carsten Schuster recherchiert, dass Harburg inzwischen bei der Flüchtlingsverteilung auf Rang eins vorgerückt sei, was das Verhältnis zur Einwohnerzahl anbetrifft. „16:1 lautet es im Bezirk, der ohnehin einen Migrationsanteil von über 40 Prozent hat. Hier liegt die latente Gefahr einer Überforderung bei der Integration nah“, so Schuster.
Nicht einmal die Verteilung innerhalb des Bezirks sei ja gerecht, monierte ein Bürger. Weil neun der 17 Harburger Stadtteile gar keine Flüchtlingsunterkünfte hätten, allein in Neugraben-Fischbek aber bald deutlich mehr als 3000 Asylbewerber untergebracht werden sollen.
Über die tatsächliche Zahl wird weiter spekuliert und gestritten. So findet es Uwe Schröer von der BI Neugraben-Fischbek ohnehin nicht seriös, dass beim Standort Aschenland immer die Dependance der Zentralen Erstaufnahme im ehemaligen OBI-Baumarkt am Geutensweg unterschlagen werde. „Schon jetzt reden wir doch eigentlich über mindestens 4200 Flüchtlinge. Und ob es dabei bleibt ist längst noch nicht klar“, sagt Schröer.
Das sieht auch die FDP-Abgeordnete Viktoria Pawlowski so. Und wies in diesem Zusammenhang auf die Senatsdrucksache 2015/1960 vom 5. Oktober dieses Jahres hin. Danach waren alle sieben Bezirke gehalten, eine Fläche von etwa acht Hektar zu benennen, auf der bis Ende 2016 bezugsfertige Unterkünfte im „Standard des öffentlich geförderten Wohnungsbaus“ errichtet werden können. Auf diese Weise sollen pro Standort etwa 800 Wohnungen für bis zu für 4000 Flüchtlinge entstehen.
Für den Bezirk Harburg steht in besagter Senatsvorlage das Baugebiet Sandbek-West gegenüber der ehemaligen Röttiger-Kaserne. „Die Entscheidung über das Quartier Am Aschenland hat diese Senatsvorlage überholt“, sagt Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. Er habe entsprechend interveniert und für Harburg eine Modifikation erreichen können.
Tatsächlich steht jetzt in besagter Vorlage, dass auf dem 37 Hektar großen Gelände „kein Schwerpunkt zur Flüchtlingsunterbringung vorgesehen“ ist. Stattdessen soll das Bezirksamt bis zum nächsten Jahr einen Bebauungsplan aufstellen, der den Bau von überwiegend öffentlich geförderten Wohnungen vorsieht. „Wie diese nach der Fertigstellung dann tatsächlich belegt werden, bleibt abzuwarten“, sagte Viktoria Pawlowski.