Das Pilotprojekt „Kommunale Familienzeitpolitik“ soll die Lebensqualität und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Neu Wulmstorf beteiligte sich und gewann wichtige Erkenntnisse.
Neu Wulmstorf. Ein Tag hat 24 Stunden. Daran lässt sich nicht rütteln. Familien stellt das manches Mal vor große Herausforderungen. Dass sie nicht nur Geld, sondern vor allem ausreichend Zeit und gute Infrastrukturen brauchen, um den Alltag flexibel und verantwortungsvoll zu gestalten, hat sich mittlerweile bis nach Berlin herumgesprochen. Um die Lebensqualität und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern, hat das Familienministerium deshalb vor eineinhalb Jahren das Pilotprojekt „Kommunale Familienzeitpolitik“ auf den Weg gebracht. Neu Wulmstorf war daran als eine von fünf Kommunen beteiligt. Nun stellten Experten die Ergebnisse im Rathaus vor.
16 Neu Wulmstorfer Familien führten über viele Monate hinweg Tagebuch, notierten Probleme und Schwierigkeiten im Alltag. Die Verwaltung nahm Kontakt zu Unternehmen auf und ließ Arbeitgeber Fragebögen ausfüllen. Expertenrunden erarbeiteten Handlungsfelder und entwickelten Lösungsansätze. Viele Ideen sind bereits umgesetzt. So gibt es mit B.E.N. einen „Betreuungsengpass-Notruf“, der Eltern in Notfallsituationen flexibel und kompetent unterstützt. Seit Sommer bietet die Grundschule eine Frühbetreuung an; in den Ferien betreut der Heidehort die Schulkinder. Die Gemeinde reduzierte im August die Kitagebühren.
Die Bücherei hat sonnabends länger geöffnet. Die Kitas schließen neuerdings erst um 18 Uhr. Termine mit den Verwaltungsmitarbeitern können auch außerhalb der Öffnungszeiten vereinbart werden. Und ab 2. Januar ist dann auch das Rathaus an zwölf Stunden in der Woche telefonisch über eine Servicehotline erreichbar. In Arbeit ist unter anderem eine Mitfahrgelegenheits-Börse, die künftig per Button auf der neuen Homepage der Gemeinde erreichbar sein soll.
Nicht funktioniert habe hingegen die Idee, Patenschaften für Neubürger einzurichten. „Das Ding ist in die komplett in die Hose gegangen. Kein alter Neu Wulmstorfer hat sich für die neuen interessiert“, flakste Rosy Schnack. „Daran müssen wir also noch arbeiten.“
Dass sich in den vergangenen 18 Monaten viel zum Positiven verändert hat, nehmen auch die Bürger wahr. Unter der Moderation von Elisabeth Goos bewerteten sie auf der Abschlussveranstaltung die einzelnen Projekte. Besonders viel Lob gab es für das große Betreuungsangebot. Wenig Pluspunkte sammelte hingegen das Handlungsfeld „Überstunden und Arbeit“. „Ich glaube, da müssen sie dringend ran.
Die Frage ist, wie für die Neu Wulmstorfer Familien flexible Arbeitszeiten geschaffen werden können“, sagte Petra Mackroth, Unterabteilungsleiterin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Es wäre wünschenswert, wenn Familien künftig der Taktgeber des Alltags sind – und nicht die Arbeitszeiten.“ Arbeitgeber sollten daher noch stärker in die Verantwortung genommen werden, so Mackroth.
Dass, was bislang erreicht wurde, wertete Neu Wulmstorfs Bürgermeister Wolf Rosenzweig als durchweg positiv. Die Teilnahme am Pilotprojekt sei eine große Hilfe gewesen, betonte er. „Wir sind nicht nur dankbar, sondern auch stolz, dass wir mitwirken durften“, so Rosenzweig. Weil eben nicht die Metropole Hamburg an dem Prozess beteiligt wurde, sondern Neu Wulmstorf. Und weil das Projekt viele Dinge angestoßen habe, die der Allgemeinheit zugute komme. „Darauf werden wir uns aber nicht ausruhen oder jetzt in Stillstand verfallen. Wir haben noch viel vor“, sagte der Bürgermeister.
Die gewonnenen Erkenntnisse dienten außerdem als Baustein auf dem Weg in eine tragfähige Zukunft, die nun mit Hilfe des Konzeptes Neu Wulmstorf 2025 weiterentwickelt werden solle. „Neu Wulmstorf hat schon heute viel für junge Familien zu bieten. Aber sie müssen in Zukunft auch den veränderten Bedürfnissen einer älteren Bevölkerung gerecht werden“, bemerkte Thomas Wilken von Kontor 21. Familienfreundlichkeit und das Miteinander der Generationen sollten daher als Leitziele im Zukunftskonzept verankert werden.