Hamburg. Nach 35 Jahren gibt Anne Meister aus Eppendorf ihren Kassensitz ab. Wie Patienten und Freunde die besondere Hausärztin begleiten.

Vor 35 Jahren hat Anne Meister ihren Kassensitz erhalten, jetzt hat die Hausärztin aus Eppendorf ihn abgegeben und geht mit 76 Jahren in den Ruhestand. Aber nicht einfach so: Ehemalige Patienten und Nachbarn aus dem Hamburger Stadtteil Eppendorf lassen sie an einem solch wichtigen Tag nicht allein – und haben die Ärztin überrascht.

Als der rote Vorhang an der Eingangstür des Restaurants Da Franco an der Eppendorfer Landstraße zur Seite geschoben wird, steht da eine Frau, die zwar zierlich ist, aber dennoch mit ihrer Energie den ganzen Raum einnimmt. Anne Meister weiß, dass sie an diesem Abend eine Überraschung in ihrem Stammrestaurant erwartet, aber dass sich mehr als 20 Personen dort versammeln und sie empfangen, rührt sie dann doch sehr. „Ach“, ruft sie, als sie den Vorhang öffnet und ins Lokal eintritt. Denn da stehen sie alle versammelt, ihre Nachbarn aus der Hausgemeinschaft Goernestraße 4 Ecke Eppendorfer Landstraße 74.

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Eppendorfer Hausärztin Anne Meister ist gerührt von dem besonderen Abschied

„Da war ja bei meiner Hochzeit nicht so viel los, das ist nicht wahr“, ruft Meister. Applaus und „Anne“-Rufe folgen. Überraschung gelungen. Ja, Anne Meister, im Trenchcoat und im Kleid im Leopardenlook, ist sichtlich gerührt. „Das ist ja unglaublich.“ Es folgen Umarmungen und auch ein paar Tränen. Kein Wunder, hat Wirt Matteo Bruni „I Did It My Way“ von Frank Sinatra aufgelegt. Kitschig, aber so schön.

Anne Meister
Vorhang auf für Anne Meister: Die Hausärztin gibt nach 35 Jahren ihren Kassensitz in Eppendorf ab. Freunde und die Hausgemeinschaft an der Eppendorfer Landstraße/Goernestraße in Hamburg überraschen sie mit einer kleinen Party im Da Franco. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Nun ist nach 35 Jahren Schluss, die Hausärztin hört auf. Diesen Schritt möchte die Hausgemeinschaft gemeinsam mit ihrer „Anne“ gehen. Zur Feier des Tages gibt es Pizza und Crémant. Weil Wirt Matteo Bruni auch frei haben und mitfeiern soll, wird die Pizza ausnahmsweise angeliefert.

Hamburger Hausärztin hat sich in der Pandemie um ihre Nachbarschaft gekümmert

„Wir wollen ihr mit diesem Abend die nötige Wertschätzung zeigen“, sagt Daniela Hoepfner. Sie wohnt an der Goernestraße. Die Nachbarn teilen sich einen idyllischen Innenhofgarten, den Anne Meister liebevoll hegt und pflegt. „Wir Nachbarn sind uns sicher, dass dies eine besondere Anerkennung verdient“, sagt Nina Guenter. Sie lebt zwar nicht in der Hausgemeinschaft, hat dort aber ihren kleinen Concept-Store.

Anne Meister
So herzlich feiern Nachbarn aus Eppendorf den Ruhestand von Hausärztin Anne Meister im Restaurant Da Franco an der Eppendorfer Landstraße in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Anne hat in Eppendorf alle Veränderungen der letzten sieben Jahrzehnte miterlebt, mächtig was zu erzählen aus ihrer Praxiszeit und ist wie die gute Fee in ihrem Altbauwohnviertel, die für jedes Wehwehchen mit Rat und Tat zur Seite steht“, sagt Nina Guenter. „Anne ist durch und durch eine Humanmedizinerin vom alten Schlag, die es so kaum mehr gibt“, schwärmt sie.

Anne Meister muss einiges richtig gemacht haben, wenn die Nachbarn ihr so einen schönen Abend organisieren. „Sie hat Humor und kümmert sich“, sagt Sabine Kilian. Während der Corona-Pandemie hat sie ihre Nachbarn durchgeimpft, hat sich bemüht, dass jeder den damals begehrten Impfstoff erhielt. Gemeinsam haben die Nachbarn Balkonkonzerte veranstaltet. Anne Meister immer mittendrin.

Eppendorfer Hausärztin Anne Meister hält die Nachbarschaft zusammen

„Anne hält die Nachbarschaft zusammen“, sagt Andrea Magiera, die auch schon Patientin bei ihr war. „Wenn mal jemand sagt, mir tut die Schulter weh, dann schaut sich Anne das auch außerhalb ihrer Praxiszeiten spontan an.“ Anne Meister sei unglaublich hilfsbereit. Nachbarin Suzanne ergänzt: „Als meine Tochter hohes Fieber hatte, ist Anne einfach kurz zu uns gekommen.“ Praktisch, wenn eine Ärztin im Haus lebt.

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Und schön, wenn sich die Nachbarn kümmern. „Anne hat ein Ohr bei körperlichen und seelischen Beschwerden“, sagt Daniela Hoepfner. Sie nimmt sich viel Zeit, nicht selbstverständlich für viele Ärzte heutzutage. „Wir kümmern uns dafür um Getränkelieferungen oder wenn Einkäufe fehlen.“ Oder wie jetzt bei der Praxisauflösung. Daniela Hoepfner und Andrea Magiera sind im Orga-Team, kümmern sich darum, die vielen Möbel, Bilder oder die alte Vitrinen zu verkaufen.