Alltagsgegenstände im Freilichtmuseum am Kiekeberg machen Geschichte erlebbar. Zeitzeugen erinnern sich, wie wir wurden, was wir sind. Heute: Treckergeschichten von und mit Hans-Joachim Schmidt.

Ehestorf. Mit dem Schlachtschwengel ins Fischerhaus, vom Kartoffelacker in die 50er-Jahre-Küche und auf dem Lanz-Bulldog übers Feld: Alltagsgegenstände im Freilichtmuseum am Kiekeberg machen die Geschichte von Menschen aus der Region erlebbar.

Für das Abendblatt erinnern sich „Zeitzeugen“, wie wir wurden, was wir sind. Und weil auch die niederdeutsche Sprache seit jeher ein fester Bestandteil der deutschen Kultur ist, gibt es jeden Teil der neuen Abendblatt-Serie „op Platt“, übersetzt von Jasper Vogt. Heute: Trecker-Geschichten von und mit Hans-Joachim Schmidt.

Hans-Joachim Schmidt ist ein waschechter „Trekkie“. Zwar keiner im üblichen Sinne. Denn mit Raumfahrt und Außerirdischen hat der gebürtige Wendländer nur wenig am Hut. Dafür liebt er ausnahmslos alle Landmaschinen, die ein paar Pferdestärken unter der Kühlerhaube haben. Der Lanz-Bulldog spielt dabei eine ganz besondere Rolle.

Mit der Dampfdreschmaschine verbindet Schmidt viele schöne Erinnerungen an die eigene Kindheit. Der Lanz hat seine Leidenschaft für kraftvolle Trecker geweckt, die ihn bis heute umtreibt. „Das Leben als kleiner Junge im Wendland war ziemlich langweilig. Es gab für uns nicht viel zu tun. Nur, wenn der Bulldog irgendwo zwischen Wald und Wiese auftauchte, wurde es richtig spannend“, erzählt Schmidt.

Am Berg habe der Lanz immer die Nase vorn gehabt, sagt Schmidt. „Er war der Stärkste und zog immer an allen anderen vorbei. Außerdem machte er einen wahnsinnigen Lärm. Das hat uns Kindern sehr gefallen.“

Der Vater seines Schulfreundes hatte so eine „Höllenmaschine“ in der Scheune stehen. „Einen 45er-Glühkopf-Bulldog“, sagt Schmidt. „Wenn wir frei hatten und seine Eltern nicht zuhause waren, haben wir immer versucht, den Trecker anzuwerfen. Wir haben uns dabei richtig abgeastet. Geklappt hat das aber nie“, erzählt Schmidt. Einfach den Schlüssel umdrehen und losfahren?

„Funktioniert nicht“, sagt der Experte. Denn der Bulldog hat weder Schlüsselloch noch Batterie, Bremsen und Anlasser. Wer ihn zum Fahren bringen möchte, braucht vor allem eine Heizlampe, Brennspiritus, Benzin, ein Feuerzeug und das Lenkrad. Zum Starten muss die Glühnase, die sich im Zylinderkopf befindet, zum Glühen gebracht werden.

Nach etwa zehn Minuten wird er dann per Hand mit dem Lenkrad angekurbelt. Spätere Varianten des Bulldog ließen sich mit Benzin starten und wurden, nachdem sie warm gelaufen waren, auf Diesel umgestellt. Daher befand sich im Zylinderkopf zusätzlich zur Einspritzdüse eine Zündkerze.

Der erste Bulldog von Fritz Huber hatte 12 PS und lief 1921 vom Band. Die Brennstoffgleichgültigkeit der Lanz-Bulldogs ist bis heute unübertroffen. So begnügte sich der Einzylinder-Glühkopfmotor sogar mit Teerölen, Destillationsrückständen wie Naphta und Mazut und sonstigen Schwerölen, für die es bis dahin keinen Motor gab.

„Der läuft aber auch mit warmgemachter Margarine. Ich habe auch schon einmal Speiseöl aufgegossen. Das war überhaupt kein Problem - und kostengünstig noch dazu“, unkt Schmidt. Mittlerweile hat er auch in der eigenen Garage einen Bulldog stehen. Als er damit vor 20 Jahren auf sein Grundstück ins Neu-Eckeler-Neubaugebiet knatterte, hätten ihn seine beiden Töchter beinahe für verrückt erklärt.

„Die zwei hielten mich wegen meiner Sammelleidenschaft sowieso schon für einen Schrotthändler“, erzählt er schmunzelnd. Denn zu Spitzenzeiten standen auf seinem Hof bis zu 15 Trecker. Seine „Schätze“ nahm er sogar hin und wieder mit in den Urlaub.

Mit Hanomag, Zirkuswagen, Golden Retriever und Frau Jutta ging es dann kurzerhand ab an die Müritz. Eines seiner liebsten Stücke ist bis heute der luftgekühlte Deutz mit 15 PS. „Den hat mir meine Frau zum 40. Geburtstag geschenkt“, erzählt er. Aber auch am „Unimog 411“ hängt Schmidts Herz.

Sein Hobby hätte Schmidt gern zum Beruf gemacht. „Aber mein Vater hatte andere Pläne für mich. Er wollte, dass ich was Anständiges lerne“, erzählt er. So landete er schließlich als Beamter im Finanzamt, arbeitete bis zu seiner Pensionierung mit 65 Jahren als Betriebsprüfer.

Die Entwicklung in der Landmaschinen-Technik habe er aber über die Jahre hinweg mit großem Interesse verfolgt. „Es ist enorm, welche Sprünge in kurzer Zeit möglich waren. Heute hat ein Trecker mit 360 PS und GPS-Steuerung mehr Technik als ein Sportwagen“, erzählt Schmidt.

Auf dem „Entdeckertag: Landtechnik“ im Freilichtmuseum am Kiekeberg können Besucher am Sonntag, 9. Februar, von 10 bis 18 Uhr, sowohl historische als auch moderne Landtechnik in Aktion erlebe. Treckerexperte Hans-Joachim Schmidt heizt den Lanz-Bulldog an und erklärt die Entwicklung vom Glühkopfmotor bis zum modernen Traktor.

Landwirt Herrmann Dieck gibt Einblicke in die Landwirtschaft von vor 100 Jahren bis heute. Einblicke in die Welt des landtechnischen Modellbaus gewährt das 1:31-RC-Team. Die Mitglieder führen ausgewählte Ausstellungsstücke und selbstgebaute ferngesteuerte Landtechnikmodelle vor. Das Agrarium feiert an diesem Tag zudem eine Premiere: Die neue Mitmachstation der Drillmaschine wird eingeweiht.