Harburg. Ursprünglich als Vorzeigeobjekt für IBA 2013 gedacht. In einem Monat sollen die Montagearbeiten beginnen. Vorbereitungen laufen.

Wenn nichts mehr dazwischen kommt, wird am 20. und 21. August im Harburger Binnenhafen, zwischen Kanalplatz und Lotsekai, die für Fußgänger und Radfahrer gedachte Lotsekanal-Drehbrücke montiert. Beim Stahlbauunternehmen NE Sander GmbH in Sande bei Wilhelmshaven werden derzeit die letzten Bauteile der Stahlkonstruktion zusammengeschweißt. Demnächst erfolgt das Aufbringen eines modernen Korrosionsschutzes auf den Stahl. Es handelt sich um ein bislang bei Offshore-Anlagen verwendetes Beschichtungssystem mit Namen Polyaspartics.

Der Transport der aus zwei Teilen bestehenden und mehr als 100 Tonnen schweren Brücke per Schwertransporter von Wilhelmshaven nach Harburg ist für die Nächte 18./19. und 19./20. August vorgesehen. Änderungen der Termine sind noch möglich. Unmittelbar nach Ankunft der Brückenelemente sollen sie auf ihren bereits im Wasser und an Land stehenden Pfeilern und Fundamenten in Position gebracht werden. Projektingenieur Björn-Axel Dose vom Hamburger Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) bittet alle Harburger um Geduld. Die Brücke wird voraussichtlich erst Anfang November zur Benutzung freigegeben werden können.

Hoffen, dass die Praxis bestätigt, was die Theorie mit Berechnung zu Papier gebracht hat

Die Brücke wird derzeit bei der Firma NE Sander in der Nähe von Wilhelmshafen gebaut. Fertigungsleiter Helmut Janßen überprüft die Maße
Die Brücke wird derzeit bei der Firma NE Sander in der Nähe von Wilhelmshafen gebaut. Fertigungsleiter Helmut Janßen überprüft die Maße © HA | Frank Wübben/NE Sander GmbH

Während die mit dem Lotsekai verbundene feste Brücke den Ingenieuren kaum Kopfzerbrechen bereitet – sie ist mit 11,7 Meter Länge, 3,4 Meter Breite sowie einem Gewicht von etwa elf Tonnen technisch relativ unkompliziert – lässt dafür das 35,4 Meter lange, bis 5,7 Meter breite und etwa 115 Tonnen schwere drehbare Brückenteil alle an Konstruktion und Bau beteiligten Fachleute mit Blick auf Sicherheit und Funktionstüchtigkeit ehrfürchtig stramm stehen. Es darf einfach nichts schiefgehen. Dafür ist die Planungs-Vorgeschichte der Binnenhafenbrücke zuerst mit einer Kostenexplosion und dann mit einer geplatzten Auftragsausschreibung bereits äußerst unrühmlich. Ein nicht auszuschließendes technisches Malheur würde dem Projekt nur noch einen weiteren Stoß versetzen. Deshalb wird auf Nummer Sicher gegangen.

Der Pfeiler und das Drehlager der Brücke dürfen sich trotz der hohen Belastung um keinen Millimeter aus ihrer Position bringen lassen. Der im Lotsekanal stehende Pfeiler des Drehlagers ist mit seinem Fundament und einer Vielzahl besonders stabiler Erdanker von dem Wilhelmsburger Unternehmen Fr. Holst hergestellt worden. Auch die Holst-Ingenieure hoffen nun, dass die Paxis bestätigt, was in der Theorie mit Berechnungen zu Papier gebracht worden ist. LSBG-Projektleiter Björn-Axel Dose erklärt, dass die Brücke jeweils eine Woche in geschlossener sowie in geöffneter Position ruhen muss, um Setzungen der Gründung abzuwarten. Dose: „Erst danach erfolgt das endgültige Befestigen der Drehbrücke auf dem Pfeiler, die Feineinstellung der Spitzenauflagerung und die Anpassung der Übergänge zum Ufer.“

Ergebnis eines Architekturbewerbs von 2011

Hamburgs Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation kalkuliert das Projekt Lotsekanal-Drehbrücke inklusive Verwaltungsaufwand mit rund 3,1 Millionen Euro. Der Anteil des Bezirks wurde bislang mit 1,2 Millionen Euro angegeben. Bei ersten Projektausschreibungen hatten Generalunternehmen zwischen vier und acht Millionen Euro verlangt.

Ursprünglich war die Brücke als Vorzeigeobjekt für die Internationale Bauausstellung IBA 2013 gedacht. Neue Bewohner der Harburger Schloßinsel aus den Projekten „Marina auf der Schloßinsel“, „Boathouse“ und „Quartier am Park“ sollten – das war den Bauherren versprochen worden – auf kurzem Wege von der Schloßinsel über eine Brücke zum Kanalplatz und damit zur Harburger Schloßstraße und in die Innenstadt gelangen. Die Fertigstellung der Brücke bis zur IBA klappte nicht. Neue Planung mit Kostensenkung, neue Ausschreibung und Auftragsvergabe an einzelne Firmen führten zum jetzigen Brückenbau, der nach wie vor auf den Ergebnissen eines Architekturwettbewerbs von 2011 beruht. Aus drei Vorschlägen war der Entwurf des Hamburger Ingenieurbüros Grassl ausgewählt worden. An der Baugestaltung ist auch das Architekturbüro Winking Froh beteiligt.

Die Drehbrücke verfügt über zwei Elektromotoren und ein Drehwerksgetriebe. Das Öffnen und Schließen der Brücke wird jeweils etwa drei Minuten dauern. Die Lebensdauer der Technik wird mit 35 Jahren angegeben.