Hamburg/Süsel. Keine Handys und alle tragen Spitznamen: Was das Ferienlager an der Lübecker Bucht bietet und was dabei nicht erlaubt ist.

  • Vorbild für das Ferienlager für Erwachsene an der Ostsee ist Google aus den USA.
  • Die Teilnehmer geben zu Beginn ihr Handy ab, um sich ganz auf die anderen einlassen zu können ohne digitale Ablenkung.
  • Auf dem Programm stehen kreative Workshops, Sport und Spaß samt Lagerfeuerabende.

Sie spielen verstecken oder Brennball, sitzen abends am Lagerfeuer und halten Stockbrot in die Flammen: Erwachsene, die einmal im Jahr wieder zum Kind werden und dabei auf Handys und Laptops verzichten, sich Spitznamen geben – und nicht über den Job sprechen dürfen. Denn der spielt einfach keine Rolle. Der Spaß und die Freiheit dafür umso mehr.

Im Sommer ist es so weit: Dann organisiert die Hamburgerin Maike Engel aus Barmbek-Nord wieder Ferienlager für Erwachsene zwischen Scharbeutz und Eutin an der Ostsee.

Vorbild Google: Am Anfang werfen alle ihre Handys in eine Tüte, die versiegelt wird

Zu Beginn des viertägigen Aufenthalts, das sich „Camp Breakout“ nennt, kommt der härteste Teil: „Dann sammeln wir die Handys ein und stecken sie in eine Tüte“, sagt Maike Engels. Erst am letzten Tag gibt es die Smartphones nach dem Frühstück zurück. Für viele Teilnehmer sei dieser Schritt besonders schwierig. „Am ersten Tag haben noch viele mit dem Verlust ihres Handys zu kämpfen“, sagt die 42-Jährige, die das Ferienlager für Erwachsene vor acht Jahren gegründet hat.

Die Handysucht legt sich aber schnell. Denn statt auf kleine Bildschirme zu starren, jedes Erlebnis sofort fotografieren und teilen zu müssen, geht es in den Camps darum, in kurzer Zeit ein Gruppengefühl zu entwickeln, gemeinsame Erlebnisse zu schaffen. Die sind bleibender als so manche Fotos.

Die Teilnehmer des Ferienlagers „Camp Breakout“ zwischen Scharbeutz und Eutin leben in skandinavischen Spitzdachhäusern.
Die Teilnehmer des Ferienlagers „Camp Breakout“ zwischen Scharbeutz und Eutin leben in skandinavischen Spitzdachhäusern. © Anne-Britt Sommer | Anne-Britt Sommer

Die Abwechslung erleichtert, längere Zeit mal offline zu sein: Auf dem Programm stehen Yoga, Pilates, Qigong und Wassersport wie Kanufahren oder das Stand-up-Paddling. Denn das Areal grenzt direkt an einen See. Es gibt Musik- und Kreativ-Workshops, in denen Freundschaftsbänder geknüpft oder Traumfänger gebastelt werden. Volleyball, Brenn- oder Völkerball wird ebenfalls angeboten. Es geht einfach um eine tolle Zeit. So wie früher auf Jugendfahrten: viel Natur, Gemeinschaft, neue Leute und Dinge kennenlernen und abends bei Gitarrenmusik am Lagerfeuer sitzen.

Ferienlager: „Google macht das regelmäßig und bietet digitale Auszeit“

„Die Teilnehmer werden wieder zu Kindern“, sagt Maike Engel beim Gespräch mit dem Abendblatt. Und das ist auch die Idee dahinter. „Wie wäre es, wie ein Kind einfach in Pfützen herumspringen zu können?“, dachte sich die frühere Werberin und Eventmanagerin nach einem Burn-out und einer langen Südostasien-Reise. So kam ihr die Idee zu diesem Ferienlager, das sie so aus den USA kennt. „Google macht das regelmäßig für die Angestellten und bietet denen eine digitale Auszeit.“

Im „Camp Breakout“ zwischen Scharbeutz und Eutin in Schleswig-Holstein werden Erwachsene wieder zu Kindern. Auf dem Programm stehen diverse Sport- und Kreativworkshops. Eine Regel: keine Handys.
Im „Camp Breakout“ zwischen Scharbeutz und Eutin in Schleswig-Holstein werden Erwachsene wieder zu Kindern. Auf dem Programm stehen diverse Sport- und Kreativworkshops. Eine Regel: keine Handys. © Anne-Britt Sommer | Anne-Britt Sommer

Maike Engel und ihr Team begleiten die Camps im Juli und August in Süsel im Naturpark Schleswig-Holsteinische Schweiz zwischen Scharbeutz und Eutin. Dort leben die bis zu 50 Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die meisten sind weiblich und zwischen 35 und 54 Jahre alt, entweder in Hütten mit mehreren Betten, in Zelten oder im eigenen Camper. „Etwa 60 Prozent der Teilnehmer sind Wiederholungstäter“, sagt Maike Engel.

Es sind Menschen, denen das Einfache beim Camping nichts ausmacht, für die wahrer Luxus nichts Materielles hat. Der Luxus dort ist es, unabhängig vom sozialem Status, von Beruf und Einkommen mit Menschen zusammenzukommen und Dinge zu machen, die im Alltag nicht oder nur schwierig möglich sind.

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Und wieder Kind zu sein, kann leichter fallen, wenn man einen Spitznamen trägt. Den suchen sich alle gleich zu Beginn aus. Dann ist es auch einfacher, Beruf und Status abzulegen. Sie nennen sich dann „Pippi Langstrumpf“ oder „Sonnenblume“, „Fluffy“, „Roadrunner“ oder „Kleine Feder“.

Auf dem Programm stehen viele Workshops: auch Trommeln auf Cajons.
Auf dem Programm stehen viele Workshops: auch Trommeln auf Cajons. © Anne-Britt Sommer | Anne-Britt Sommer

„Kleine Feder“ kann dann auch ein Vorstandsvorsitzender sein, der mit Hingabe Freundschaftsarmbänder knüpft. „Ich habe erlebt, wie tief versunken dieser Mann bei seinen Bastelarbeiten war“, erzählt Maike Engel. Und niemand muss sich dabei komisch vorkommen. „Wir haben das Camp exklusiv für uns“, sagt Maike Engel, im Camp wird sie dann zum „zerstreuten Hasen“.

  • Das erste Camp startet Mittwoch, 17. Juli, und geht bis Sonnabend, 20. Juli.
  • Das zweite Camp ist von Freitag, 2. August, bis Montag, 5. August. Ankunft ist jeweils gegen 16 Uhr, Abreise gegen elf Uhr.
  • Die Übernachtungen in einer skandinavischen Spitzdachhütte im Vierbettzimmer kostet ab 419 Euro. Es gibt auch Einzelzimmer.
  • Die Übernachtungen im eigenen oder geliehenen Zelt kosten ab 389 Euro.
  • Enthaltene Leistungen: drei Übernachtungen, Vollverpflegung, das Camp-Programm inklusive Material und Equipment sowie Camp Shuttle (Hin- und Rückfahrt vom und zum Camp vom nächstgelegenen Bahnhof).
  • Infos unter www.camp-breakout.com

Die Tourismus-Agentur Lübecker Bucht (TALB) unterstützt diese Form des Urlaubs. Denn an der Ostsee und vor allem im Hinterland ist mehr möglich als ein reiner Strandurlaub. Vor allem aber geht es dort ruhiger zu. „Das ‚Camp Breakout‘ bietet stilles Reisen, also Silent Travel, am Süseler See in erholsamer Natur und mit intensiven Erlebnissen. Und wenn man doch mal dem Meer ‚Hallo‘ sagen möchte, hat man es auch nicht weit“, sagt Doris Wilmer-Huperz von der TALB.