Hamburg. Kita-Leiterin aus Langenhorn sucht verzweifelt Käufer. Doch Behördenregelung stellt Hindernisse auf. Das Problem betrifft auch andere.
Christin Beckmann hat Existenzsorgen. Die Hamburgerin hat vor 14 Jahren die Kita Flügelkinder in Hamburg-Langenhorn gegründet. Vor bereits einem Jahr hat sie sich entschlossen, für ihre Kita einen neuen Betreiber zu finden und beruflich einen neuen Weg einzuschlagen. Doch das gestaltet sich schwierig.
„Seit einem Jahr kämpfe ich darum, die Kita zu verkaufen“, sagt die 40-Jährige. „Aber die Behörde macht mir den Verkauf unmöglich. Das ist kein Einzelschicksal. Es betrifft alle Kindertagesstätten, die kein Außengelände haben.“
Langenhorner Kita in Not, weil Kitas in Hamburg Außengelände haben müssen
Für Kitas ohne eigene Außenspielflächen bereitet der Hamburger Senat derzeit eine neue Gesetzesvorlage zur Änderung des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes vor. Doch davon wird Beckmann nicht mehr profitieren, sie wird ihre Kita Ende Oktober schließen. Denn das größte Problem der Kita Flügelkinder sind die fehlenden Außenflächen – vor allem für die Krippenkinder.
Christin Beckmann sagt, dass die fehlenden Außenflächen für die Kinder, Erzieherinnen und Erzieher keine große Sache seien, weil sie in dem Wohngebiet – ganz in der Nähe des Naturschutzgebiets Raakmoor – bislang gleich mehrere Spielplätze und Grünflächen nutzen könnten. „Die Kinder spielen im Wald und auf den Spielplätzen.“ Für die Krippenkinder, also die unter Dreijährigen, gebe es entsprechende Krippenwagen, damit diese nicht laufen müssen.
Alle Versuche, im direkten Umfeld des Gebäuderiegels mehr Platz zu bekommen, seien gescheitert, sagt die Kita-Betreiberin. Das kleine Außengelände mit 60 Quadratmetern direkt neben der Kita Flügelkinder sei leider nicht groß genug.
Behörde fordert sechs Quadratmeter Außenfläche für jedes Kind
Und die Anforderungen sind im vergangenen Jahr noch strenger geworden. „Jedes Kind muss sechs Quadratmeter Außenfläche zur Verfügung haben, so schreibt es die Behörde vor“, sagt die gelernte Erzieherin und Fachwirtin für Kita- und Hortmanagement. Seit Februar 2023 besagt eine Richtlinie für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen, dass jede Kita über „eine eigene und direkt aus den Kitaräumen heraus zugängliche Außenspielfläche von mindestens sechs Quadratmetern pro Kind verfügen“ muss.
Allerdings werden laut Wolfgang Arnhold, Sprecher der Hamburger Sozialbehörde, Sondernutzungen auf öffentlichen Flächen für Elementarkinder genehmigt. Dazu heißt es in der Richtlinie: „In besonders gelagerten Fällen, in denen für die Elementarkinder nachweislich keine ausreichende Außenspielfläche realisierbar ist, kann eine extern gelegene Ersatzfläche genutzt werden, deren Ausstattung den Kriterien einer eigenen Außenspielfläche entsprechen sollte. Für Krippenkinder gilt dies ausdrücklich nicht.“
Langenhorn: Kita Flügelkinder hat drinnen Platz für 60 Kinder
Grundsätzlich müsse die fußläufige und sichere Erreichbarkeit in durchschnittlich fünf Gehminuten durch die Gruppen gegeben sein. „Dies entspricht durchschnittlich einer Wegstrecke von circa 300 Metern. Abweichend davon kann in Einzelfällen eine maximale Wegstrecke von 800 Metern, die durchschnittlich einer fußläufigen und sicheren Erreichbarkeit in 15 Gehminuten entspricht, zugelassen werden“, heißt es in der Richtlinie weiter.
In dem langen Gebäuderiegel der Kita Flügelkinder im beschaulichen Immenbarg ist Platz für 60 Kinder – für 34 Krippenkinder und für bis zu 26 Mädchen und Jungen im Elementarbereich. Für die Kleinen, die jünger als drei Jahre alt sind, gilt laut Wolfgang Arnhold aber: „Für Krippenkinder müssen die sechs Quadratmeter Außenfläche pro Kind direkt an das Kita-Gebäude angebunden sein. Ziel ist ja, dass die Kinder draußen spielen und toben können und das möglichst einfach.“
Langenhorn: Neuer Kita-Betreiber braucht neue Betriebserlaubnis
Und darin besteht laut Beckmann die Schwierigkeit. Für die Krippenkinder ist die Außenfläche neben der Kita Flügelkinder zu klein. Ohne Krippenkinder sei der Standort für einen neuen Betreiber aber nicht interessant. „Elementarkinder bringen kein Geld“, sagt Beckmann. „Ich hatte drei potenzielle Käufer, mit denen ich in Verhandlungsgespräche gegangen bin.“ Davon sei wegen der Schwierigkeiten um das Außengelände niemand mehr übrig geblieben.
Arnhold bestätigt, dass ein neuer Betreiber nach einer Übernahme eine neue Betriebserlaubnis benötigt. „Dafür sind die erforderlichen Außenspielflächen nachzuweisen, die bundesgesetzlich vorgeschrieben sind.“
Kita-Inhaberin fürchtet sich vor der Privatinsolvenz nach dem Kita-Aus
Anstatt also – wie geplant – ihre Kita mit voller Belegung an einen neuen Träger zu verkaufen, steht Beckmann nach eigenen Angaben nun massiv unter Druck. Der Unternehmenswert mit 60 Kitakindern sei von Experten mit 250.000 bis 300.000 Euro taxiert worden, sagt die Inhaberin. In dieser Höhe habe sie über die Jahre auch in die Kita investiert. Die Einbauten seien nicht aus dem Katalog, sondern vom Tischler maßgefertigt.
Doch alle Interessenten seien wieder abgesprungen. Zuletzt habe noch jemand 50.000 Euro für die Einrichtung geboten. „Ich fürchte mich vor der Privatinsolvenz, denn ich hafte mit meinem Privatvermögen“, sagt die Mutter von zwei Töchtern im Grundschulalter.
Kita Flügelkinder in Hamburg: Personalprobleme führten zu Abmeldungen
Das fehlende Außengelände ist nicht das einzige Problem der Kita-Inhaberin. Seit dem Weggang der früheren Kitaleiterin vor mehreren Monaten, der gleich mehrere Erzieherinnen und Erzieher folgten, hätten viele Eltern ihre Kinder abgemeldet. Inzwischen werden nur mehr acht Kinder betreut. Auch deshalb ist nun Ende Oktober endgültig Schluss.
Mehr zu Lamgenhorn
- Langenhorn: 50er-Jahre-Quartier wird nachverdichtet – was hier besonders ist
- Diekmoor Langenhorn: Viel Grün, Innenhöfe – so könnten die Wohnungen aussehen
- Fake-Zebrastreifen verwirrt Langenhorner – Polizei Hamburg ermittelt
„Als ich vor 14 Jahren eröffnet habe, habe ich nur mit einer Elbkinder-Kita konkurriert. Inzwischen haben etliche weitere Kitas aufgemacht. Die Eltern suchen sich die Sahnestückchen raus“, sagt Beckmann. Und sie klagt auch: „Wir kleinen Kitas haben in Hamburg einen schweren Stand.“
Nach Angaben von Behördensprecher Arnhold gibt es bislang keine Statistik, wie viele von den mehr als 1000 Kitas in Hamburg nicht über ausreichende Außenflächen verfügen. „Die Sozialbehörde hat in der Vergangenheit keine systematische Erfassung der erforderlichen Außenspielflächen oder der Mitnutzung öffentlicher Spielplätze beziehungsweise sonstiger Flächen für Kitas durchgeführt. Der Aufbau eines entsprechenden Nutzungskatasters wird aktuell vorbereitet, um die Nutzung öffentlicher Spielplätze zu verfolgen.“