Hamburg. „Superhost“ Renate Löwe bietet Zimmer in Flughafennähe an – mit Erfolg. Warum sie ihre Wohnung samt Bad gern mit Fremden teilt.
Ihr Gast ist an diesem Morgen schon weg. Um 5 Uhr ging es für ihn zum Hamburger Flughafen. Das ist ganz typisch für die Besucher, die bei „Renate“ wohnen. So nennt sich die Hamburgerin Renate Löwe auf der Onlineplattform Airbnb, über die sie seit einigen Jahren ein Zimmer in ihrer Wohnung in Hummelsbüttel vermietet. Wer zu ihr kommt, ist meistens auf dem Sprung, sucht eine Unterkunft für ein oder zwei Nächte in Flughafennähe.
Bis hierhin nichts Ungewöhnliches. Doch dazu muss man wissen, dass die Pensionärin bereits 79 Jahre alt ist. Während andere Fremde nicht einfach so in ihr Haus lassen, bewirtet die Seniorin in ihrer Vierzimmerwohnung etwa 200 Airbnb-Gäste pro Jahr. Dabei teilt sie sich dann auch Bad und Küche mit ihren Besuchern. Offenbar mit Erfolg.
Airbnb in Hamburg: 79-Jährige vermietet erfolgreich Gästezimmer
Denn die Gastgeberin aus Hamburg wird bei Airbnb als „Superhost“ geführt. Dieses Prädikat erhalten Vermieter, wenn sie strenge Kriterien erfüllen. Renate kann das. Sie ist seit sechs Jahren bei der Plattform gelistet und weist Hunderte Übernachtungen vor. 254 Gäste haben eine Bewertung abgeben, der Gesamtdurchschnitt liegt bei sehr guten 4,89 von 5 Sternen.
„Renate ist eine großartige Gastgeberin, kommunikativ und süß“, heißt es da. Sie sei „hilfsbereit und aufmerksam“, „superfreundlich und flexibel“, „eine tolle Gastgeberin“. Carl aus Spanien, der selbst vermietet, lobt sie so sehr, dass er sie für Seminare vorschlägt, wie man ein guter Airbnb-Vermieter wird. Besonders die Sauberkeit der Unterkunft, aber auch das Preis-Leistungs-Verhältnis, den unkomplizierten Check-in sowie die schnelle Kommunikation loben die Gäste.
Airbnb-Vermieterin Renate (79) hat ihren vollen Buchungsplan auf dem Smartphone
„Ich mache es einfach so, wie ich es gern vorfinden würde“, erklärt die Hamburgerin ihr simples Prinzip. Vor jeder Ankunft und nach einer Abreise lässt sie einen Tag frei, um das Zimmer in ihrer Wohnung wieder für den nächsten Gast schönzumachen. Lüften, aufräumen, putzen. Im Badezimmer Shampoo, Duschmittel, Handtücher parat legen. Ins Gästezimmer stellt sie Wasser und etwas Süßes bereit, alternativ auch einmal einen Apfel als kleine Aufmerksamkeit.
Die 79-Jährige kennt ihre Bewertungen genau, freut sich über Lob und nimmt sich Kritik zu Herzen. Ihren Buchungsplan hat sie griffbereit auf dem Smartphone. Zur Sicherheit hat sie noch einmal alles in einen Kalender mit Bleistift eingetragen, der ist relativ voll. Ein ständiger Wechsel. Nur einige Lücken gibt es. „Diese Zeiten habe ich mir geblockt“, erklärt sie. Manchmal weil sie einfach Zeit für sich möchte, so wie kurz vor Weihnachten, rund um ihren 80. Geburtstag. Oft aber auch, weil sie selbst gern reist.
Hamburgerin bereiste selbst die Welt und öffnet nun Türen für Besucher
Im Flur hängt eine Weltkarte, die davon zeugt. Es finden sich zahlreiche kleine Pins dort, wo sie überall schon war. USA, Russland, China, Kasachstan, Indien, Australien, Neuseeland, Hawaii, Alaska – „ich habe erst spät angefangen mit dem Reisen“, berichtet Renate Löwe. Als alleinerziehende Mutter waren Zeit und Geld rar.
Dafür erfüllte sie sich später den Traum, die Welt zu sehen. Einiges waren Kreuzfahrten oder geführte Touren, doch oft war sie auch allein unterwegs. So wie in Alaska. „Ich habe alles gemacht, was ich auf dem Zettel hatte“, sagt sie mit Blick auf die rund 50 Pins.
Vielleicht sind die vielen Reisen ein Grund dafür, warum sie die Welt auch gern in ihre Wohnung lässt. Ob aus Japan, Korea, China: Viele ihre Gäste stammen aus fernen Ländern. Da helfen der 79-Jährigen ihre Englischkenntnisse. Wenn es passt, unterhält man sich dann über das Reisen, über Hamburg oder das Leben. Wenn es nicht so passt, habe jeder seinen Rückzugsort. „Ich sage immer, dass man gern ins Wohnzimmer kommen kann, wenn die Tür offensteht. Dann gibt es auch mal ein Glas Rotwein. Sonst möchte ich eben meine Ruhe haben“, erklärt die Pensionärin.
Airbnb-Vermieterin mit 79 Jahren: „Ich bin kein ängstlicher Typ“
Macht sie sich keine Sorgen, so ganz allein Fremde ins Haus zu lassen und mit ihnen ein Bad und die Küche zu teilen? „Ich bin kein ängstlicher Typ“, sagt die 79-Jährige. Alle Daten der Besucher seien bei Airbnb bekannt. Über das Portal ist sie zudem versichert, falls etwas zu Bruch geht. Hätte sie doch mal ein komisches Bauchgefühl, schließe sie die Schlafzimmertür ab. Doch ihre Erfahrung in den vergangenen Jahren ist eine ganz andere.
„Durch die Bank weg positiv“, erklärt sie. Mit manchen Gästen möge mal die Chemie nicht so stimmen, aber andere kommen sehr gern wieder. Aufgrund der Nähe zum Flughafen Hamburg seien beispielsweise Pilotenanwärter dabei. So habe sie mitgefiebert, wie jemand den ersten und zweiten Test bestanden hat und dann genommen wurde.
Vom Couchsurfing zu Airbnb: Leer stehendes Gästezimmer wird vermietet
Ein Flughafen-Mitarbeiter habe wochenweise bei ihr gewohnt, mit ihm stehe sie bis heute in Kontakt. „Wenn man viel gereist ist und viel gesehen hat, dann ändert das den Blickwinkel“, erklärt Renate Löwe ihre Einstellung.
Den Anfang nahm das alles schon früher. Noch in ihrer Zweizimmerwohnung in Rahlstedt bot sie Couchsurfing für Reisende an. Nach ihrem Umzug in die Vierzimmerwohnung in Hummelsbüttel hatte sie extra ein Gästezimmer für ihre drei Enkelkinder eingerichtet, die oft zu Besuch kamen. Doch zuletzt stand es viel leer, und da kam sie auf die Idee, es zu vermieten.
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Airbnb in Hamburg: Renate Löwe möchte mit 80 Jahren etwas kürzertreten
„Reich wird man damit nicht“, betont Renate Löwe. Wobei die Rentnerin für eine Übernachtung 32 Euro nimmt, hinzu kommen 5 Euro Airbnb-Servicegebühr und die Hamburger Bettensteuer von einem Euro pro Nacht. Sie könne damit eine Reinigungshilfe bezahlen, die sie natürlich aber auch aufgrund der Gäste brauche. Und ein Teil kommt in die Urlaubskasse der ehemaligen Postbankbeamtin. In diesem Jahr ging es unter anderem nach Mallorca, um ihren Sohn zu besuchen, der dort lebt.
Wenn Renate Löwe in den Urlaub fährt, nutzt sie wiederum selbst gern Airbnb als Übernachtungsmöglichkeit. „Man muss doch sehen, was die anderen so bieten“, erklärt sie. Bis Januar ist ihre Unterkunft ausgebucht. „Mit 80 werde ich etwas kürzertreten“, erklärt sie ihre Pläne für das kommende Jahr. Dann werden es wohl keine 200 Gäste mehr. Aber aufhören will sie nicht.