Neu Wulmstorf. In unserer Sommerserie stellen wir Landgasthöfe vor, zu denen sich ein Ausflug lohnt. Heute: Den Dorfkrug in Neu Wulmstorf.
Die Frau, die im Begriff war, die nagelneue Kochjacke zu besticken, konnte es nicht glauben. Unter dem Namenszug sollte „Traumtänzer“ stehen?! Sie rief den Auftraggeber an. Ob sich jemand einen Scherz mit ihr erlaube? Ob es nicht „Küchenchef“ heißen müsse? Oder „Maître du cuisine“? „Nein“, antwortete Thomas Hauschild. „Traumtänzer ist korrekt.“
Die kleine Episode ist Jahrzehnte her. Die weiße Jacke mit dem ungewöhnlichen Schriftzug auf der Brust trägt Thomas Hauschild schon lange nicht mehr. Der Inhaber des Restaurants „Zum Dorfkrug“ wirkt ja auch kaum noch in der Küche. Aber die Berufsbezeichnung, die er sich einst selbst gab, die passt noch. Und darauf ist er heute so stolz wie damals.
„Man muss über den Dingen schweben, darf aber die Erdung nicht verlieren“, sagt der 50-Jährige. Wer nun meint, der Mann sei ein Spinner, sollte nach Neu Wulmstorf fahren, um sich eines Besseren belehren zu lassen. Mit dem Talent des begnadeten Kochs und der Sicherheit eines Traumwandlers hat Thomas Hauschild das Niveau des „Dorfkrugs“ kontinuierlich gehoben. Das Lokal, seit gut eineinhalb Jahrhunderten im Familienbesitz, war ursprünglich Anlaufstelle für Kutscher und Kneipe der Dorfbewohner. Jetzt sucht das Spitzen-Restaurant in weitem Umkreis seinesgleichen.
Dass der „Dorfkrug“ den schwierigen Spagat zwischen ungezwungenem ländlichem Treffpunkt und modernem Gourmet-Tempel schafft, ist vor allem Thomas Hauschilds Persönlichkeit zu verdanken. Er vereint den romantischen Schwärmer und visionären Fantasten mit dem kühlen Geschäftsmann und rastlosen Manager in sich. Dennoch: Es waren viele fleißige Hände und kreative Köpfe, die das Restaurant zu dem gemacht haben, was es ist. „Wir wissen, dass wir nur zusammen stark sind“, sagt Sabiene Kron, die ihrem Bruder Thomas ganz selbstverständlich seit Jugendtagen zur Seite steht. Die Geschwister sind quasi in der Gaststube aufgewachsen. Alte Fotografien an den Wänden des ehemaligen Kuhstalls zeigen das Familien- und Dorfleben vergangener Zeiten.
Nostalgische Gründe waren es auch, die einst den Ausschlag dafür gaben, den schlichten Namen beizubehalten. Obwohl „Zum Dorfkrug“ eine Art der Einfachheit suggeriert, die längst nicht mehr der Realität entspricht. Weder sind die Räumlichkeiten im bäuerlichen Sinne rustikal, noch beschränkt sich die Küche auf Deftiges und Bodenständiges. Moderne, leichte Gerichte aus regionalen Produkten dominieren auf der umfangreichen Speisekarte mit internationalen Akzenten. Das Angebot variiert nicht nur saisonal, sondern wird durch Einfallsreichtum und Experimentierfreude des Küchenteams immer wieder neu gestaltet.
Mit Jörg Busch und André Klusmann kreieren gleich zwei begnadete Köche Köstlichkeiten für Gaumen und Auge und werden dabei von einem vielköpfigen Team unterstützt. Denn in einem Restaurant wie diesem, das in mehreren Räumen große Gesellschaften bewirtet und gleichzeitig Catering und Partyservice anbietet, könnte selbst ein Zauberer am Herd allein wenig ausrichten.
Das sollten sich Besucher nicht entgehen lassen
Thomas Hauschild hat das Küchenregiment abgegeben. Er arbeitet mittlerweile im Büro im Neu Wulmstorfer Gewerbegebiet, wo die „Sylter Salatfrische“ und andere Soßen-Kreationen sowie Desserts nach seinen Rezepten industriell hergestellt werden.
Bei den Team-Besprechungen im Restaurant ist er selbstverständlich dabei. Er legt Wert darauf, die Meinung seiner Mitarbeiter zu hören. Anregungen zur Verbesserung sind stets willkommen. Genauso wie Vorschläge zur optimalen Bewältigung kommender Herausforderungen. Wenn Thomas Hauschild im „Dorfkrug“ vorbeischaut, kommt er aus dem Händeschütteln kaum heraus, so viele Stammgäste sind zu begrüßen. Aber auch jedem seiner Mitarbeiter gibt er die Hand, er weiß: Jeder einzelne im 30-köpfigen Dorfkrug-Team ist ein wichtiges Rädchen im Getriebe. Ein gutes Betriebsklima ist Voraussetzung für vollen Einsatz.
Viele Spitzenköche waren schon zu besuch
Auch die Liebe zum Detail trägt zum Erfolg bei. Dazu gehören die Kühltheken mit den hauseigenen Produkten von Salatsauce über Rote Grütze bis zu Pralinen. Dazu gehört der appetitanregende Spezial-Schrank, in dem das Fleisch der hauseigenen Charolais-Rinder kühl und trocken abhängt, bevor es in der Küche zu saftigen Steaks verarbeitet wird. Dazu gehört der Humidor, der edle Zigarren feucht und frisch hält. Dazu gehören die hochwertigen Brände für Genießer. Die schlichten „Salatfrische“-Fläschchen auf den Tischen, die als Blumenvasen dienen. Der helle Wintergarten, das gemütliche Kaminzimmer.
Viele Sterne des Gastronomie-Himmels haben hier schon getafelt: Eckhard Witzigmann, Markenbotschafter der Dorfkrug-Produkte, Johann Lafer und Tim Mälzer, der Rockstar unter Deutschlands TV-Köchen. Thomas Hauschild bittet gern Gleichgesinnte an seinen Tisch. „Ich habe so viele Jahre nur in der Küche gestanden, ich genieße es, unter Menschen zu sein und mich inspirieren zu lassen.“
Die Themen gesunde Ernährung und artgerechte Tierhaltung treiben ihn um. Deshalb war kürzlich Matthias Steiner da, jener Olympiasieger im Gewichtheben, der jetzt 45 Kilo abgespeckt und ein Buch darüber geschrieben hat. Und auch Karl-Ludwig Schweisfurth hat hier schon gespeist. Der ehemalige Chef eines Wurstkonzerns gehört zu den Pionieren auf dem Gebiet der ökologischen Lebensmittelherstellung.
So kommen Sie hin
Schweisfurths Hermannsdorfer Landwerkstätten mit symbiotischer Landwirtschaft sind Vorbild für Thomas Hauschilds im Aufbau befindlichen Landhof. Von dort sollen künftig beste Zutaten für sein Restaurant und seine Produkte kommen. „Es kann im Leben nicht alles sein, nur das am Laufen zu halten, was schon da ist“, sagt er. Er möchte die Welt verbessern. Ein Traumtänzer eben.
Die Empfehlung des Küchenchefs: Rumpsteak vom Charolais-Rind mit frischen Pfifferlingen
Küchenchef Jörg Busch empfiehlt Rumpsteak vom Neu Wulmstorfer Charolais-Rind mit frischen Pfifferlingen. Rezept für eine Person:
Einkaufsliste: Steak – 220g Rumpsteak, Steakpfeffer und grobes Meersalz, 150g Pfifferlinge, 25g Schalotten, 25g Butter, Salz und Pfeffer, Gratin – 200g Kartoffeln (mehlig kochende), 25g Schalotten, 10g Butter, 100ml Sahne, 25g geriebenen Gouda, Knoblauch, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, Möhren – 100g violette Möhren, 25g Schalotten, 25g Butter, Salz und Zucker.
Zubereitung: Zunächst das Kartoffelgratin. Eine Knoblauchzehe in der Mitte durchschneiden und mit den Schnittflächen eine feuerfeste Form ausreiben. Dann wird die Form ausgebuttert. Die Schalotten in feine Würfel schneiden und die Form damit ausstreuen. Die Kartoffeln schälen, in dünne Scheiben schneiden und in die Form geben. Mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen. Die Sahne darüber geben, mit dem geriebenen Gouda bestreuen und 45 Minuten bei 150 Grad (Umluft) backen.
Die violetten Möhren schälen und in Scheiben schneiden. Die Schalotten schälen und in feine Würfel schneiden. Nun beides mit etwas Butter in einem passenden Geschirr anschwitzen. Mit Salz und Zucker würzen. Mit Wasser kurz auffüllen, bei mittlerer Hitze weich dünsten. Wenn das Wasser verkocht ist, sind die Möhren gar.
Die Pfifferlinge putzen und waschen. Schalotten in feine Würfel schneiden. Beides zusammen mit Butter in einer Pfanne bei mittlerer Hitze zwei Minuten braten. Mit Salz und Pfeffer würzen. Das Rumpsteak dünn mit Rapsöl bestreichen und auf den Grill legen. Vier Minuten von beiden Seiten grillen (medium). Mit Steakpfeffer und Meersalz würzen.
Alle Folgen der Serie finden Sie unter www.abendblatt.de/landgasthoefe