Hamburg. Die 72-Jährige wollte nach ihrem Einkauf den Parkplatz verlassen, als ein Mann vor ihr Auto stürzte. Dann ging alles ganz schnell.
Wenn Ute Siems erzählt, was ihr vor rund zwei Wochen passiert ist, dann klingt es, als könne sie es immer noch nicht glauben. Die 72-Jährige ist Opfer einer perfiden Betrugsmasche geworden und möchte nun andere davor warnen. Sie sagt: „Ich hätte nie geglaubt, dass mir so etwas passieren kann. Aber es hätte jeder darauf hereinfallen können.“
Was ist passiert? Die Hamburgerin war zum Einkaufen in Winterhude unterwegs und parkte ihren Wagen dafür im Parkhaus des Rewe-Centers an der Dorotheenstraße. Bevor sie in den Supermarkt ging, hob sie am Haspa-Geldautomaten vor Ort 200 Euro ab. „Wie immer vergewisserte ich mich beim Eingeben meiner Geheimzahl, dass niemand guckt“, erinnert sich Siems, die ihren echten Namen nicht angeben möchte.
Polizei Hamburg: Täter nutzen perfide Masche, um an Geldbörse zu gelangen
Nach dem Einkauf, bei dem die 72-Jährige mit der EC-Karte bezahlte, ging sie zurück zu ihrem Auto und fuhr Richtung Ausfahrt. Auf dem Weg dorthin kam es dann zu einem Zwischenfall: „Ein Mann stürzte vor mein Auto, gestikulierte wild und rief immer ‚oil, oil‘ und ‚water, water‘.“
Siems: „Der Mann zeigte dann auf meine Motorhaube und sagte in gebrochenem Deutsch, dass mein Auto Flüssigkeit verliere.“ Das kam ihr alles merkwürdig vor, dennoch stieg sie aus und öffnete mit dem Mann gemeinsam die Motorhaube. Und dann ging alles ganz schnell. „Der Mann hatte es mit einem Mal sehr eilig und rannte davon.“
Siems hatte sofort einen Verdacht und sah nach ihrer Handtasche auf der Rückbank, in der ihr Portemonnaie lag. „Aber der Reißverschluss war verschlossen. Deshalb habe ich den Gedanken erst mal beiseitegeschoben und bin nach Hause gefahren“, sagt sie.
Diebstahl im Parkhaus: Opfer merkt erst zu Hause, dass Portemonnaie fehlt
Als sie dort ankam, folgte die böse Überraschung. „Das Portemonnaie war nicht mehr da.“ Siems checkte sofort ihren Kontostand und erschrak: 1800 Euro waren binnen weniger Minuten von zwei Konten an unterschiedlichen Geldautomaten abgehoben worden. Denn Siems hatte für beide Konten dieselbe PIN-Nummer. „Ein riesiger Fehler“, wie sie heute sagt.
Siems nahm umgehend Kontakt zu ihrer Bank auf, ließ die Karten sperren und erstattete Anzeige bei der Polizei. Die gute Nachricht: Das abgehobene Geld hat die Haspa inzwischen – unter Vorbehalt – erstattet. Für Siems eine große Erleichterung, aber einige Dinge können nicht ersetzt werden. „Es geht auch um die vielen kleinen persönlichen Stücke, die in meinem Portemonnaie waren. Ein kleiner Glücksbringer zum Beispiel und ein Foto meiner verstorbenen Mutter. Auch dieser Verlust ist groß.“
Polizei Hamburg: Beschriebener Fall erinnert an sogenanntes „Skimming“
Gegenüber dem Abendblatt teilt die Polizei Hamburg mit, dass die beschriebene Vorgehensweise hinsichtlich des Automaten grundsätzlich an das sogenannte Skimming erinnere. „Mit dem Skimming wird das Abgreifen von Kontodaten und der Karten-PIN durch verdeckt angebrachte zusätzliche Geräte – dem ‚Skimmer‘ und einer Kamera – an Geldautomaten bezeichnet“, so Polizeisprecher Thilo Marxsen. „Mit den erlangten Daten wird durch die Täterinnen oder Täter eine Kartenkopie erstellt, die mit der PIN genutzt werden kann, um unberechtigte Abhebungen vom Konto vorzunehmen.“
Marxsen betont: „In Deutschland gibt es zurzeit nur wenige Kreditinstitute, die aufgrund von Sicherheitslücken von Skimming-Angriffen betroffen sind.“ Ob es in dem konkreten Fall tatsächlich Skimming war, oder ob der oder die Täter anders agiert haben, sei noch unklar. Die Ermittlungen laufen noch.
Allerdings sagt er: „Das beschriebene Phänomen, erst auf einen vermeintlichen Kfz-Schaden hinzuweisen, um die Person abzulenken, damit aus dem Fahrzeug ein Diebstahl stattfinden kann, ist allgemein kriminalpolizeilich bekannt.“
Polizei Hamburg gibt Tipps, um sich vor Betrug am Geldautomaten zu schützen
Aus der polizeilichen Erfahrung sei es aber eher unwahrscheinlich, dass die Täterinnen oder Täter erst durch technische Geräte die PIN ausspähten, um kurz darauf gezielt die Karte zu stehlen. „Zum Abbauen und Auswerten der verdeckt angebrachten Geräte benötigen die Täterinnen und Täter Zeit“, sagt Marxsen. „Zudem halten sie sich bei der Methode Skimming ‚im Hintergrund‘, um die Technik unerkannt diverse Male erfolgreich einsetzen zu können.“
Aber auch unabhängig vom konkreten Fall sei es wichtig, am Geldautomaten wachsam zu sein. Grundsätzlich gilt: Geldkarte und Geheimnummer sollten nie gemeinsam aufbewahrt werden. Und die Eingabe der Geheimnummer sollte immer mit der freien Hand geschützt werden.
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Die Polizei rät: „Wenn einem etwas seltsam vorkommt, sollte man auf keinen Fall Geld abheben und insbesondere keine Geheimzahl eingeben.“ Weiter sollte das Kreditinstitut beziehungsweise der Aufsteller des Geldautomaten informiert werden. „Außerdem sollten Kontobewegungen kontrolliert und bei unberechtigten Abhebungen die Sperrung der Karte veranlasst werden“, so Polizeisprecher Thilo Marxsen.