Hamburg. Neue Gewässeruntersuchung: Es gibt 50 einheimische Arten. Hinzu kommen „Einwanderer“ wie der Sonnenbarsch und die Schwarzmundgrundel.

Der- zeit ist Stintsaison. Tonnenweise werden die schmackhaften kleinen Fische vor Zollenspieker in Reusen gefangen und in Gaststätten verbraten. Dennoch ist die Art in Hamburg ungefährdet. „Mehr als 90 Prozent der in der Elbe lebenden Fische sind Stinte“, sagt Prof. Ralf Thiel vom Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg. Zusammen mit seiner Frau Renate hat Thiel im Auftrag der Umweltbehörde einen Hamburger Fischatlas erarbeitet, den die Universität am Dienstag präsentierte.

57 Arten von Fischen und Neun-augen besiedeln die Hamburger Stadtgewässer. Darunter sind sieben Einwanderer, etwa der Sonnenbarsch aus Nordamerika oder die Schwarzmundgrundel aus dem Schwarzen, Mamara- und Kaspischen Meer, die erst 2008 im Hamburger Hafen entdeckt wurde. Für die 50 einheimischen Arten untersuchten Renate und Ralf Thiel, ob die Bestände stabil oder gefährdet sind. Fazit: 25 Arten sind relativ häufig, 21 eher selten, zwei extrem selten.

Der Maifisch und der Europäische Stör sind in Hamburg bereits ausgestorben. Seit einigen Jahren laufen Vorbereitungen, die Störe wieder anzusiedeln. Erste Pionierfische wurden in der Unterelbe sowie in den Nebenflüssen Oste und Stör ausgesetzt. Sie sollen zeigen, ob die Art ausreichend gute Lebensbedingungen finden würde. Doch bis zu einem echten Comeback ist der Weg noch weit. „Die Art ließe sich nur dann wieder ansiedeln, wenn über Jahre ausreichend Besatzmaterial zu bekommen wäre. Doch der Europäische Stör, der einzig im französischen Fluss Gironde überlebte, lässt sich nur schwer vermehren.“

Wie schwierig es ist, verschollene Arten zurückzubringen, zeigt der Atlantische Lachs. Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzen Sportfischer alljährlich jede Menge Jungfische in der Unterelbe und ihren Zuflüssen aus, aber bis heute hat sich kein Bestand gebildet, der selbstständig überleben könnte. „In ganz Europa waren die wenigsten Ansiedlungsversuche erfolgreich“, sagt Thiel.

Alles in allem geht es der Hamburger Fischwelt aber besser als bei der
vorangegangenen großen Bestandsaufnahme im Jahr 1991. Für 14 Arten registrierten die Forscher deutliche Zunahmen. Dem steht nur eine Art mit negativem Trend entgegen: der Karpfen. Aber sein Bestand bleibt ungefährdet.

Als größtes Problem sieht Ralf Thiel Wehre und andere Bauten, die Fische daran hindern, ein Gewässer zum Laichen hinaufzuschwimmen. Bei der Elbe habe die 2010 in Betrieb genommene Geesthachter Fischtreppe für Abhilfe gesorgt, so Thiel, allerdings müsse sie kontrolliert werden, damit sie langfristig ihre Funktion erfüllt.

Von der Aufstiegshilfe profitierten alle Wanderfische, sagt der Forscher, zum Beispiel auch der Schnäpel, der in Hamburg stark gefährdet ist. Er heißt auch Maräne und wird etwa einen halben Meter lang. Inzwischen seien die ersten Exemplare wieder an ihren historischen Laichplätzen unterhalb Magdeburgs gesichtet worden, erzählt Ralf Thiel.

Auch der Klimawandel könne zu Problemen führen, sagt Thiel: „Er unterstützt Einwanderer wie die Schwarzmundgrundel. Erfahrungen aus dem Nord-Ostsee-Kanal und aus der Trave deuten daraufhin, dass die Art heimische Fischarten potenziell verdrängen könnte.“ Viel dagegen unternehmen lässt sich nicht: „Man kriegt die Schwarzmundgrundel nicht mehr aus den Gewässern heraus.“

Trotz großer Fortschritte bei der Wasserqualität gefährden zu viele Schad-, Nähr- und Schwebstoffe die Fischfauna. Wenn Algenblüten oder Schwebstoffe verhindern, dass Licht ins Gewässer eindringt, so leiden darunter die Unterwasserpflanzen. Mickert das Grün am Flussgrund, so fehlt es den Fischen, die an
den Pflanzen laichen wollen. Verrottende Algenmassen zehren Sauerstoff in einem Maße, dass die Elbe und ihre Wasserbewohner Atemnot bekommen können. Wird über Kühlwasser zusätzliche Wärme eingeleitet, so sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers noch stärker ab. Im Hamburger Hafen und in der Stromelbe vor Blankenese können die Werte so stark sinken, dass in größerem Umfang Fische sterben.

Der Schlammpeitzger hat ganz andere Probleme. Der rund 25 Zentimeter lange aalartige Fisch kann in sauerstoffarmen Gewässern überleben, denn er kann den Sauerstoff über seinen stark durchbluteten Darm aufnehmen. Der spezielle Fisch war einst in Hamburg weit verbreitet, in Alster und Elbe sowie deren Nebenflüssen und Kanälen. Heute hat er sich in Gräben und anderen Gewässern der Vier- und Marschlande, in Wilhelmsburg sowie Altenwerder, Finkenwerder, Neuenfelde zurückgezogen und gilt im Fischatlas als gefährdete Art.

Vor eineinhalb Jahren machte der Schlammpeitzger von sich Reden. Denn er lebt auch in einer verkehrsgünstig gelegenen Grünfläche an der Autobahnanschlussstelle Harburg, die ab 2020 für die Ansiedlung von Unternehmen vorgesehen ist – ein millionenschwerer Logistikpark soll dort entstehen. Nicht jeder Fisch auf Hamburger Stadtgebiet macht den Menschen so viel Freude wie der Stint.