Neu Wulmstorf ist einer von fünf deutschen Standorten eines Modellprojektes des Bundesfamilienministeriums. Erste Ergebnisse im November.

Neu Wulmstorf. Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist für viele Eltern oft mit großen organisatorischen Anstrengungen verbunden. Um berufliche Verpflichtungen und persönliche Bedürfnisse in Zukunft besser miteinander vereinbar zu machen, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein spezielles Programm aufgelegt. Kernelement ist ein einjähriges Modellprojekt an fünf Pilotstandorten in Deutschland, zu denen auch die Gemeinde Neu Wulmstorf gehört. Mithilfe einer Fragebogenaktion und Familientagebüchern will das Rathaus-Team nun sogenannte "Zeitfresser" aufspüren. Die Umfrage läuft noch bis zum 15. Oktober. Erste Ergebnisse des Projektes will die Gemeinde am 24. November vorstellen.

Neben den Städten Aachen und Herzogenrath, dem Landkreis Donau-Ries und dem Saalekreis wurde Neu Wulmstorf bereits im Mai vom Bundesministerium als Modellkommune für das Projekt "Kommunale Zeitpolitik für Familien" ausgewählt. Pünktlich zum Aktionstag der bundesweiten Initiative "Lokale Bündnisse für Familie", für die sich die Gemeinde bereits seit 2007 tatkräftig und mit vielen verschiedenen Aktionen engagiert, fiel der Startschuss für das neue Programm.

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hatte bei der Vorstellung des Modellprojektes in Berlin betont, dass Familien tagtäglich mit vielfältigen Zeitkonflikten konfrontiert würden. "Mütter und Väter möchten ihren Kindern gute Entwicklungschancen ermöglichen, familiäre Fürsorge für ältere und hilfebedürftige Menschen übernehmen oder sich zivilgesellschaftlich engagieren". Damit das gelingt, brauche die Gemeinschaft aber eine wirkungsvolle kommunale Familienzeitpolitik, die den Eltern mehr Gestaltungsspielräume lasse.

In Neu Wulmstorf beschäftigt sich das Projekt deshalb vor allem mit der Situation von Ein- und Auspendlern und deren spezifischem Bedarf an Kinderbetreuung, flexiblen Arbeitszeiten und angepassten Mobilitätsangeboten. In der 21.000-Einwohner-Gemeinde am südwestlichen Stadtrand Hamburgs leben viele Doppelverdiener und Berufspendler. Zeitknappheit entsteht vor allem, weil Arbeits- sowie Wohn- und Betreuungsort oft weit auseinander liegen. Häufig haben berufstätige Eltern auch kein familiäres Netzwerk vor Ort, auf das sie bei der Kinderbetreuung zurückgreifen können. In das Projekt wurden auch die Unternehmen vor Ort eingebunden, um den Bedarf bei insgesamt 3500 Beschäftigten zu ermitteln - insbesondere den Bedarf an einer arbeitsplatznahen Kinderbetreuung.

Die Gemeinde denkt bereits über eine stärkere Kooperation mit den Betreuungseinrichtungen sowie die Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen nach. So könnten einige Dienstleistungen künftig im Internet angeboten werden. "Das würde die Familieninfrastruktur insbesondere in den Randlagen der Gemeinde stärken", betont Bürgermeister Wolf-Egbert Rosenzweig. Die Teilnahme am Pilotprojekt versteht er als große Chance, mit Familien, Arbeitgebern und anderen Taktgebern ins Gespräch zu kommen, um Müttern und Vätern aus der Gemeinde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter zu erleichtern. "Um genau erkennen zu können, welche Zeitfresser es im Alltag einer Familie gibt, haben wir die Fragebogenaktion gestartet. Wir wollen wissen, wo der Schuh drückt, wann die Zeit für Familien besonders knapp ist und welche Rahmenbedingungen die Zeitkonflikte verursachen", sagt Rosenzweig.

Die Fragen an die Teilnehmer sind vielfältig: So geht es neben Alter, Geschlecht und Bildungsstand beispielsweise darum, wie viel Zeit und Kilometer eine Familie täglich für die Fahrten zum Arbeitsplatz, zu Behörden, Arztpraxen, Freizeitbeschäftigungen und Betreuungseinrichtungen zurücklegt, welche Verkehrsmittel dafür genutzt werden, wer die Mütter und Väter bei der Betreuung in Notfällen unterstützt, wie zufrieden die Familie mit dem Betreuungsangebot und den -zeiten vor Ort ist und wer die Hauptverantwortung in der Familie für alltägliche Dinge wie Wäsche waschen und Einkaufen trägt. Darüber hinaus wird danach gefragt, wann die Familie Stress erlebt, welche Dinge dazu beitragen, wofür dringend mehr Zeit benötigt wird und was Entlastung bieten könnte. Und zu guter Letzt eine Sinnfrage: "Was hätten Sie gern: Mehr Zeit oder mehr Geld?"

Parallel zur Fragebogenaktion hat das Rathaus-Team 16 Familien beauftragt, über einen Zeitraum von zwei Wochen ihren Alltag schriftlich in einem Tagebuch festzuhalten. Die Ergebnisse daraus - und erste Erkenntnisse aus der Umfrage - sollen am 24. November der Öffentlichkeit präsentiert und mit den Bürgern der Gemeinde diskutiert werden. Die Auswertung der Fragebögen übernimmt im Auftrag des Bundesfamilienministeriums ein externes Institut. Die Erhebungen in den Modellkommunen laufen bis zum Jahresende. Mit ersten verwertbaren Ergebnissen rechnet Christoph Steegmans, Leiter des Presse- und Informationsstabs, nicht vor dem Frühjahr 2013.