Neu Wulmstorf. Die Weltgesellschaft zum Schutz des Fisches kam im Neu Wulmstorfer Rathaus zusammen. Bis heute wurden 19.000 Jungtiere in der Elbe ausgesetzt.

Wo sonst alles um die Entwicklung Neu Wulmstorfs kreist, stand jetzt etwas ganz anderes im Fokus: der Stör. Internationale Experten, darunter Forscher aus China, Tschechien und Italien, haben sich im Neu Wulmstorfer Rathaus getroffen. Sie alle haben ein Ziel: den Stör in seine Heimatgewässer zurückzubringen. Bei ihrem Treffen tauschte sich die Gesellschaft über die nächsten Vorhaben aus. Schwerpunkt sind neben den Bemühungen in Deutschland, Frankreich und Polen die Projekte im Donaugebiet.

Seit zwölf Jahren ist die Weltgesellschaft zum Schutz der Störe (World Sturgeon Conversation Society) aktiv. Sie ist so etwas wie ein global agierender Umweltschutzverein. An der Spitze steht der Neu Wulmstorfer Professor Harald Rosenthal, Gründer der Organisation und einer, der die Entwicklung maßgeblich vorantreibt.

Früher war der Europäische Stör weit verbreitet

Ende des 19. Jahrhunderts war der Europäische Stör (Acipenser sturio) noch ein Massenfisch. Er war an Europas Küsten weit verbreitet. In der Elbe und ihren Nebengewässern war die Kinderstube des Störs. Hier laichte der Fisch, hier wuchsen die Jungtiere auf, bevor sie Richtung Nordsee abwanderten. Doch verschmutztes Wasser, verbaute Flüsse und der Fischfang führten dazu, dass sich der Bestand drastisch reduzierte. Seit den 1970er Jahren gilt der Europäische Stör in Deutschland als ausgestorben. 1985 wurde der letzte Stör aus der Elbe gefischt. Weltweit existieren vom Europäischen Stör nur noch 200 freilebende Tiere im Süden Frankreichs.

Seit Jahren versucht man nun, den Fisch wieder in den einst heimischen Gewässern anzusiedeln. Ziel ist, dem Stör zu ermöglichen, selbst erhaltende Populationen zu entwickeln. Dafür wächst der Nachwuchs zunächst in Gefangenschaft auf; und dann werden die Tiere in die Gewässer entlassen. Dr. Jörn Gessner vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, ebenso Mitglied in der Weltgesellschaft zum Schutz der Störe, hat die ersten jungen Störe 2008 in die Elbe und in die Oste bei Gräpel und Elm ausgesetzt. Sein Institut startete 1996 eine Kooperation mit französischen Kollegen.

19.000 Jungtiere wurden bis heute in die Flüsse entlassen

Vom Eimer in die Elbe: Im September 2012 wurden bei Bleckede junge Störe in den Fluss gesetzt
Vom Eimer in die Elbe: Im September 2012 wurden bei Bleckede junge Störe in den Fluss gesetzt © dpa | Philipp Schulze

Insgesamt 19.000 zehn bis 35 Zentimeter lange Jungtiere im Alter von drei Monaten oder zehn Monaten wurden bis heute in die Flüsse entlassen. Er hat gute Erfahrungen mit dem Aussetzen der Fische gemacht. „Die Störe sind extrem hart im Nehmen“, sagt Gessner. Einige tragen kleine Sender, damit die Forscher möglichst viele Informationen bekommen, wie es den Fischen im Gewässer geht. Zudem arbeitet das Institut mit Anglervereinen und Berufsfischern zusammen, die den Wissenschaftlern Rückmeldungen über Gewicht und Länge versehentlich gefangener Störe geben.

„Die Tiere sind leicht zu erkennen. Deshalb stehen die Chancen gut, sie lebend durch den Fang zu kriegen“, sagt Gessner. Auch in der Wasserqualität der Elbe sieht er kein Problem. Die hat sich seit Jahren stetig verbessert. „Wir haben die Fische, die mit Sendern ausgestattet sind, bei Wanderungen durch den Hamburger Hafen verfolgt. Es funktioniert.“

Von den natürlichen Feinden geht eine große Gefahr aus

Eine große Gefahr aber geht von natürlichen Feinden des Störs aus: den Raubfischen wie etwa dem Zander. Deshalb erhöhen die Wissenschaftler in den Aufzuchtstationen die Stromgeschwindigkeit, um die Tiere für das harte Leben im freien Gewässer zu trimmen. „Die Natur nimmt keine Rücksicht“, sagt Professor Rosenthal.

Zudem neigen die Fische dazu, sich zu kreuzen. Das gefährdet den Erhalt der ursprünglichen genetischen Identität der Art. „Wenn also jemand meint, im Gartenteich Störe zu halten, sollte er sie nicht im offenen Meer aussetzen“, betont Gessner. Spannend wird es, wenn die Störe ihre Geschlechtsreife erreichen. Das geschieht im Alter von 15 Jahren, also im Fall der 2008 ausgesetzten Tiere erst etwa 2025. Wie viele es dann schaffen, zu ihren Heimatgewässern zurückzukehren, um zu laichen, ist noch völlig unklar. „Darüber gibt es keine belastbaren Daten“, sagt Gessner. Wenn fünf bis zehn Prozent zurückkehren, ist er schon froh.

Chinesischer Stör wird in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion geführt

Auch der Bestand des chinesischen Störs ist gefährdet. In der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN wird er als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Ein gravierendes Problem ist die zunehmende Verbauung der Flüsse in China. Staudämme schneiden den Zugang zu den Laichplätzen ab. Rosenthal fordert deshalb, die Durchlässigkeit der Gewässer zu garantieren. Um das zu erreichen, tritt die Weltgesellschaft zum Schutz der Störe Politik, Wirtschaft und zuständigen Behörden ständig auf die Füße.Als die Organisation vor zwölf Jahren an den Start ging, kamen die Gründungsmitglieder aus acht Ländern. Inzwischen hat der Verein Mitglieder in 25 Nationen und ist in fast allen Ländern, in den Störe heimisch waren oder noch sind, aktiv.

2007 hat die Weltgesellschaft im Europarat einen Aktionsplan zur Rettung des europäischen Störs vorgestellt. Auf der Basis wurden nationale Pläne zum Schutz des Störs erarbeitet. Das ferne Ziel: eine Stör-Population, die sich selbst erhält in einer Größe, die einen kontrollierten Fang erlaubt. Gessner schätzt, dass das mindestens noch 50 Jahre dauert. „Das werde ich wohl nicht mehr erleben.“