Harburg. Der neue monolithische Koalitions-Block bröckelt. Diskussion um die Geschäftsordnung. SPD-Fraktion gibt Rätsel auf.
Wenn die SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung (BV) zu Zeiten Ihrer Alleinherrschaft selbst bei Themen geschlossen abstimmte, die unter Sozialdemokraten kontrovers diskutiert wurden, sprach CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer gern vom „monolithischen Block“.
Seit beide Parteien in der Großen Koalition mehr oder weniger friedlich vereint sind, hat man davon nichts mehr gehört. Dass die Harburger Groko jetzt von vielen aber ähnlich wahrgenommen wird, ficht die graue Eminenz des Kommunalparlaments nicht an.
Cornelia Klewer kommt derweil das Verdienst zu, den neuen „monolithischen Block“ aufgebrochen zu haben. In der jüngsten BV-Sitzung am Dienstagabend im großen Festsaal des hiesigen Rathauses wollte die vierfache Mutter aus Neugraben zur Debatte um sozialen Wohnungsbau auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger-Kaserne eine Frage stellen – und sorgte mit ihrem Ansinnen für heilloses Chaos.
Manfred Schulz (SPD), der BV-Vorsitzende, wollte der Bürgerin, ganz bürgernah, das Stellen ihrer Frage ermöglichen. Das aber ist nach der Geschäftsordnung der Bezirksversammlung nicht zulässig. Deshalb wollte Schulz die Statuten etwas beugen und forderte die Abgeordneten auf, über eine Ausnahmeerlaubnis abzustimmen.
Die gesamte Opposition hatte sofort die Hände oben, während SPD-Geschäftsführer Jürgen Heimath dem Präsidium zuzischte, dieses Vorgehen verstoße gegen das Regelwerk der BV.
Viel interessanter war unterdessen, was sich in seinem Rücken abspielte. Denn dort hatten auch sieben Hinterbänkler der SPD-Fraktion die Hand gehoben und wollten Cornelia Klewer Rederecht einräumen. „Gut gemeint, ist nicht automatisch gut gemacht“, kommentierte Heimath später die peinliche Panne:„Wenn wir so etwas einmal zulassen, dauern BV-Sitzungen künftig doppelt so lange, das kann niemand wollen.
Für Fragen der Bürger gebe es die „Öffentliche Fragestunde“ am Anfang jeder Sitzung. Während der Debatte dürften sich aber ausschließlich Abgeordnete zu Wort melden.
Diese Regularien hat Dierk Trispel, Rechtsdezernent des Bezirksamtes, am Anfang der Neuen Legislaturperiode im Herbst vergangenen Jahres in einer Informationsveranstaltung für alle interessierten Abgeordneten auch noch mal ausführlich dargelegt. „Offenbar hat er nicht bei allen Gehör gefunden“, so Heimath sarkastisch, anders könne er sich das Geschehen vom Dienstagabend nicht erklären. Was auch als deutliche Kritik in Richtung des BV-Chefs und Parteifreundes Manfred Schulz gewertet werden kann.
Ob er sich auch noch mal seine Kollegen aus der zweiten und dritten Reihe zur Brust nehmen werde, ließ Heimath unbeantwortet. Was die bei der jüngsten Bezirkswahl schwer abgewatschten Sozialdemokraten (Verlust der absoluten Mehrheit) zuallerletzt gebrauchen kann, sind weitere Abweichler.
Die verheerendste Auseinandersetzung zum Thema hatte die SPD-Fraktion im Vorjahr, als es um unterschiedliche Ansichten zum Fraktionsstatus für die beiden verbliebenen FDP-Abgeordneten Carsten Schuster und Viktoria Pawlowski ging.
Der Streit endete mit dem Austritt der beiden SPD-Abgeordneten Barbara Lewy und Anna-Lena Bahl. Der letztlich in die Bildung der Fraktion Neue Liberale mündete.
So blieb die Frage Cornelia Klewers unbeantwortet, ob denn der Investor eines Wohnungsbauprojekts an die Zusage gebunden ist, mindestens ein Drittel geförderte Wohneinheiten zu erstellen. Denn sie würde sehr begrüßen, dass im neuen Wohnquartier Fischbeker Heidbrook, das nur einen Steinwurf vom Domizil ihrer Familie entfernt liege, „soziale Ausgewogenheit“ herrsche.
Daran zeigte auch CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer großes Interesse. Und zwar nicht etwa, weil er selbst gleich um die Ecke wohnt. Vielmehr gebe es an der Grundschule Ohrnsweg, die sich in den zurückliegenden Jahren einen positiven Ruf erarbeitet habe, eine „negative Entwicklung“ hinsichtlich der Schülerzahlen.
Diese Tendenz könnte sich nach Fischers Ansicht durch die neue Flüchtlingsunterkunft am Aschenland und den Zuzug weiterer Asylsuchender noch verschärfen. Weshalb natürlich auch an der Begrenzung auf 690 Wohneinheiten im Fischbeker Heidbrook nicht gerüttelt werden dürfe.
Gekommen war Cornelia Klewer übrigens wegen der Debatte um die endgültige Herstellung von Straßen. Hier will die CDU-Fraktion auf eine Teilabrechnung und eine genaue Prüfung tatsächlich notwendiger Baumaßnahmen drängen.
Was die Mutter im Interesse ihrer mehrköpfigen Familie ausdrücklich begrüßte. Und so an diesem Abend das Rathaus doch noch mit einem „guten Gefühl“ verließ.