Vereine und Schulen müssen unverpackte Lebensmittel kennzeichnen, wenn sie die verkaufen. Wie das ehrenamtliche Heimatmuseum in Wilhelmsburg auf die EU-Lebensmittelinformationsverordnung reagiert hat.

Wilhelmsburg. Geht von Omas selbst gebackenen Käsekuchen nach altem Familienrezept eine Gefahr aus? Manchmal schon, sagt die Europäische Union (EU). Allergikern könnten manche Inhaltsstoffe zusetzen.

Deshalb schreibt die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung auch für den Verkauf von unverpackten Lebensmitteln wie Kuchen, Würstchen oder Kartoffelsalat die Allergenkennzeichnung vor. Das EU-Recht macht damit ehrenamtliche Vereine, die mit dem Kuchenverkauf die Vereinskasse aufbessern, zu verantwortlichen Lebensmittelherstellern.

Betroffen können auch Schulbasare oder die Stadionwurst im Amateurfußball sein. Wer nicht auszeichnet, dem könnte ein Bußgeld drohen.

Bis zu 25 Frauen backen für das Café des ehrenamtlich geführten Museums Elbinsel Wilhelmsburg regelmäßig Kuchen. Der Verkauf trägt dazu bei, den Betrieb des kleinen Heimatmuseums zu sichern. Seit der Saisoneröffnung am 15. März weist ein Schild an der Wand des Museumscafés Kunden darauf hin, dass die Ware Milch, Eier und Gluten enthält, Sesamsamen oder Senf verarbeitet sein könnten und Weichtiere darin zumindest nicht ausgeschlossen seinen.

Ziffern auf den von ehrenamtlichen Museumsmitarbeitern angefertigten Schildern vor den Torten weisen auf allergene Inhaltsstoffe hin, die der Kunde an dem Wandaushang identifizieren kann.

Mit der Kennzeichnung hat der Museumsverein auf die EU-Lebensmittelinformationsverordnung reagiert. Auf eigene Initiative, eine Aufforderung einer Behörde habe es nicht gegeben, sagt der Vereinsvorsitzende Jürgen Drygas.

Das Heimatmuseum in Wilhelmsburg dürfte damit zu den Vorreitern in der Hamburger Vereinslandschaft zählen. Kein Zweifel: Das neue Lebensmittelrecht bereitet den Ehrenamtlichen zusätzliche Arbeit und Kopfzerbrechen.

Bei einem Treffen am vergangenen Donnerstag schwor Jürgen Drygas alle 25 Kuchenfrauen auf eine Verhaltensregel ein: Wenn ein Gast nach einem bestimmten Inhaltsstoff frage und unklar sei, ob der Kuchen ihn enthalte, solle das Café-Personal davon abraten, den Kuchen zu essen. „Dann sind wir auf der sicheren Seite“, sagt der Museumsvereinsvorsitzende.

Seit dem 13. Dezember 2014 verlangt der Gesetzgeber, auch nicht verpackte Lebensmittel mit den 14 häufigsten Stoffen zu kennzeichnen, die Allergene oder Unverträglichkeiten auslösen können.

Lebensmittelunternehmer im Sinne der EU-Lebensmittelinformationsverordnung ist nicht nur ein kommerzielles Unternehmen, sondern jeder, der Speisen zum Verkauf anbietet. Bietet ein Verein zur Betreuung von Kindern gegen Geld ein Mittagessen, gilt er als Lebensmittelunternehmer.

Laut dem Informationsportal vereinsknowhow.de seien sogar Vereinsfeste, in deren Eintrittsgeld eine Abendverpflegung eingeschlossen ist, oder ein Kuchenbasar in der Verantwortung, einen beauftragten Caterer nur dann zuzulassen, wenn er die Vorgaben der Lebensmittelinformationsverordnung erfüllt.

Nur wer regelmäßig Speisen verkauft, ist zur Kennzeichnung verpflichtet. Was regelmäßig genau bedeutet, regele die Verordnung jedoch nicht, heißt es beim der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Das Museum Elbinsel öffnet während seiner Saison an jedem Sonntag und geht deshalb von einem regelmäßigen Speisenverkauf aus. Das bestätigt auch die Verbraucherschutzbehörde. Unter regelmäßigen Verkauf würde wohl auch die Stadionwurst bei Fußballspielen fallen, heißt es dort noch.

„Das kann doch unmöglich für ehrenamtlich geführte Cafés gelten“, schoss es Jürgen Drygas durch den Kopf, als der Museumsvorstand Ende des vergangenen Jahres zum ersten Mal von der Kennzeichnungspflicht erfuhr. Doch Ausnahmen für Ehrenamtliche suchte er bei seinen Recherchen vergeblich.

Die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung ist eine Reaktion auf die Tatsache, dass etwa jeder vierte EU-Bürger von einer Lebensmittelunverträglichkeit oder Allergie betroffen sein soll. Weil es um Verbraucherschutz gehe, hat Jürgen Drygas inzwischen Verständnis für die zusätzliche Bürokratie: „Die Kennzeichnung, was Lebensmittel enthalten, hat schon ihre Berechtigung“, sagt er.

Andere Vereine, die unverpackte Speisen verkaufen, würden erst einmal abwarten, hat Jürgen Drygas bei seinen Recherchen erfahren. Die Verordnung sieht zwar Sanktionen vor. Die Höhe der Ordnungsgelder sei aber nicht geregelt, heißt es bei der Hamburger Verbraucherschutzbehörde.

Sanktionen seien im Einzelfall zu prüfen. Zuständig für Kontrollen seien die Bezirksämter. „Wir werden aber keine Spezialkräfte losschicken, um die Einhaltung der Verordnung zu überprüfen“, sagt ein Behördensprecher.

Kontrollen würden vielmehr nach Hinweisen erfolgen. Auf diesem Weg droht auch den Cafés von Vereinen oder den Kuchenbasaren von Schulen Gefahr: Gastronomen, die Ehrenamtliche als Konkurrenz erachten, könnten Abmahnungen einfordern, die sich aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ergeben.