Trelde. Zehn Jahre „Klassik populär“ in Trelde: Mehr als 1000 Zuschauer waren begeistert von Ballett, Orchester und einzigartiger Atmosphäre.
Ulrich Semrau hat die Ruhe weg. Eine Dreiviertelstunde vorm Konzert trägt er noch Jeansjacke und Karohemd, klönt mit einigen seiner Musiker. Kein Wunder, der Oarns Hoff in Trelde ist ja schon fast sein „Wohnzimmer“. Vor zehn Jahren ist er mit seiner Klassischen Philharmonie Nordwest zum ersten Mal in dem kleinen Dorf beim Musikfestival „Klassik populär“ aufgetreten, und in jedem Jahr hat er zugesagt, wiederzukommen. Auch 2016 wird es wieder so sein.
Auch die Musiker fühlen sich sichtlich wohl auf dem Festivalgelände, bevor es losgeht, schnell noch ein paar Pommes essen, ein Zigarettchen rauchen. Die Krawatte umbinden nicht vergessen. Eine Künstlergarderobe als Separée, das gibt es hier nicht. Manche Gesichter kennt man als Zuschauer noch vom Vorjahr. Obwohl die Klassische Philharmonie Nordwest ein Projektorchester ist, in dem die Besetzung immer mal wechselt. „Ich habe hier schon öfter gespielt“, sagt zum Beispiel Posaunist Sebastian Sachweh. Auch Feyzi Cogkez ist seit vielen Jahren dabei, „er ist unser ständiger Solofagottist“, erklärt Ulrich Semrau. Cogkez ist gebürtiger Bremer mit türkischen Wurzeln, aufgewachsen in Istanbul und jetzt wieder in die Bremer Region zurückgekehrt, wo auch das Orchester beheimatet ist.
Cogzek spielte das große Instrument im Stehen und Mozarts Komposition mit gebührender Leichtigkeit
Das Programm wird dem Motto „Klassik populär“ einmal mehr gerecht: Zu den beliebtesten Werken von Mozart dürfte die Ouvertüre zur Oper „Die Zauberflöte“ zählen, mit der das Programm eröffnet wurde. Anschließend führte das Orchester Mozarts Fagott-Konzert B-Dur KV 191 auf, mit Feyzi Cogkez als Solist. Für die meisten Zuschauer wohl ein seltener Anblick, sitzen die Fagottisten im Orchester sonst hinten. Auch wird das Instrument aufgrund seiner Größe selten im Stehen gespielt. Schwerfällig ist aber nur seine Optik – Cogkez spielte mit der Leichtigkeit, mit der man Mozarts Kompositionen verbindet. Auch mit seiner modern anklingenden Cadenz im ersten Satz sorgte er für anhaltenden Beifall.
Nach dem relativ kurzen ersten Teil folgte eine für einen Konzertabend ungewöhnlich lange Pause. Sie wurde dem Pubilkum gegönnt, damit es sich auf der historischen Hofanlage auch optischen und vor allem kulinarischen Genüssen hingeben konnte. Als Aussteller war wieder die Gärtnerei Lüdemann aus Hollenstedt dabei, die den Saal diesmal mit Hortensien und Ziergräsern verschönert hatte. Erstmals als Caterer in Trelde war das Landhaus Wachtelhof aus Rotenburg. Heiko Kehrstephan und sein Team servierten kühle Getränke und rustikale Speisen wie Currywurst und Fish&Chips, aber auch raffiniert belegte Laugenbagel, Zwiebelkuchen und Butterkuchen.
Am Ende gab es weiße Roesen für die Musiker
Die Möglichkeit zur Stärkung nahm das Publikum gern an, stand doch mit der Sinfonie Nr. 8 – Beiname Große C-Dur – von Franz Schubert ein einstündiges, bombastisches Werk auf dem Programm. Die Uraufführung erlebte der Komponist, der im Alter von nur 31 Jahren starb, nicht mehr. Das Stück war von der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde zunächst beiseite gelegt worden. Ein Bruder Schuberts machte den Komponisten Robert Schumann auf die vergessene Sinfonie aufmerksam. Schumann gelang es, den Leiter des Leipziger Gewandhausorchesters für das Werk zu begeistern, wo es 1839 erstmals aufgeführt wurde. Angesichts der Vielschichtigkeit der Themen und Melodien in der Sinfonie, ihrer Emotionalität und euphorischen Klängen schrieb Schumann nach dem ersten Hören in der Probe seiner späteren Frau Clara eine romantische Liebeserklärung.
Aber auch eine einfache Scheune wie die in Trelde wurde der Sinfonie gerecht, die 500 Zuhörer schienen den Atem anzuhalten. Am Ende gab es minutenlangen Applaus, weiße Rosen für die Musiker und das Versprechen, auch 2016 wiederzukommen.
Bereits am Freitagabend hatte der veranstaltende Verein „Trintla Cultura“ mit dem Auftritt des Bundesjugendballetts etwas Neues gewagt. „Das Publikum war begeistert und sprang von den Stühlen auf“, berichtete Hans-Jürgen Gebhardt vom Vereinsvorstand. Auch Gesang gehörte zu der Aufführung des Ensembles, das den Verein organisatorisch vor große Herausforderungen gestellt hatte. „Fünf Stunden haben wir aufgebaut, drei wieder abgebaut“, so Gebhardt. „Das war Weltklasse-Ballett zum Anfassen“, lautete auch das Fazit von Udo Blanck, Initiator des Trelder Festivals.
Auch gestern zeigte sich, dass Petrus ein Kulturfreund ist: Während sich Harburg im Dauernieselregen befand, schien in Trelde, nach dem Gottesdienst in der Scheune, pünktlich um 11 wieder die Sonne. „Bei 25 Grad haben wir draußen ein fröhliches Familienfest gefeiert, das Red Martin Trio hat für tolle Stimmung gesorgt“, sagte Udo Blanck. „Die Leute waren begeistert.“