Winsen. Projekttag unter dem Motto „Woher kommst du?“ an der IGS Winsen-Roydorf soll Schülern dabei helfen, Vorurteile abzubauen.

Schüchtern hält sich Aylin an ihrem Brötchen fest. Tja, was fragt man jetzt diesen großen, dunkelhäutigen Mann, der so ganz anders aussieht als die Schülerin selbst? Die Elfjährige kichert und dreht sich zu ihrer Freundin. Die weiß aber auch keinen Rat und blickt hilflos auf ihren Teller. Da nimmt Anneke, 12, von gegenüber all ihren Mut zusammen und fragt mit fester Stimme: „Hast du Familie?“ Haile Tewelde nickt freundlich und antwortet mit einem Ja – das Eis zwischen den Mädchen und dem Mann aus Eritrea ist gebrochen.

Projekttag unter dem Motto „Woher kommst du?“

Es sind kleine Herausforderungen wie diese, die die Fünftklässer der IGS Winsen-Roydorf am Montagmorgen meistern mussten. Ihre Lehrerinnen Nicola Akcay, Kathrin Wacker und Christine Tholen hatten gemeinsam mit Pastor Markus Kalmbach von der Winsener St.-Marien-Gemeinde einen Projekttag unter dem Motto „Woher kommst du?“ organisiert, zu dem sie insgesamt 20 Flüchtlinge in die Schule luden.

„Wir wollen Begegnungen schaffen, um so Vorurteile abbauen zu können“, erklärt Religionslehrerin Christine Tholen. Immer wieder sei sie von den Kindern im Unterricht gefragt worden, warum auf einmal so viele Flüchtlinge in Winsen sind und woher sie kommen. Jetzt gibt es Antworten.

Für die Schüler sind die Gespräche eine neue Erfahrung

In kleinen Gruppen sitzen die Flüchtlinge mit den Kindern am Tisch und erzählen von sich. Zwischen Marmeladenbrötchen und Apfelecken geht es um Berufe, Hobbys und die Erfahrungen, die die Flüchtlinge bisher in Deutschland gemacht haben. Haile Tewelde sagt, dass er gerne schwimmt und Volleyball spielt. In seinem Heimatland Eritrea hat er als Taucher gearbeitet, jetzt ist er seit einem Jahr in Winsen und hat vor allem über das Internationale Café viel andere Flüchtlinge aber auch einige nette Deutsche kennengelernt.

© HA | Christiane Tauer

Für die Schüler sind die Gespräche eine neue Erfahrung. „Am Anfang war ich irgendwie nervös, aber dann fand ich es richtig spannend, was er erzählt“, sagt Aylin. Ihre Klassenkameradin Emely brauchte ebenfalls Zeit zum Warmwerden, obwohl sie bereits Kontakt zu anderen Flüchtlingen hatte. „Die Mutter von meiner Freundin arbeitet im Internationalen Café, deswegen habe ich schon mal einige getroffen“, sagt die Elfjährige.

Einen Tisch weiter sind Mohamed, 11, Richard, 11, und Hannes, 12, dabei, in einem Atlas nachzuschlagen, wo genau Afghanistan liegt, das Heimatland von Waheed Safi. „Das ist gleich neben dem Iran, und da lebt meine Schwester“, sagt Mohamed, dessen Familie aus dem Libanon stammt. Er hat einen der Flüchtlinge schon einmal im Schwimmbad getroffen, als er dort mit einem Freund war. Zur Begrüßung gab es deshalb gleich ein großes Hallo und ein freundliches Lächeln. Vielleicht sieht man sich mal wieder.

Nach den Gesprächen: Fußball und Basketball

Genau das ist die Hoffnung, die die Initiatoren mit dem Projekttag verknüpfen. „Jetzt sind ja erstmal Sommerferien“, sagt Christine Tholen. Da gebe es sicherlich einige Möglichkeiten, die Flüchtlinge irgendwo in der Stadt zu treffen. Und jetzt, wo man sich bereits kenne, sei es sicherlich einfacher, aufeinander zuzugehen. „Die Flüchtlinge wohnen schließlich hier in Winsen und nicht irgendwo weit weg in Berlin oder so.“

Viele Kinder hätten noch nie mit einem Flüchtling gesprochen, ergänzt Pastor Kalmbach. Projekttage wie dieser seien deshalb hilfreich, mögliche Vorurteile in den Familien zu widerlegen. In einem Eingangsreferat hatte der Pastor zuvor unter anderem erklärt, warum Menschen ihre Heimat verlassen und was im Landkreis Harburg für sie getan wird. Nach den Gesprächen soll noch gemeinsam Fußball oder Basketball gespielt werden. „Unser Ziel ist es, möglichst viele Begegnungen zu schaffen“, sagt er. Die 20 Flüchtlinge, die in die Schule gekommen sind, seien jedenfalls sofort zum Mitmachen bereit gewesen.

Die Mädchengruppe rund um Haile Tewelde ist mittlerweile dazu übergegangen, sich von ihm ihre jeweiligen Namen in Tigrinya, seiner Muttersprache, schreiben zu lassen. Dann versucht er ihnen bildlich zu vermitteln, wie sein Haus in seiner Heimat ausgesehen hat – ein ganz normales Gebäude mit Türen und Fenstern.

Am Nachbartisch üben Maximilian und Falk, beide 11, derweil mit Ibrahim Ahmad aus dem Sudan, wie die Zahlen von eins bis zehn auf Deutsch heißen. „Das ist ja wichtig, dass man die kennt“, sagt Falk ganz unbefangen. Der Elfjährige berichtet, dass seine Familie ursprünglich aus Polen stammt und sie sozusagen auch Flüchtlinge gewesen seien. „Das ist aber schon eine Weile her.“ Dennoch glaubt er, dass das ein besseres Verständnis für die Situation der heutigen Flüchtlinge schafft.