Wilstorf. Das Amphitheater im Harburger Stadtpark soll trotz 300.000 Euro-Sanierung 2015 nur viermal bespielt werden. Die Auflagen sind streng.
„Die restaurierte Freilichtbühne steht nach Abschluss der Baumaßnahmen wieder für eine vielfältige kulturelle Nutzung zur Verfügung. Attraktive kulturelle Veranstaltungen sollen diese Einrichtung wieder mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken.“ So steht es in einem SPD-Antrag vom November 2014. Die Realität aber sieht ganz anders aus. Laut einer aktuellen Antwort des Bezirksamtes vom 17. April dieses Jahres stehen 2015 gerade vier Veranstaltungen auf dem Programm.
„Das ist alles andere als überraschend“, sagt Heiko Langanke, Sprecher von SuedKultur, eines unbürokratischen Verbundes Harburger Kulturschaffender. „Die strengen Auflagen für Veranstaltungen auf der Freilichtbühne verhindern eine vernünftige Auslastung. Sie torpedieren und verhindern auch den niederschwelligsten Zugang zu Kunst und Kultur.“
„Keine Knete – trotzdem Fete“ hatte die Freilichtbühne wieder belebt
Nachdem das architektonische Kleinod im Stadtpark jahrelang ein Schattendasein fristete, war es das Verdienst der Organisatoren des alternativen Festivals „Keine Knete – trotzdem Fete“ (KKTF), die Freilichtbühne 2004 aus dem Dornröschenschlaf geweckt zu haben. Seit 2009 rückte das 1926 entstandene kleine Amphitheater auch ins Blickfeld anderer Veranstalter, die es verstärkt als lebendigen Veranstaltungsort nutzen wollten.
Allerdings hatten sie dabei die Rechnung ohne einige Anwohner des nahe gelegenen Hölscherwegs gemacht. Die organisierten eine Unterschriftensammlung zu einem Protestschreiben „gegen lärmintensive Veranstaltungen mit Verstärkeranlagen auf der Freilichtbühne.“
Seitdem praktiziert das Bezirksamt ein überaus rigides Regime bei der Vergabe der Freilichtbühne. Bereits seit Oktober 2010 wurde nur noch eine „laute“ Veranstaltung pro Monat genehmigt. „Dabei darf nach Maßgabe des Verbraucherschutzamtes auf der Grundlage des Immissionsschutzgesetzes ein Lärmwert von 70 Dezibel nicht überschritten werden“, erklärte Gerrald Boekhoff seinerzeit, im Bezirksamt für das Management des öffentlichen Raumes zuständig. Überdies muss zwischen „lauten“ Veranstaltungen, die nie länger als fünf Stunden dauern dürfen und um 22 Uhr beendet sein müssen, mindestens ein veranstaltungsfreies Wochenende liegen. Diese Regelung wurde ein Jahr später noch verschärft, in dem „laute Veranstaltungen“ nicht mehr über zwei Tage gehen durften.
Unabhängige, nichtkommerzielle Veranstalter, wie die Organisatoren des KKTF-Festivals wurden auf diese Weise aus dem öffentlichen Raum verbannt. Wie schon in den vergangenen Jahren wird das multikulturelle Musikfest auch 2015 auf dem Gelände des Vereins „Tipsy Apes“ am Heimfelder Radeland stattfinden.
Im April des Vorjahres hatte der Beirat SuedKultur erneut eine „Deregulierung“ der Nutzungsanforderungen für die Freilichtbühne gefordert. „Eine Beschränkung in der bisherigen Form ist weder angemessen, noch der Auslastung dienlich“, sagt Langanke. Zumal es klare lärmschutzrechtliche wie polizeiliche Verordnungen gebe, die vollkommen ausreichend seien.
Bezirk investierte 300.000 Euro in eine aufwendige Sanierung
Angesichts der dürftigen Terminliste für das laufende Jahr, auf der sich zwei nicht näher beschriebene Musikveranstaltungen am 30. Mai und 19. September, die Fronleichnamsfeier der katholischen Pfarrei St. Maria-St. Joseph am 7. Juni und ein Konzert des Vereins „Alles wird schön“ am 4. Juli finden, erneuerte Langanke auch seinen Vorwurf, die im Vorjahr investierten 300.000 Euro für eine Grundinstandsetzung der Anlage wären „rausgeschmissenes Geld“.
Jürgen Havlik vom Verein „Alles wird schön“ konstatierte schon vor zwei Jahren eine zunehmende Intoleranz bei vielen Menschen: „Dass solch eine ideale Location nicht mal fünf Tage im Jahr bespielt werden darf, ist doch ein schlechter Witz.“
Für den Harburger Eventgastronom Heiko Hornbacher ist versäumt worden, solche Veranstaltungsorte städtebaulich und rechtlich besser zu schützen. Ob die Harburger Politik und Verwaltung Willens ist, deregulierend einzugreifen, wird der Kulturausschuss am Donnerstag, 28. Mai, zeigen, wenn das Thema dort auf der Agenda steht. (Lutz Kastendieck)