Hamburg. Eine Mutter aus Hamburg schildert heftige Zustände in der Einrichtung in Alsterdorf. Wie ihre 16-jährige Tochter dort lebte.
- Am AKK sollen junge Mädchen aus der Einrichtung an der Feuerbergstraße Mütter und Kinder brutal drangsaliert haben
- Im Gespräch mit dem Abendblatt erzählt eine Mutter über die Erfahrungen, die ihre Tochter mit der Einrichtung machte
- Was sie dort erlebte
Nach den brutalen Übergriffen auf wartende Mütter mit ihren Kindern im Kinderkrankenhaus Altona (AKK) wird immer deutlicher, wie schlimm die Zustände zumindest nach Aussagen einer betroffenen Mutter im Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) in Alsterdorf sind. Die drei Mädchen, die im Krankenhaus aggressiv randalierten, leben nach Abendblatt-Informationen in der Einrichtung an der Feuerbergstraße.
Nun beschreibt die Mutter einer 16-Jährigen exklusiv im Abendblatt, wie schlecht Kinder und Jugendliche dort ihrer Meinung nach von der Stadt Hamburg betreut werden.
Feuerbergstraße in Hamburg: Mutter berichtet von Erfahrungen mit ihrer Tochter
Ein Mitarbeiter der Einrichtung an der Feuerbergstraße hatte bereits geschildert, wie die Sozialpädagogen dort offenbar kaum gegen die Kinder und Jugendlichen vorgehen können. Sabine Klein (alle Namen geändert) aus Sasel empfindet das ebenso. Ihre Tochter Anna lebte zeitweise in der Einrichtung in Alsterdorf. Das junge Mädchen war abgerutscht.
Abgerutscht heißt: Anna kam im Alter von 14 Jahren mit Drogen in Kontakt, lief von zu Hause weg, war mehrmals im Kinder- und Jugendnotdienst der Stadt Hamburg. „Und dort wurde alles noch schlimmer, dann entgleist dir dein Kind noch mehr“, sagt Sabine Klein. Zuletzt war ihre Tochter Anfang des Jahres mehrere Wochen wieder dort, und das, obwohl Anna ein Zuhause hat.
„Dort ist es so angenehm wie in einem Hotel, die Kinder bekommen sogar Taschengeld“
„Aber zu Hause gelten Regeln und Pflichten. Anna wollte keine Regeln einhalten, zur Schule gehen wollte sie auch nicht. Sie ist nicht etwa von zu Hause herausgeflogen, sondern sie ist freiwillig zum KJND gegangen“, erzählt ihre Mutter. Tatsächlich stand Anna an der Tür zum Kinder- und Jugendnotdienst an der Feuerbergstraße und durfte dann nach Aussage ihrer Mutter dort bleiben, wurde in Obhut genommen.
„Dort ist es wie im Hotel“, so der Eindruck von Sabine Klein, und es klingt leicht spöttisch. „Anna hatte dort ein Einzelzimmer, das größer war als ihr Zimmer zu Hause, sie bekam kindgerechtes Essen und sogar Taschengeld.“ Laut Sozialbehörde erhalten die Kinder je nach Alter Taschengeld in Höhe von 12 bis 96 Euro pro Monat.
Mutter zu Feuerbergstraße: „Anna weiß, dass sie dort machen kann, was sie will“
Es sei der Mutter nach ein Leben ohne Anforderungen. „Anna weiß, dass sie dort machen kann, was sie will“, sagt ihre Mutter. „Ob sie morgens aufsteht und zur Schule geht oder nicht, interessiert kaum jemanden, die Kinder sind sich selbst überlassen, chillen den ganzen Tag und sind bis frühmorgens unterwegs“, schildert Sabine Klein ihre Sicht der Dinge.
Anna sei während ihrer Zeit im Kinder- und Jugendnotdienst jede Nacht auf der Reeperbahn unterwegs und nie pünktlich um 22 Uhr zurück in der Feuerbergstraße gewesen. „Wenn überhaupt, gab es eine Vermisstenanzeige.“
Behörde: Feuerbergstraße ist eine „Notaufnahme“
Auch vereinbarte Termine mit der Suchtberatung habe Anna in der Zeit nicht wahrgenommen, „und niemand wusste davon und hat sich gekümmert“, so ihre Mutter. An tägliche Termine werde „in der Regel erinnert“ und ihre Wichtigkeit verdeutlicht, heißt es dazu von der zuständigen Behörde. Eine Begleitung sei jedoch aufgrund der Vielzahl nur in Ausnahmefällen möglich.
Außerdem gebe es in der Einrichtung regelmäßige Kurse und Angebote eines Bildungsträgers. Dazu kommen „kleinere Freizeit- und Gruppenaktivitäten“. Die Behörde betont in diesem Zusammenhang, dass die Einrichtung an der Feuerbergstraße eine „Notaufnahme“ und nicht für einen längerfristigen Aufenthalt vorgesehen sei. Wie lang dieser letztlich dauere, sei jedoch vom Einzelfall abhängig.
Sozialbehörde: „Im KJND sind Straftaten, Gewalt und Drogen verboten“
Und wer wie Anna bereits Drogenprobleme und Schwierigkeiten damit hat, sich an Regeln zu halten, „wird in der Einrichtung an der Feuerbergstraße nicht lernen, von Cannabis und Co. loszukommen oder sich an Strukturen zu halten“, ist Sabine Klein überzeugt. Ganz im Gegenteil. „Dort kommen sie erst recht mit Drogen in Kontakt“, so die Mutter. „Gewalt, Straftaten, Drogen, das alles ist an der Feuerbergstraße normal.“ Diesen Eindruck hat die Zeit, die ihre Tochter dort verbrachte, bei der Mutter hinterlassen.
Die Sozialbehörde stellt hierzu klar: „Im KJND sind Straftaten, Gewalt und Drogen verboten und werden sanktioniert.“ Vorfälle würden dokumentiert und mit den Kindern und Jugendlichen besprochen. „Im Verdachtsfall finden Kontrollen auf Drogen statt“, heißt es von der Behörde.
Mutter über Feuerbergstraße: „Mitarbeiter sind dort heillos überfordert“
Den Mitarbeitern vor Ort macht die Mutter aus Sasel keine Vorwürfe. „Als Anna da war, hieß es, es seien viel zu viele Kinder und Jugendliche dort, auch Flüchtlinge. Die sind dort heillos überfordert. Einige Mitarbeiter leiden an Burnout, fehlen dann wochenlang.“ Der KJND ist auch für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge zuständig – der Zustrom hatte die Einrichtung noch Anfang des Jahres an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht.
Ein Mitarbeiter habe sich tatsächlich einmal zu Anna gesetzt und mit ihr ein Gespräch über die Zukunft geführt. „Das war eine Ausnahme“, so Sabine Klein.
Eltern müssen sich je nach Einkommen an täglichen Kosten von 519,41 Euro beteiligen
Was sie dort vermisst, sind Therapieangebote, Gespräche mit Psychologen, Angebote für die Jugendlichen. „Das alles findet nicht statt.“ Die Sozialbehörde hält dagegen: Therapeutische Angebote werden den Angaben nach genutzt. So kooperiere der Landesbetrieb Erziehung und Beratung etwa mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
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Der Abrechnungssatz für die Inanspruchnahme eines Platzes im KJND beträgt laut Sozialbehörde aktuell 519,41 Euro pro Tag. Die Kosten der Unterbringung des Kindes werden zunächst vollständig von der Jugendhilfe/dem Jugendamt übernommen. Anschließend werde der monatlich zu leistende Kostenbeitrag der Eltern berechnet: Dieser betrage bei der Unterbringung eines Kindes grundsätzlich bis zu 25 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Einkommens des Vorjahres je Elternteil.
Kindernotdienst: Mutter aus Hamburg von Zuständen erschüttert
Sabine Klein ist überrascht darüber, dass die vier Wochen Aufenthalt von Anna damit hochgerechnet mehr als 15.000 Euro kosten. „Wofür wird das Geld eigentlich ausgegeben?“, fragt sich die Mutter, die von der Hilfe vor Ort enttäuscht, von den Zuständen erschüttert ist.
Anna wohnt mittlerweile wieder zu Hause. Sie macht jetzt eine ambulante Therapie. Nach den Ferien soll es an einer neuen Schule einen Neustart geben.