Harburg. Sanitäre Mängel in der Zentralen Erstaufnahme auf dem Schwarzenberg. Bei mehreren der 24 Duschkabinen fehlen Schläuche oder Duschköpfe.
In lauten Gedanken kündigten Innensenator Michael Neumann und Sozialsenator Detlef Scheele jüngst an, dass Hamburg mehrere Großunterkünfte mit bis zu 3000 Bewohnern plant, um die Flüchtlinge aufnehmen zu können, die derzeit kommen. In allen bisherigen Diskussionen galt die Zahl von 400 Bewohnern als Grenze zwischen vertretbar und problematisch. Ein Blick in die Zentrale Erstaufnahme (ZEA) auf dem Schwarzenberg zeigt, dass an dieser Annahme etwas dran ist. Hier leben 680 Menschen in Containern. Je vier teilen sich 12 Quadratmeter. Nach spätestens drei Monaten sollen sie in Folgeunterkünfte umziehen, doch viele warten länger.
„Ich erwarte keinen Luxus“, sagt Azad Aryaie. „Luxus hatte ich in Kabul. Aber ich musste um mein Leben fürchten. Deshalb bin ich hier und sehr dankbar. Ich erwarte wirklich keinen Luxus. Aber funktionierende Duschen und Toiletten hätte ich schon gerne.“
„Man kann sich beim Sicherheitsdienst gegen ein Pfand Duschköpfe ausleihen, aber dort haben sie nur eine Hand voll“
24 Duschkabinen stehen den über 500 Männern in der ZEA zur Verfügung. Duschen kann man in den meisten allerdings nur bedingt, wie Aryaie zeigt. Ab der Duscharmatur fehlen vielerorts die Schläuche und dort, wo noch Schläuche sind, fehlt der Duschkopf. „Die Lagerleitung unternimmt nichts gegen die Diebstähle“, sagt Aryaie, „und sie bringt die Schäden auch nicht in Ordnung. Man kann sich beim Sicherheitsdienst gegen ein Pfand Duschköpfe ausleihen, aber dort haben sie nur eine Hand voll. Und ohne Schläuche nützen die nichts. Man müsste die Duschen fest installieren, aber das passiert nicht. Auch bei den Toiletten gibt es Probleme: Sie sind ständig verstopft. Außerdem herrscht im ganzen Sanitärbereich eine Mückenplage und im Essenszelt wimmelt es von Ameisen.“
Der 30-jährige Azad Aryaie musste aus Afghanistan fliehen, weil er bekennender Atheist ist. Da nützte es dem Fortildungsinstitutsinhaber auch nichts, dass seine Firmenräume im Regierungsviertel von Kabul lagen: Die Taliban wollten seinen Tod. Einen bewaffneten Angriff auf das Institut schlug der Sicherheitsdienst zurück, aber wenig später griffen ein Dutzend Taliban Aryaie auf offener Straße an und wollten ihn erschlagen. Mutige Nachbarn retteten ihn, doch er wurde schwer verletzt. Zusammen mit seinem Bruder, der ebenfalls im Visier der Taliban ist, und seiner Mutter floh er, als er von den Verletzungen genesen war.
„Die meisten Sozialarbeiter tun für uns alles, was sie können und dann noch mehr“
Seit eineinhalb Monaten lebt Aryaie auf dem Schwarzenberg. Weil er sehr gut Englisch spricht, dient er als Sprachmittler zwischen Lagermitarbeitern und Bewohnern. So hat er auch mit allen Sozialarbeitern der ZEA Kontakt. Auch hier gibt es Licht und Schatten, sagt er. „Die meisten Sozialarbeiter tun für uns alles, was sie können und dann noch mehr“, sagt er. „Aber wenn ein Bewohner Pech hat, ist einer der beiden weniger engagierten für sie zuständig. Bei denen kann es schon mal Wochen dauern, bis kranken Bewohnern ein Arztbesuch genehmigt wird.“
Als Aryaie sich beschwerte, fuhr ihn die Sozialarbeiterin an, und empfahl ihm, nach Afghanistan zurückzugehen. „Ich war nicht ausfallend geworden“, sagt er. „Ich habe nur darauf bestanden, dass sie ihre Arbeit macht.“
Auch im Harburger Flüchtlingscafé Refugio kennt man die Lage auf dem Schwarzenberg. „Die einzelnen Vorfälle, die hier geschildert werden, kann ich nicht beurteilen“, sagt Refugio-Sprecher Michael Schade, „aber ich weiß, dass die Sozialarbeiter dort unter einer hohen Arbeitsbelastung stehen. Da ist es vorstellbar und nur menschlich, dass sich mal jemand im Ton vergreift. Was die Anlagen in der ZEA angeht, ist es ja so, dass das Lager schon zweimal abgebaut werden sollte. Da hat man nichts mehr investiert. Das muss jetzt nachgeholt werden.“
Ändern muss sich laut Schade auch die Atmosphäre auf dem Schwarzenberg: „Durch die Zäune, den Wachdienst und die Besucherkontrollen wirkt das wie ein Gefangenlager. Das ist psychologisch fatal..“
„Egal woher wir geflohen sind“, sagt Azad Aryaie, Wir haben alle Schreckliches erlebt und müssen zur Ruhe kommen. Ich erwarte keinen Luxus. Aber eine Dusche wäre schön.“
Der Landesbetrieb Fördern und Wohnen, Träger der ZEA, wurde vom Abendblatt am Donnerstag um Stellungnahme gebeten. Bis Redaktionsschluss am Freitag Nachmittag kam keine Antwort