Die Serie im Hamburger Abendblatt: „Zeitzeugen – wie wir wurden, was wir sind“. Heute: Hofbäcker Heiko Hieronymus heizt am Sonntag den Museumsofen an.

Ehestorf. Mit dem Schlachtschwengel ins Fischerhaus, vom Kartoffelacker in die 50er-Jahre-Küche und auf dem Lanz-Bulldog übers Feld: Alltagsgegenstände im Freilichtmuseum am Kiekeberg machen die Geschichte von Menschen aus der Region erlebbar. Für das Abendblatt erinnern sich „Zeitzeugen“ und Experten, wie wir wurden, was wir sind. Und weil auch die niederdeutsche Sprache seit jeher ein fester Bestandteil der deutschen Kultur ist, gibt es jeden Teil der neuen Abendblatt-Serie „op Platt“, übersetzt von Jasper Vogt. Heute: Hofbäcker Heiko Hieronymus und sein Ofen.

Der Moment, in dem Heiko Hieronymus, 49, das Backhaus betritt, und den Geruch vom gebackenen Brot wahrnimmt, ist für ihn schnelles Glück. „Diese Duftmischung aus Holzaromen und gebackenem Brot ist einfach unbeschreiblich“, sagt er. Von Mai bis Oktober backt der Hofbäcker des Museumsbauernhofs Wennerstorf jeden Sonnabend frisches Brot im Backhaus des Smeds Hoff, das im Hökerladen angeboten wird.

Das geschieht auf ganz traditionelle Weise im Lehmbackofen. Heiko Hieronymus heizt den Ofen schon Stunden vor dem eigentlichen Backvorgang mit einem Holzfeuer auf. Wenn der Ofen etwa nach zwei Stunden an der Innenseite überall weiß ist, hat er die nötige Hitze – 300 Grad.

Bevor die Brote in den Ofen kommen, hakt er verbliebene Asche und Glut auf und wischt den Ofen mit einem feuchten Tuch aus. Allein mit der gespeicherten Wärme des Ofens werden die Brote dann zwei bis drei Stunden gebacken.

Früher mussten sämtliche Brote auf einmal gebacken werden, weil es nicht so viel Brennholz gab. Nachheizen war auch schwierig. „Man konnte ja nicht wie heute einfach an einem Knopf drehen und dadurch nachhelfen“, sagt Hieronymus. Die traditionelle Backweise anzuwenden setzt voraus, dass Hieronymus genau weiß, wie lange, welche Art von Teig im Backofen bleiben muss.

Der Brotteig wurde am Tag vor dem eigentlichen Backtag in einem großen Trog angesetzt. Alle Hausbewohner halfen mit beim Kneten und Formen. Anschließend musste er über Nacht „gehen“. Etwa anderthalb Pfund Sauerteig kamen auf einen Zentner Roggenmehl.

Die Zubereitung des Teigs war meistens Frauenarbeit, während die Männer die Arbeit am Ofen verrichteten. In der Zeit, in der der Bauer, der Häusling oder der Schäfer den Ofen anheizten, vermischte die Bauersfrau mit den Mägden den gut aufgegangenen Teig mit Mehl bis er steif war.

Das Kneten war eine ziemlich anstrengende Sache. Denn für einen großen Hof mussten 15 bis 20 Personen mit 30 bis 40 Broten von jeweils zehn Pfund versorgt werden. Da war es von Vorteil, dass nicht jede Woche gebacken wurde. Im Winter wurde der Ofen alle vier bis sechs, im Sommer alle drei bis vier Wochen angeworfen.

Auf den Backtag freuten sich alle Mitglieder der Hofgemeinschaft. Es war eine Abwechslung vom Jahresablauf, verbunden mit der verheißungsvollen Aussicht, endlich nicht mehr hartes Brot essen zu müssen. Auch Hieronymus kann es gar nicht erwarten, dass die Backsaison endlich beginnt. Dann kann er wieder mit verschiedenen Brotsorten experimentieren. „Als Museumsbäcker habe ich ein Glück die Freiheit, das zu tun“, sagt er. Hanfbrot und Apfelbrot hatte er schon im Angebot. „Das kam sehr gut an“, so Hieronymus.

Solche exotischen Sorten waren vor zweihundert Jahren undenkbar. Bis Ende des 19. Jahrhunderts aßen die einfachen Leute auf dem Land überwiegend grobes Roggenvollkornbrot, selbst der Verzehr von hellem Fein- oder Weizenbrot war sehr selten. „Es war ja wichtig, dass das Brot lange haltbar war“, sagt Hieronymus. „Es wurde schließlich auf Vorrat gebacken. Da ging es auch um das Wirtschaftliche.“

Ein Backhus gehörte bis ins 19. Jahrhundert hinein zu vielen Bauernhöfen in der Nordheide dazu. Damit die neben stehenden – meistens mit Roggenstroh gedeckten - Bauten nicht abfackelten, wenn im Backhus das Torf oder das Holz im Ofen brannte, stand es immer ein wenig entfernt von den übrigen Gebäuden. „Ein Feuer war damals etwas ganz verheerendes“, betont Heiko Hieronymus.

Häufig wohnten die Häuslinge, die auf dem Hof arbeiteten, in dem Backhaus. Sie hatten sicherzustellen, dass der Ofen in Ordnung war und mussten gelegentlich den Bauern beim Heizen vertreten.

Meistens baute der Bauer, der Schäfer oder der Häusling den Ofen. Auf einen Sockel an Findlingen wurde eine Backfläche aus Lehm oder Ziegelsteinen gesetzt. Die Kuppel des Ofens bestand aus einem Reisiggeflecht, das mit Stroh und Lehm bestrichen wurde. Selbst noch im 20. Jahrhundert entstanden neue Backhäuser, beispielsweise 1926 in Appelbüttel.

Doch das selbst gebackene Brot verlor an Attraktivität, als sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstärkt Berufsbäcker in den Dörfern niederließen. Damit begann auch die Ära des Weißbrots, das wie andere feine Backwaren auch, stärker konsumiert wurde.

Heute aber erfreut sich das Lehmback-Brot den Bäckerei-Ketten zum Trotz immer größerer Beliebtheit, und so lebt die alte Tradition des Brotbackens zumindest ein bisschen wieder auf. Hieronymus glaubt, das Brot stehe wegen seines unverwechselbaren Geschmack so hoch im Kurs. Er jedenfalls schwört auf das Röstaroma und auf die stark ausgebildete Kruste.