Ministerin Schröder: Arbeitsmarkt hat Entwicklungen verschlafen. Bürger wollen bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
Berlin. Wenn man die Deutschen nach ihrem größten Wunsch an die Familienpolitik fragt, steht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie an erster Stelle. Wie aus dem Familienmonitor 2012 hervorgeht, finden drei von vier Deutschen (74 Prozent), dort sollte der Schwerpunkt liegen. Unter den zehn wichtigsten Zielen der Politik allgemein rangiert die Vereinbarkeit von Job und Privatleben auf Platz neun. Auf Platz sieben steht die Forderung nach stärkerer Förderung von Familien. Davor rangieren unter anderem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Platz eins) und die Sicherung der Rente (Platz zwei).
Unterstützungsleistungen des Staates für Familien werden von den Bürgern überwiegend positiv eingeschätzt. So finden zwei Drittel der vom Institut für Demoskopie Allensbach Befragten, das Elterngeld sei eine gute Regelung. Drei Viertel der Deutschen beurteilen den Ausbau der Plätze für die Kinderbetreuung positiv. Nach dem umstrittenen Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, wurde nicht gefragt. Allerdings macht die Umfrage auch deutlich, dass viele berufstätige Mütter und Väter neben Arbeit und Haushalt gern mehr Zeit für ihre Kinder, den Partner oder sich selbst hätten.
Die überwiegende Mehrheit ist der Meinung, dass dabei dem Staat und den Unternehmen gleichermaßen Verantwortung zufällt. 89 Prozent der Eltern wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten. 65 Prozent wünschen sich Sonderurlaub, wenn das Kind krank ist und 61 Prozent sprechen sich für eine eigene Kinderbetreuung für den Nachwuchs der Mitarbeiter aus.
Allensbach-Chefin Renate Köcher sagte, dass Frauen ihr erstes Kind immer später bekämen. Waren 1995 rund 50 Prozent bereits im Alter zwischen 25 und 29 Jahren das erste Mal Mutter, liegt diese Prozentzahl derzeit bei 29 Prozent. Als Gründe für Kinderlosigkeit gaben Männer und Frauen unter 50 Jahren an, noch nicht den richtigen Partner gefunden zu haben, sich zu jung für Kinder zu fühlen oder sich durch Kinder in ihren Freiräumen eingeschränkt zu sehen. Erst an vierter Stelle nannten die Befragten berufliche Unsicherheit. An sechster Stelle sind finanzielle Gründe aufgeführt.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) forderte von Unternehmen mehr "Familiensinn". Der Arbeitsmarkt habe bei den gesellschaftspolitischen Veränderungen hinsichtlich der Berufstätigkeit von Männern und Frauen nicht Schritt gehalten. Die Ministerin betonte, dass der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, der im August 2013 in Kraft treten soll, nicht verhandelbar sei. Sie appellierte an die Länder, sich beim Ausbau anzustrengen und eventuelle Probleme sofort anzumelden. 59 Prozent der Befragten im Familienmonitor sind skeptisch, dass der Ausbau rechtzeitig gelingen wird.
Schröder sagte, eine ausreichende Betreuungsquote in jeder Stadt sei für die beruflichen Chancen von Frauen allemal wichtiger als eine starre Aufsichtsratsquote. Das war ihr Hinweis auf die gesetzliche Frauenquote, die sie ablehnt. Schröder verwies auch auf die geplante Flexibilisierung der Elternzeit. Der Gesetzentwurf sehe auch eine "Großelternzeit" vor, um einen frühen Wiedereinstieg junger Mütter in den Beruf zu ermöglichen.
Was die klassische Rollenverteilung betrifft, so legt der Familienmonitor offen, dass neun von zehn Männern sagen, sie könnte weder Wäsche waschen noch bügeln. Zugleich sagten 51 Prozent der vollerwerbstägigen Frauen aus, dass sie Kindererziehung und Hausarbeit in ihren Familien völlig allein neben dem Job schultern müssten.