Hamburg. Der reibungslose Ablauf auf dem Rollfeld ist hochkomplex. Zwei Hamburger haben nun einen Algorithmus entwickelt, der hilft.

Auf den ersten Blick könnten Finn Dohrn und Fabian Schindler kaum unterschiedlicher sein. Der 32-jährige Dohrn ist mitten in seinem Master-Informatik-Studium, arbeitet am Flughafen Hamburg als Data-Scientist, der 27 Jahre ältere Schindler gehört am Airport in seiner Position des Verkehrsdisponenten fast schon zum Inventar.

Gemeinsam haben die beiden Hamburger aber am Flughafen in Fuhlsbüttel, der seit Anfang des Jahres einen neuen Chef hat, für eine technische Revolution gesorgt. Die Positionierung der Maschinen auf dem Rollfeld des Helmut-Schmidt-Flughafens wird mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) organisiert – geplant und umgesetzt von Dohrn und Schindler. „Das ist praktisch so wie Tetris spielen mit Flugzeugen“, sagt Schindler.

Flughafen Hamburg: Künstliche Intelligenz sorgt für reibungslosen Ablauf auf dem Vorfeld

Den Algorithmus hat Dohrn im flughafeneigenen KI-Forschungslabor geschrieben. Da die Disposition von Flugzeugen am Hamburger Flughafen ein hochkomplexer Vorgang ist, half Schindler dabei, möglichst viele praxisnahe Daten zur Verfügung zu stellen. Das digitale System analysiert 14 Tage im Voraus den Flugplan und erstellt einen Plan für alle Maschinen. Die KI holt sich dabei die Informationen aus der flughafeneigenen Datenbank, in der alle Flugereignisse, Zeitstempel zur Abfertigung der Flugzeuge und Passagiere sowie Daten von Airlines und Flugsicherung dokumentiert sind.

Gemessen an der Anzahl der Flüge kommen da mehrere Milliarden Möglichkeiten zustande, die der Computer innerhalb von knapp zwei Minuten berechnet, auswertet und auf die bestmögliche Lösung herunterbricht. „Die KI zieht sich Daten aus der Vergangenheit. Gibt es Fluggesellschaften, die häufig fünf Minuten Verspätung haben oder 15 Minuten früher landen? Alle Unregelmäßigkeiten werden mit einbezogen, um einen möglichst präzisen Plan zu erstellen“, sagt Schindler.

Flughafen KI
Finn Dohrn (l.) und Fabian Schindler haben mit ihrem gemeinsamen KI-Projekt dafür gesorgt, dass der Ablauf auf dem Vorfeld des Flughafen Hamburgs optimiert wurde. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Durch den Einsatz der KI wird der zeitliche Ablauf rund um die Abfertigung optimiert. Dabei hilft die Technik auch dabei, die Flugzeuge so auf dem riesigen Vorfeld zu positionieren, dass die Passagiere möglichst kurze Wege haben und so bequem in den Terminal oder zu ihrem Flugzeug kommen.

Hamburg Airport: Mitarbeiter müssen Vorschläge der KI immer überprüfen

„Die KI kann aber nicht nur 14 Tage im Voraus Lösungen anzeigen, auch tagesaktuell kann die Technik zur Konfliktlösung genutzt werden. Beispielsweise soll ein Flugzeug um 9.15 Uhr seine Parkposition verlassen, um Platz für das nächste zu machen. Aus irgendeinem Grund aber kann die Maschine dort nicht weg. Dann kann der zuständige Disponent sich eine neue Option überlegen oder einfach die KI fragen“, sagt Dohrn.

Schindler ergänzt: „Der Mensch muss praktisch nicht mehr nachdenken, aber es ist gut, dass noch Menschen auf den Vorschlag der KI draufschauen, weil auch immer mal ein Bug auftreten kann oder der Vorschlag vielleicht auch Mist ist.“

Flughafen Hamburg: Entscheidungshoheit liegt trotz KI beim Menschen

Als im Juli 2023 nach rund drei Jahren Planung das innovative System in Betrieb genommen wurde, wurde das von den Mitarbeitern mit einer gewissen Skepsis verfolgt. Das Thema KI triggert – egal in welcher Branche – die Sorge, dass die Technik womöglich über kurz oder lang Personal ersetzen könnte. „Es ist immer eine Gratwanderung“, gibt Schindler offen zu. „Wir haben aber das System sehr detailliert erklärt und unseren Kolleginnen und Kollegen so die Sorge genommen. Eines ist klar: Die KI gibt letztlich eine Empfehlung für die jeweiligen Parkpositionen der Flugzeuge ab. Aber die Entscheidungshoheit, wo, wann, welche Maschine parkt, hat immer noch der Mitarbeiter und die Mitarbeiterin“, sagt Dohrn.

Das System hat sich im Flughafen-Alltag nach knapp einem Jahr bewährt, wenngleich es immer noch Situationen gibt, in denen die Technik Probleme macht. „Manche Dinge weiß die KI schlicht noch nicht, sodass der Mensch eingreifen muss. Wir sind in Sachen Weiterentwicklung der KI noch bis Mitte 2025 ausgelastet. Ich bin gerade dabei, mir zu überlegen, wie ich das, was wir für die Zukunft benötigen, so ausformuliere, dass Finn es dann in die KI integrieren kann. Aber wir sind mit dem Status quo schon ganz zufrieden“, sagt Schindler.

KI-Projekt am Hamburger Flughafen wurde mit einem Preis ausgezeichnet

Das KI-Projekt aus Hamburg hat auch in der Luftfahrtbranche für Aufsehen gesorgt. Dohrn und Schindler haben 2023 den zweiten Platz beim Voice Best Data Project Award 2023 in der Kategorie Mittelstand erreicht. Im Hamburger Rathaus hat Dohrn vor mehreren Unternehmern das Digitalisierungsprojekt vorgestellt. Der Einsatz für die Positionierung ist aber nur der Anfang in Sachen KI-Nutzung.

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Neben der Optimierung des Dispositions-Algorithmus arbeitet Dohrn bereits im Hintergrund an weiteren Nutzungsmöglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. „Wir arbeiten beispielsweise an dem Thema Gepäckprognose, um so den Kollegen der Bodenverkehrsdienste zu helfen. So kann man digital aufzeigen, wie viel Personal an der jeweiligen Maschine benötigt wird, um sie zu entladen“, sagt Dohrn und fügt an: „Der Einsatz von KI kann gerade an einem Flughafen ein Gamechanger sein, weil wir hier ohnehin sehr datenbasiert arbeiten.“